Arbeitssicherheit: Die Anschlageinrichtungen eines größeren Verwaltungsgebäudes waren jahrelang nicht geprüft worden. Haptische Tests zeigten zudem nun sehr lockere Befestigungspunkte. Um Sicherheit zu garantieren, entschloss sich die Bauherrschaft zum kompletten Austausch: 780 Stück.
Die Dächer des Verwaltungsgebäudes sind als Umkehrdächer konzipiert, sodass bei dem Freilegen der Dachabdichtung immer mit stehendem Wasser zu rechnen war, welches zwischenzeitlich abgesaugt werden musste.
Verlegevorschriften beachten
Bei dem dann folgenden Austausch der Sekuranten wurde festgestellt, dass die bestehenden Anschlageinrichtungen praktisch alle undicht waren, und so war dann auch stehendes Wasser auf der Betondecke vorhanden. Aber durch die offensichtlich optimal ausgeführte Umkehrdach-Abdichtung, die also nicht hinterläufig war, hatten diese Undichtigkeiten direkt an den Einbauteilen keine weiteren Folgen. Ins Innere des Gebäudes war bisher kein Wasser eingedrungen. Die einzelnen Anschlageinrichtungen wurden dann analog den entsprechenden Verlegevorschriften eingebaut und dokumentiert. Die Ablauffolge der Montage geht aus der Dokumentation mit Bildbeschreibung hervor.
Anschlagpunkt ohne Befestigungsmittel
Zunächst sollen noch einmal die Rahmenbedingungen, die an eine nachträgliche Prüfung von Anschlageinrichtungen (AE) ohne Montagedokumentation gestellt werden, zusammengefasst und auf die damit verbundenen Problematiken hingewiesen werden. Erst 2012 wurde die Dokumentationspflicht von AE normiert, bei dem Baujahr 2009 der oben genannten Gebäude bestand diese somit nicht.
Die DGUV 201-056 aus August 2015 zeigt die „Vorgehensweise zur Prüfung von Anschlageinrichtungen (AE) durch einen Sachkundigen“ auf. Liegt keine Dokumentation der Montage der Anschlageinrichtungen vor, ist – sofern der Hersteller bekannt, aber die Befestigung nicht einsehbar ist – eine Bewertung nach Angaben des Herstellers durchzuführen. Geeignet sind zum Beispiel Drehmoment, Rüttelprobe mit maximal 70 kg, System-Funktionskontrolle etc. Die Vorgehensweise hierzu wird in den FAQ, Nr. 24, auf der DGUV-Webseite beschrieben. Nach deren Empfehlung sollen an 30 % der verbauten Anschlageinrichtungen über das Freilegen und Überprüfen der Befestigungsmittel die herstellerkonforme Montage nachgewiesen werden. In der Interpretation daraus soll die Frage beantwortet werden, ob die Befestigungsmittel beim Absturz einer daran befestigten Person die dabei auftretende dynamische Spitzenauffangkraft von 9 kN = 900 kg in den Untergrund ableiten oder nicht. Im Weiteren sollen die restlichen 70 % der Anschlagpunkte mittels 70-kg-Rüttelprobe auf Bewegungen überprüft werden. Statistisch soll diese Vorgehensweise, sofern die vorgenannten Kriterien bei der Prüfung mit Ja beantwortet werden, bestätigen, dass alle vorhandenen Anschlagpunkte einen Absturz einer Person verhindern und somit Schutz vor Schäden für Leib und Leben gewährleisten".
Vor der Aufnahme von Anschlagpunkten in die Bauregelliste (2012) wurde der Anschlagpunkt ohne Befestigungsmittel nach DIN 795:1996 geprüft, und jeder Hersteller hat dann nach seinem Ermessen und für jeden Untergrund ein Befestigungsmittel ausgewählt. Nunmehr bzw. nach DIN EN 795:2012 wird der Anschlagpunkt inklusive des Befestigungsmittels und des Untergrundes geprüft. Einzig dieses Befestigungsmittel, welches baurechtlich eine Zulassung (in der Regel ETA) besitzen muss, ist dann Bestandteil der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ). In der abZ werden zudem ergänzend zu den geprüften Untergründen, zum Beispiel das bei der Montage auf das Befestigungsmittel aufzubringende Drehmoment, aufgeführt. Verschiedene abZ beschreiben auch die Güte des Befestigungsuntergrundes. Falls nicht, sind für die Montage die Zulassung des angegebenen Befestigungsmittels und die darin angegebenen Anforderungen zu beachten.
Vorsicht vor Korrosion
Demnach sind bei der Überprüfung von im Bestand befindlichen Anschlagpunkten folgende Parameter zu beachten:






- Ist die Güte und Dicke der Unterkonstruktion bekannt?
Rechnung mit einer Unbekannten
Ist nur eine Unbekannte vorhanden, ist eine regelgerechte Überprüfung bzw. die Freigabe als Absturzsicherung nicht möglich. Weitere Unwägbarkeiten erschweren eine nachträgliche Überprüfung und lassen eine Freigabe nicht zu:
- Kann nur an einem der Befestigungsmittel das aufzubringende Drehmoment nicht aufgebracht werden, ist dieser Anschlagpunkt der vorgesehenen Nutzung zu entziehen.
Argumente für Erneuerung
Es kann nur Ziel der insgesamten Betrachtung sein, eine funktionsfähige dauerhafte Anlage zu konzipieren. Für eine Entscheidung zugunsten der Erneuerung von Anschlageinrichtungen ohne Dokumentation sollten noch folgende Argumente herangezogen werden:
- Statistisch wird bei 70 % der Anschlagpunkte angenommen, dass diese das halten, was sie suggerieren, nämlich Sicherheit für den Nutzer. Sollte es zu einem Versagen kommen, was niemand wünscht, wird von der ermittelnden Behörde (Staatsanwaltschaft) die Frage nach der Verantwortung des Betreibers, Prüfers, Auftraggeber und Eigentümers kommen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es theoretisch Möglichkeiten gibt, eine zum jetzigen Zeitpunkt schon mehr als 8 Jahre alte Anschlageinrichtung, also schon vor Gültigkeit der Norm 2012 montiert, bestehend aus Einzelanschlagpunkten, zu überprüfen. Auf dieser Basis könnte eine Montagedokumentation für die dann folgende jährliche Wartung erstellt werden. Bei der Entscheidung sollten aber im Vorfeld die vorgenannten Anforderungen, die der Prüfende beizubringen hat, deren Ausschlusskriterien sowie die sonstigen, teilweise auch kritischen Parameter und Unwägbarkeiten berücksichtigt werden. Es besteht somit immer die Gefahr, dass die Anschlagpunkte aufgrund von Korrosion oder sonstigen „Mängeln“ nicht, wie es in dem Vorgänger der DGUV 201-056 aus 8-2015 gültigen BGR 198 noch hieß, „rezertifiziert“ werden können.