Baurecht im Gespräch: Dachdecker und Auftraggeber kommunizieren häufig per E-Mail oder
Messengerdienst. Das ist schnell und praktisch. Aber Vorsicht: Durch eine unbeantwortete WhatsApp-Nachricht kann ein Vertragsverhältnis zustande kommen.
Dachdeckermeister Jost Presuhn: Digitale Geschäftsprozesse machen auch vor dem Bau nicht halt. Immer häufiger werden Angebote per E-Mail angefordert und Aufträge per E-Mail erteilt. Worauf muss ich dabei achten?
Rechtsanwalt Elmar Esser: „Wer schreibt, der bleibt.“ Dieser Grundsatz gilt auch in Zeiten, in denen man mal schnell per E-Mail ein Angebot verschickt oder per WhatsApp Absprachen zum Bauablauf trifft. Doch nicht alles, wofür früher ein kurzes Fax ausreichte, kann heute einfach so per Mail etc. erledigt werden. Und man muss auch aufpassen, dass man nicht schon durch Erhalt einer E-Mail ungewollt in einem Vertrag landet.
Presuhn: Mit einer E-Mail, die ich bekomme, kann ein Vertrag begründet werden?
Esser: So ist es. Der Klassiker ist hier das Schweigen auf das sogenannte „Kaufmännische Bestätigungsschreiben“. Wenn ein gewerblicher Auftraggeber, dem Sie ein Angebot übersandt haben, zum Beispiel ein Generalunternehmer, Ihnen eine Mail schickt, mit der er das Angebot annimmt, kommt der Vertrag zustande. So weit, so gut. Das gilt aber auch dann, wenn er in seiner Mail Änderungen, zum Beispiel an den von Ihnen eingeräumten Skontobedingungen vornimmt. Reagieren Sie auf eine solche Mail nicht, wird Ihr Schweigen rechtlich als Zustimmung gewertet. Der Vertrag kommt zu diesen – einseitig – geänderten Bedingungen zustande. Im kaufmännischen Geschäftsverkehr müssen Sie in einem solchen Fall umgehend widersprechen.
Das heißt also: Ihre Mails sollten Sie stets ganz genau lesen.
Presuhn: Das gilt aber doch wohl nicht, wenn ich es mit einem privaten Bauherren zu tun habe, oder?
Esser: Richtig. Bei einem privaten Bauherren bzw. Auftraggeber kommen die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens nicht zur Anwendung.
Presuhn: Wie sieht es denn aus, wenn mir jemand eine Whats-
App schickt, mit der er mir den Auftrag erteilt – muss ich hier auch aufpassen?
Esser: Hier gilt im Kern das Gleiche wie zuvor beim kaufmännischen Bestätigungsschreiben. Auch bei einer WhatsApp sollten Sie genau hinsehen. Und wenn dort etwas steht, was Sie so nicht angeboten haben, dann sollten Sie unverzüglich widersprechen.
Presuhn: Soll ich diesen Widerspruch denn auch per WhatsApp schicken – wie kann ich mir da sicher sein, dass der Auftraggeber die Nachricht wirklich erhalten hat, wie kann ich das beweisen?
Esser: Theoretisch können Sie in einem solchen Fall per WhatsApp widersprechen, vor allem dann, wenn der Auftraggeber genau so mit Ihnen in Kontakt getreten ist. Praktisch sprechen Sie aber einen ganz wichtigen Punkt an: Wie können Sie belegen, dass er Ihre WhatsApp erhalten hat?
Presuhn: Wenn ich es mir so richtig überlege, ist das eigentlich ganz einfach: Ich sehe doch an den blauen Häkchen im Whats-App-Chat auf meinem Smartphone, dass der Auftraggeber die Nachricht bekommen und gelesen hat.
Esser: Vorsicht, ganz so einfach ist das nicht. Denn im Zweifelsfall müssen Sie beweisen, dass dem Empfänger diese Nachricht zugegangen ist. Ob die blauen Häkchen einen solchen rechtssicheren Nachweis darstellen, ist noch nicht endgültig gerichtlich geklärt.
Es spricht aber einiges dafür, dass der Zugang von WhatsApp-Nachrichten zumindest im Wege des sogenannten „Anscheinsbeweises“ leichter nachgewiesen werden kann, als dies bei E-Mails der Fall ist. Sie sollten also – falls Sie mit Ärger rechnen – vorsorglich den Chat-Verlauf sichern, zum Beispiel indem Sie mit Ihrem Smartphone einen Screenshot davon machen, aus dem sich der Nachrichtenverlauf ablesen lässt.
Presuhn: Kann ein Auftraggeber denn auch einen Bauvertrag einfach per E-Mail kündigen?
Esser: Nein, das geht bei Bauverträgen, die nach dem 31.12.2017 geschlossen wurden, nicht mehr. Der neue § 650h BGB sieht ausdrücklich vor, dass die Kündigung eines Bauvertrags der Schriftform im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB bedarf, das heißt die Kündigung muss eigenhändig vom Auftraggeber unterschrieben werden. Eine Kündigung per E-Mail erfüllt diese Voraussetzungen nicht und ist daher unwirksam. Dies hat kürzlich das OLG München in Bezug auf einen VOB-Vertrag festgestellt. Bei BGB-Verträgen gilt dies aber auch.