Sobald ein Handwerker ein Bauteil wärmetechnisch verändert, ist er verpflichtet die U-Wert-Vorgaben der EnEV einzuhalten. Das ist sicherlich bekannt. Weit weniger bekannt ist die Verpflichtung ein trockenes Bauteil zu erstellen.
Sie resultiert aus der Musterbauordnung des Bundes (§3, Abs 1: Anlagen sind so zu errichten ... dass ... Leben, Gesundheit...nicht gefährdet werden) und den Landesbauordnungen (u.a. rechtliche Verankerung div. Normen). Anforderungen, die spätestens dann verletzt werden, wenn das Bauteil anfängt zu schimmeln!
Der Nachweis zur Schimmelfreiheit gelingt indirekt über den Nachweis ein trockenes Bauteil zu erstellen. Dachhandwerkern bieten sich hierfür 2 Verfahren an:
1. Vereinfachter Nachweis entsp. den Fachregeln des Deutschen Dachdeckerhandwerks, siehe Merkblatt "Wärmeschutz bei Dächern", Kapitel 3.
2. Tauwasserberechnung nach DIN 4108 Teil 3 (Glaserverfahren)
Das für beide Verfahren nötige Grundwissen wird hier erläutert:
Feuchtewanderung
Abgesehen von Einregenstellen und Rohrbruch kennt die Bauphysik 2 Formen des Feuchteeintrages in Bauteile: Diffusion und Konvektion. Diffusion ist die Wanderung von Gasen, hier feuchte Luft, durch feste Stoffe. Konvektion ist Luftströmung, hier angereichert mit Wasserdampf. Beispielhaft ausgedrückt: wenn die Wassermoleküle sich durch die Gipskartonplatte zwängen ist es Diffusion; strömt die feuchte Luft durch Fugen in der Nut-und Federschalung ist es Konvektion. Konvektion hat hierbei die Eigenschaft ein vieltausendfaches an Feuchte in das Bauteil zu transportieren als es durch Diffusion möglich ist. Daher ist eine perfekte Luftdichtheitsschicht die wichtigste Forderung im Feuchteschutz.
Die Luftdichtheitsschicht kann durch raumseitigen Putz auf Mauerwerk, Gipskarton- oder Holzwerkstoffplatten mit dauerhaft dichter Verfugung o.ä. ausgebildet werden. Kann die Dichtheit der Fugen nicht dauerhaft sichergestellt werden, empfiehlt sich eine Kunststofffolie o.vgl. zwischen raumseitigen Platten und der Dämmstoffebene. Luftdichtheit kann nicht berechnet werden, sie ist durch sorgfältige Planung und fachgerechte Montage sicherzustellen. Die Prüfung erfolgt mittels Blower-Door-Test.
Zusätzlich zur Luftdichtigkeitsschicht raumseits der Dämmung kann auch eine Winddichtigkeitsschicht eingebaut werden. Diese befindet sich außerhalb der Dämmebene und soll das Einströmen kalter Außenluft in die Dämmung verhindern. Besonders nützlich ist die Winddichtigkeitsschicht bei belüfteten Konstruktionen mit Faserdämmstoffen. Die typische Winddichtigkeitsschicht besteht aus einer nahtverklebten Unterspannbahn. Neben eindringender Feuchte, typ. im Keller, und Wärmebrücken ist eine mangelhafte Luftdichtheitsschicht der Hauptschimmelverursacher. Schäden die auf Diffusion zurückzuführen sind, können als Seltenheit bewertet werden. Manch ein Experte ist sogar der Meinung, dass Feuchteschäden durch Diffusion an belüfteten Steildächern in der Praxis nicht auftreten würden. Dennoch ist Diffusion im Feuchtenachweis ein Pflichtkapitel. Und im Gegensatz zur Luftdichtheit kann Diffusion auch berechnet werden.
Feuchtenachweis nach DIN 4108 Teil 3 (Glaserverfahren)
Das Glaserverfahren ist ein bilanzierendes Verfahren. Hierbei wird ermittelt wieviel Feuchte in der Tauperiode (= Winter) in das Bauteil eindringt und wieviel Feuchte in der Verdunstungsperiode (= Sommer) verdunsten kann. Ist die Verdunstungsmenge größer als die Tauwassermenge, so trocknet das Bauteil im Sommer aus und es kann sich über die Jahre kein Tauwasser ansammeln. Zusätzlich darf die eindiffundierte Feuchtemenge bestimmte Obergrenzen nicht übersteigen. Eine Feuchtebilanz muss natürlich nur erstellt werden, wenn auch Feuchte in Form von Tauwasser ausfällt. Wie aber kommt es dazu? Luft kann nur eine bestimmte Menge an Wasserdampf aufnehmen. Diese Wasseraufnahmekapazität ist abhängig von der Lufttemperatur. Warme Luft kann mehr, kalte Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen. Fällt die Lufttemperatur, so sinkt die Fähigkeit den Wasserdampf in der Luft zu halten. Wird die kritische Temperatur unterschritten, gibt die Luft den Wasserdampf in Form flüssigen Wassers ab. Man spricht von Tauwasserausfall.
Da die meisten Baustoffe, insbesondere Holz, Ziegel und Dämmstoffe, Luft enthalten, geschieht dort das Gleiche.
Für die feuchtetechnische Untersuchung müssen eine ganze Reihe von Berechnungen durchgeführt werden. Zu Beginn erstellt man ein Glaserdiagramm. Gehen Sie hierzu wie folgt vor:
1. Ermittlung der Oberflächentemperaturen aller Bauteilschichten.
Hinweis: der Temperaturabfall ist proportional dem Wärmewiderstand.
Raumtemperatur = 20 °C, Außentemperatur = -10 °C.
2. Berechnung des temperaturabhängigen Dampfsättigungsdruckes je Schicht
3. Berechnung des Dampfteildrucks je Schicht
4. sd-Werte der einzelnen Bauteilschichten berechnen (sd = m * Dicke).
m ist die Wasserdampfdiffusions-Widerstandszahl. Sie beschreibt um wieviel mal mehr ein Stoff die Wasserdampfdiffusion behindert als Luft. Folglich ist mLuft = 1. Die m-Werte entnimmt man DIN 4108 Teil 4 bzw. dem Produktdatenblatt.
5. Dampfsättigungsdruck und Dampfteildruck errechnen und über den sd-Werten auftragen.
Verläuft die blaue Dampfsättigungsdruckkurve stets oberhalb der roten Dampfteildruckkurve, ist die Konstruktion frei von Tauwasser.
Sinkt der Dampfsättigungsdruck (blau) unter den Dampfteildruck (rot) fällt Tauwasser aus. Dabei zieht die blaue Kurve die rote nach unten, da kein höherer Dampfteildruck als der Sättigungsdruck möglich ist. Die Differenz rot zu blau "produziert" letztendlich das Tauwasser. Im oben dargestellten Glaserdiagramm ist dies im Bereich der EPS-Dämmung (sd 91 -> 104) der Fall.