Eine gute Tarifpartnerschaft zahlt sich aus, das zeigt ganz aktuell das Dachdeckerhandwerk. Dort gibt es bereits seit längerem ein sogenanntes Ausfallgeld, das bei witterungsbedingten Ausfällen in den oft regenreichen Herbst- und Frühjahrsmonaten einen Ausgleich für die Zeit leistet, in der nicht auf der Baustelle gearbeitet werden kann.
Dieses Ausfallgeld besteht neben dem Saison-Kurzarbeitergeld, das für den gesamten Baubereich in den Wintermonaten gilt. Durch den Klimawandel kommt es verstärkt zu besonders heißen Sommern und heftigen Starkregenereignissen. Darauf haben die Tarifvertragsparteien des Dachdeckerhandwerks – der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) – nun reagiert und die Ausfallgeldregelung auf die Sommermonate ausgedehnt.
Das funktioniert so: Alle Dachdeckerbetriebe zahlen eine Umlage an die Sozialkassen des Dachdeckerhandwerks (SOKA-DACH). Aus diesem Topf erhalten die Arbeitnehmer ein Ausfallgeld in Höhe von 75 Prozent ihres Stundenlohns, um die entstandenen Lohneinbußen durch die ausgefallenen Arbeitsstunden zu mindern. Dies gilt für maximal für 53 Stunden im Kalenderjahr. Der Arbeitgeber erhält eine Pauschalerstattung für die von ihm zu tragenden Sozialleistungen. Um die Wirkung des erweiterten Systems zu testen, haben sich die Verantwortlichen darauf verständigt, die Neuregelung zunächst auf das laufende Kalenderjahr zu begrenzen. Das neue „Sommer-Ausfallgeld“ kann ab dem 01.06.2020 bei der SOKA-DACH beantragt werden.
„Mit der Einführung des Sommer-Ausfallgeldes zeigen die Tarifvertragsparteien Verantwortung und demonstrieren Solidarität zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten in der Dachdeckerbranche. Auch wenn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr tüchtig sind: Kein verantwortungsvoller Chef mutet seinen Leuten zu, bei extremen Temperaturen auf brüllend heißen Dachflächen in der Mittagshitze zu arbeiten“, so Dirk Bollwerk, ZVDH-Präsident und selbst Inhaber eines Dachdeckerbetriebs am Niederrhein.
Und IG BAU-Bundesvorstandsmitglied Carsten Burckhardt stellt fest: „Die Beschäftigten dürfen nicht die Leidtragenden des Klimawandels sein. Daher ist es ein wichtiger Schritt, die entstehenden Lohnausfälle durch die Neuregelung abzufedern. Und ein Stück gelebte Sozialpartnerschaft.“
Update: Regelung dauerhaft verlängert
Die Tarifvertragsparteien des Dachdeckerhandwerks hatten vereinbart, diese Regelung zunächst bis zum Jahresende zu befristen und Anfang 2021 eine Evaluierung der tatsächlichen Inanspruchnahme durchzuführen. Diese hat Mitte Februar 2021 stattgefunden. Als Ergebnis hat die SOKA-Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern des ZVDH und der IG BAU, die Empfehlung ausgesprochen, die tarifliche Ausfallgeldregelung dauerhaft zu verlängern. Es hat sich gezeigt, dass es für die Dachdeckerbetriebe ein wirksames Instrument zur Abfederung von Ausfällen bei Extremwetterereignissen auch im Sommer ist.
- Die Höhe des Ausfallgeldes für jede ausgefallene Arbeitsstunde bleibt unverändert bei 75 Prozent. Bemessungsgrundlage ist künftig aber nicht mehr der durchschnittliche Stundenlohn der Monate Mai bis September des Vorjahres, der sich in den Monaten Oktober und November prozentual um die Tarifsteigerungen des Bundecklohns LG 4 erhöht. Stattdessen wird der Stundenlohn zugrunde gelegt, der in der Zeit des Ausfalls also tatsächlich gezahlt wurde.
- Der Arbeitgeber erhält nach wie vor eine Pauschalerstattung der von ihm für das Ausfallgeld zutragenden Sozialleistungen in Höhe von 23 Prozent.
- Der Gesamtrahmen des Ausfallgelds bleibt unverändert bei maximal 53 Stunden pro Kalenderjahr. Auch die Umlage (SOKA-DACH-Beitrag) bleibt gleich.
- Einfaches Antragsverfahren: Der Arbeitgeber meldet die für jeden Mitarbeiter ausgefallenen Arbeitsstundenund den zugrundeliegenden Stundenlohn mit seiner monatlichen Bruttolohnsummenmeldungund beantragt damit gegenüber der SOKA-DACH die Erstattungsleistung.
- Es gibt keine fest vorgeschriebenen Temperatur- oder Niederschlagsgrenzen, um das Ausfallgeldzu beantragen: Es muss sich um „zwingende Witterungsgründe“ handeln. So ist es auch im Tarifvertragformuliert. Die SOKA-DACH überprüft die Anträge dann auf Plausibilität.