Fassade 20. January 2012 Wo Karl der Große zu Hause war

Der Granusturm am historischen Rathaus in Aachen erhielt eine Fassadendeckung aus Kirchenblei. Dachdecker Vogel erstellte Ornamente in Treib- und Schweißtechnik mit insgesamt 12 t Blei.

Von der ersten Etage des Hauses im Seilgraben 32 kann man ihn sehen: den Granusturm am historischen Rathaus in Aachen. So hatte Sabine Vogel den Fortgang der Dach- und Fassadenarbeiten dort stets im Blick und kann jetzt den Ausblick auf den sanierten Turm genießen. Gemeinsam mit ihrem Mann Heiner Vogel und ihrem Schwiegervater Heinrich Vogel leitet sie das Familienunternehmen Vogel Bedachung in der 5. Generation. Die Familie Vogel ist stolz, dass sie mit der Sanierung des Granusturms die Ausschreibung für die Arbeiten am ältesten erhaltenen Gebäude in Aachen für sich entscheiden konnte. Eine besondere Herausforderung, denn das historische Rathaus ist neben dem Dom das Wahrzeichen der Stadt und Zeuge einer langen und bewegten Geschichte. Im heutigen Ostturm des Rathauses aus dem Jahr 770 soll einst sogar Karl der Große gewohnt haben.

Sanierung mit Überraschungen

Im Rahmen der umfassenden Rathaussanierung plante die Stadt Aachen auch die Neudeckung der beschädigten Schieferdachflächen am Granusturm ein. Die Spitze war nach ihrer letzten Zerstörung im 2. Weltkrieg erst 1979 neu aufgebaut worden und es wurden keine größeren Schäden erwartet. Der zuständige Bauleiter und öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für die Dacharbeiten am Rathaus, Rainer Schüpphaus, setzte im Juli 2010 eine Sichtung an. Vom Autokran aus stellte er schnell fest, dass auch an den bleigedeckten Flächen umfassende Sanierungsarbeiten nötig sein würden. "Von der 1979 verwendeten Baumetalldicke mit 2 mm Dicke waren partiell noch 0,65 mm Restdicke vorhanden. In den Überdeckungen der senkrechten Laternensäulen zeigten sich, im Besonderen zu den windseparierten Seiten, deutliche Aufwölbungen infolge unzureichender Befestigungen. Das auslaufende Korrosionsgemisch hatte großflächige Farbveränderungen auf den Schieferflächen hinterlassen."

Fehler bei der Verarbeitung

Falsche Überdeckungs- und Löttechniken wurden als Ursache des Problems identifiziert. Sie hatten im Verlauf der Jahrzehnte einen Feuchtigkeitseintritt auf der Rückseite und damit die Entstehung von Korrosionsschäden am Blei begünstigt. Die dahinterliegende Holzkonstruktion hatte ebenfalls Schaden genommen. Neben der Schiefer- musste daher auch die Bleideckung und deren Unterbau einer umfassenden Sanierung unterzogen werden. Es galt, 241 m² Schieferflächen und insgesamt 390 m² Blei an Wandflächen, Ornamenten, Säulen, Zinnen und Gesimsen auszutauschen.

Gemeinsam mit Anwendungstechniker Jürgen Seifert von Röhr + Stolberg wurden die Fehler der alten Bleideckung analysiert und eine optimale Verlegetechnik erarbeitet. Die Materialdicken von zuvor 2 mm wurden auf 2,5 mm für die Ausführung der Flächen beziehungsweise 3 mm für die Ornamente erhöht. Soweit Denkmalschutzauflagen dies zuließen, sollten zuvor schmal gehaltene Überdeckungs- und Falzarbeiten deutlich breiter gestaltet werden, um der nachträglichen Ausdehnung des Bleis Rechnung zu tragen. Zur Verbindung von Einzelzuschnitten der Ornamentik, die nicht aus einem Stück getrieben werden konnten, sollte auf Lötnähte verzichtet werden. Stattdessen würde das Bleischweißverfahren zum Einsatz kommen. Befestigungen sollten mit Kupferhaftern und Edelstahlnägeln durchgeführt, Mauerwerksfugen mit Bleiwolle verstemmt werden.

Darüber hinaus entschied sich das Team für eine Ausführung der Bleiarbeiten in Kirchenblei. Um einen in der Regel von hinten angreifenden Korrosionsangriff durch Nachtabstrahlungs- oder Kondensatfeuchte mit erhöhtem Widerstand zu begegnen und um dem Gegenstandswert des bedeutenden Gebäudes zu entsprechen, konnte auf Kirchenblei nicht verzichtet werden. Die Besonderheit des Produkts Kirchenblei liegt in der Kombination von 2 Oberflächen. Vorderseitig Saturnblei, ist Kirchenblei rückseitig mit einer Zinnbeschichtung ausgestattet. Kirchenblei entspricht mit seiner Saturnblei-Vorderseite den Ansprüchen von vielen Objekten im Denkmalschutz, bei denen die bleitypische Entstehung von Patina für die Optik erforderlich ist. Gleichzeitig jedoch hält die rückseitige Zinnbeschichtung dem Problem von Feuchtigkeitsbildung stand, ohne dass es zu Korrosionsschäden kommt.

Inga Richrath

Den ausführlichen Artikel lesen Sie in Ausgabe DDH 24.2011

zuletzt editiert am 24.02.2021