Flachdach 2009-10-29T00:00:00Z Schlagartige Belastungen

Um eine lange Lebensdauer zu ermöglichen, müssen abdichtende Dachbaustoffe den massiven Witterungseinflüssen standhalten. Beim Flachdach mit Abdichtungen aus Kunststoff-Dachbahnen erfüllt nur eine Lage all diese Anforderungen.

Dabei haben die Bahnen im Regelfall nur eine Dichtschichtdicke von rund 1,5 bis 1,8 Millimeter. Entsprechend komplex sind die Rohstoffrezepturen aus denen moderne Kunststoff-Bahnen gefertigt werden. Beim Hagelschlag sind es mehrere physikalische Beanspruchungen, die auf die Kunststoff-Abdichtungen wirken. Aus diesem Grund ist es nicht unerheblich, wie die einzelnen Bahnen von ihrer Rezeptur her aufgestellt sind.Die erste Beanspruchung durch Hagel ist eine mechanische. Das mehr oder minder große Hagelkorn trifft auf die Abdichtungsebene, häufig zusätzlich durch Windböen beschleunigt. Neben der Größe des Hagelkorns ist vor allem die Geschwindigkeit entscheidend. Welche Kräfte hier wirken, sieht man an Autodächern und -Motorhauben nach einem heftigen Hagel. Im Gegensatz zum Autoblech, das über eine geringe Elastizität und gleichzeitig eine hohe Festigkeit verfügt, sind Kunststoff-Dachbahnen anders aufgestellt. Ihr Grad an Elastizität ist abhängig vom Bahnenalter und der Rohstoffzusammensetzung, im Regelfall jedoch höher als die des Bleches. Dafür weisen sie umgekehrt niemals so hohe Festigkeiten auf. So gesehen ist die erhöhte Elastizität für die Aufnahme der Aufschlagkräfte eines Hagelkorns ideal. Die Bahn gibt in Richtung des im Regelfall ebenfalls verformbaren Untergrundes der Wärmedämmschicht nach.

Schlagartige Abkühlung

Hier kommt die zweite Beanspruchung bei Hagelschlag zum Tragen. Denn neben der rein mechanischen Aufprallkraft wirken die zahlreichen Hagelkörner auf der Dachabdichtung zusätzlich abkühlend, was sich wiederum auf die Elastizität auswirkt. Bekanntermaßen ziehen sich alle Materialien bei Kälte zusammen, so auch die Kunststoff-Dachbahn. Dabei wird die Elastizität der Bahn reduziert. In der Folge können die Aufprallkräfte der Hagelkörner nicht immer in dem gewünschten Maße schadlos aufgenommen werden. Ob es zu einer Schädigung der Bahn kommt, hängt wesentlich von deren Kälteflexibilität ab. Gleiches gilt bei Dachaufbauten, bei denen unterhalb der Dach- und Dichtungsbahn keine verformbare Schicht liegt. Harte Untergründe sind in der Regel grundsätzlich kritischer bezüglich Hagelschlagbeanspruchungen, da weniger Energie durch Verformungen der Materialien abgebaut wird.

Prüfungen mit Patten

Bisher konnten Hersteller von Kunststoff-Dichtungsbahnen die Widerstandsfähigkeit ihrer Produkte gegen simulierten Hagelschlag nach der Schweizer Norm SIA 280 ermitteln. Dabei wurde der Prüfkörper auf der Oberfläche mit einer entsprechenden Kugel aus definiertem Material (Kunststoff) und vorgegebener Größe beschossen. Als Unterlage diente entweder eine Stahlplatte (starre Unterlage) oder eine Schaumstoffplatte aus Polystyrol (flexible Unterlage). Inzwischen wurde vom Technischen Komitee CEN/TC 254 "Abdichtungsbahnen" eine Europäische Norm erarbeitet, die den Status einer nationalen Norm erhalten hat. Die DIN EN 13583 legt das Prüfverfahren zur Bestimmung des Widerstandes von Dachabdichtungsbahnen gegen Hagelschlag durch eine Perforationsprüfung mittels simuliertem Hagelschlag fest. Auch bei dieser Prüfung wird der Prüfkörper auf der Oberfläche mit einer Kugel aus Kunststoff beschossen. Die Geschwindigkeit der Kugel beim Aufprall kann variiert werden. Die Kugel kann senkrecht nach unten oder waagerecht geschossen werden. Vor der Durchführung der Prüfung müssen die mindestens zehn Prüfkörper wenigstens 24 Stunden in einem vorgegebenen Klima konditioniert werden. Darüber hinaus wird die erwähnte schlagartige Abkühlung durch das Bedecken der Prüfkörper mit Eisschuppen (200 ± 20 Gramm) für einen definierten Zeitraum (3 Minuten ± 30 Sekunden) simuliert. Die Prüfungen beginnen mit einer Geschwindigkeit der Kugel, die kleiner als die erwartete Schädigungsgeschwindigkeit ist. Dann werden diese so lange fortgesetzt bis die Schädigungsgeschwindigkeit an fünf Prüfkörpern für die harte oder für die flexible Unterlage bestimmt ist. Gemäß SIA 280 beziehungsweise nach den Anforderungen der DIN 18531-2 gilt für die Hagelschlagprüfung ein Mindestwert von 17 Meter pro Sekunde. Zu beachten ist, dass die Prüfungen immer an neuem Material durchgeführt werden, alterungsbedingte Einflüsse werden also nicht berücksichtigt.

Raue Wirklichkeit

Bekanntermaßen sieht die Wirklichkeit auf Flachdächern im Gegensatz zu den Prüfungen anders aus. Da haben Hagelkörner schon mal Hühnerei bis Gänseei große Ausmaße und die Aufprallgeschwindigkeit liegt aufgrund starker Windböen deutlich höher, als in den Laborprüfungen. Auch die Häufigkeit des Einschlages von Hagelkörnern auf eine abgedichtete Dachfläche liegt naturgemäß höher. Kurzum, in der Praxis müssen Kunststoff-Dachbahnen deutlich höheren Beanspruchungen widerstehen. Häufig genug sogar mehrfach innerhalb eines kurzen Zeitraumes. Um eine moderne Kunststoff-Abdichtung so auszurüsten, dass sie unabhängig von leichten oder schweren Hagelschauern dauerhaft dicht und funktionsfähig bleibt, sind entsprechende Rohstoffe und Rezepturen einzusetzen. Hier haben sich in den letzten Jahrzehnten Bahnen auf der Rohstoffbasis Polyisobutylen (PIB) als besonders hagelschlagsicher ausgezeichnet. So gibt es nach vorliegenden Informationen bisher keinen einzigen Hagelschaden an einer Dachabdichtung mit PIB-basiertem Bahnenmaterial.

Martin Meyer

zuletzt editiert am 24. Februar 2021