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Rechtsanwalt Elmar Esser aus Berlin beantwortet Fragen zum Thema "Nachträge". (Quelle: Elmar Esser)

Recht 7. August 2023 Grenzen des Verbraucherschutzes

Baurecht im Gespräch: Der Auftraggeber kann durchaus auch gleichzeitig Verbraucher sein. Doch was muss ich als Dachdecker zum sogenannten „Verbraucherbauvertrag“ wissen und welche Formvorschriften beachten?

DDM Matthias Schomberg: Vor ein paar Jahren wurde doch das BGB-Werkvertragsrecht um Vorschriften ergänzt, die dann eine Rolle spielen, wenn der Auftraggeber als Verbraucher anzusehen ist. Für uns als Dachdecker wurde damit eine zusätzliche Hürde für eine rechtssichere Abwicklung von Bauvorhaben geschaffen. Was sollte ich dazu wissen, und worauf sollte ich in diesem Zusammenhang unbedingt achten?

Rechtsanwalt Elmar Esser: Die Vorschriften der §§ 650i ff. BGB zum sogenannten „Verbraucherbauvertrag“ gelten für alle Bauverträge, die ab dem 1. Januar 2018 abgeschlossen wurden. Ein Verbraucherbauvertrag liegt vor, wenn der Bauunternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird (§ 650 i Abs. 1 BGB). Mit den neuen Vorschriften wollte der Gesetzgeber Verbrauchern, also solchen Bauherrn, die einen Bauvertrag nicht zu geschäftlichen, sondern nur zu privaten Zwecken abschließen, einen zusätzlichen Schutz gewähren.

Schomberg: In der Regel kann ich ja erkennen, wenn der Bauherr als Verbraucher eine Leistung beauftragt. Gibt es aber dann besondere Formvorschriften für den Vertrag einzuhalten?

Esser: Ja. Bei solchen, in der Regel größeren Bauvorhaben muss der Bauvertrag in sogenannter „Textform“ abgeschlossen werden, mithin zum Beispiel per Mail so versandt worden sein, dass er abgespeichert werden kann. Ich empfehle hier im Zweifelsfall immer, auf die gute alte Papierform, von beiden Seiten unterschrieben, zurückzugreifen. Musterverträge finden sich im Intranet des ZVDH.

Schomberg: Was ist mit dem Widerrufsrecht?

Esser: Auch daran muss man natürlich denken. Auf der sicheren Seite ist man bei der Verwendung des Muster-Verbraucherbauvertrages der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, der auch im Intranet des ZVDH zu finden ist. Der enthält eine klare Anleitung, wann eine Widerrufsbelehrung unbedingt erforderlich ist. Da kann man dann eigentlich keine Fehler mehr machen.

Schomberg: Helfen Sie bitte meinem Gedächtnis doch noch mal auf die Sprünge. Wann muss ich über das Widerrufsrecht denn belehren?

Esser: Als Faustformel kann man sagen: Wann immer der Vertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers, also zum Beispiel im Haus des Bauherrn zustande kommt. Überdies steht dem Verbraucher bei sogenannten Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Ein Fernabsatzvertrag liegt immer dann vor, wenn die Vertragsverhandlungen und der Vertragsschluss ausschließlich per Telefon, Telefax, E-Mail, WhatsApp & Co. etc. erfolgt sind.

Schomberg: Handelt es sich denn auch um einen Verbraucherbauvertrag, wenn ich bei einem Neubau privater Bauherren mit dem Einzelgewerk der kompletten Dachdeckerarbeiten beauftragt werde?

Esser: Diese Frage war längere Zeit bei den Gerichten umstritten. Manche Gerichte gingen davon aus, dass bereits durch die Beauftragung mit einem einzelnen Gewerk bei einem Neubau ein Verbraucherbauvertrag vorliege. Dem ist der Bundesgerichtshof (BGH) nun aber in seiner Entscheidung vom 16. März 2023 (Az. VII ZR 94/22) entgegengetreten.

Schomberg: Wie ist denn der BGH zu dieser Auffassung gekommen?

Esser: Nun, der BGH sagt, dass es nicht genügt, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernimmt. Denn der Gesetzgeber habe die Regelung ganz bewusst auf Fälle begrenzt, die den Bau eines „gesamten Gebäudes“ betreffen.

Schomberg: Was bedeutet das für mich in einem solchen Fall nun?

Esser: Arbeitserleichterung. Sie müssen in einem solchen Fall nicht mehr die strengen Vorgaben der § 650i ff. BGB beachten. So entfällt zum Beispiel die Verpflichtung zur Übergabe einer detaillierten Baubeschreibung oder die Pflicht zur Bekanntgabe eines verbindlichen Termins für die Fertigstellung. Und außerdem hat der Bauherr keinen Anspruch auf die gesetzliche Sicherheitsleistung des Unternehmers in Höhe von immerhin 5 % der vereinbarten Gesamtvergütung.

zuletzt editiert am 02.08.2023