Stuttgart: Geballte Infos zur Digitalisierung – das bot der Zukunftstag von Creaton. Vor allem drei Dachdecker überzeugten mit ihren Vorträgen und zeigten auf, welche Werkzeuge den Betrieb optimieren. Die Organisation des Barcamps hat noch Potenzial.
Das Votum der eingeladenen Gäste war klar und deutlich. Obwohl das Event auch die Möglichkeit einer Online-Teilnahme bot, nutzten diese nur rund 10 Prozent. 200 TeilnehmerInnen entschieden sich für das Live-Event in den Stuttgarter Wagenhallen. Und das lohnte sich. Anspruchsvolle Vorträge zu Holzkonstruktionen, Tipps zum Online-Marketing, aktuelle Zahlen zur Bauindustrie und ein beeindruckender Vortrag zum Klimawandel: Der Zukunftstag lieferte eine gute Mischung für die DachdeckerInnen und ZimmererInnen.

Mike Schilling, Vizepräsident des ZVDH, Gerd Renz, Präsident Holzbau BW, und Creaton-Geschäftsführer Sebastian Dresse begrüßten die Dachdecker und Zimmerer in den Stuttgarter Wagenhallen. Den "Aufschlag" machte Redner und Coach Jörg Mosler. Amüsant und unterhaltsam verdeutlichte er, warum der Kundenkontakt so wichtig ist. „Das machen die wenigsten Arbeitgeber: Sie kommunizieren nicht mit ihren Kunden. Dabei haben sie besondere Geschichten zu erzählen. Wenn die Mitarbeiter zufrieden sind, tragen sie das nach draußen", so Mosler.
Wir brauchen eine Energierevolution
Warum wir beim Klimawandel nicht mehr länger warten dürfen, erläuterte Professor Dr. Volker Quaschning anschaulich. Der Klimaforscher zeigte, dass es auf uns alle ankommt, wirksame Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen und unsere Gebäude zukunftsfähig zu machen. "Ein Anstieg von rund 1 Grad hört sich erst mal nicht viel an, doch diese Entwicklung in rund 100 Jahren ist dramatisch. Bisher haben wir in Europa dazu vor allem leider viel Papiere produziert und wenig Konkretes. Dabei ist doch klar: Wir brauchen eine Energierevolution. Deutschland ist Klimaschädling Nummer 6 weltweit, wir können und dürfen nicht länger auf die anderen Länder deuten“ so Quaschning. "Die Photovoltaik ist dafür eine Schlüsseltechnologie, nutzen Sie das", empfahl der Klimaforscher den TeilnehmerInnen.

Wie bereits aktuelle, anspruchsvolle Holzbauprojekte digital umgesetzt werden, zeigte Professor Dr. Christopher Robeller.

Vorfertigung als Antwort auf den Facharbeitermangel
Welche Trends die Baubranche künftig beeinflussen werden, verdeutlichte Martin Langen, Marktforscher von B+L Marktdaten GmbH. „Ihre Kunden leben die Digitalisierung, wir werden alle in diese Online-Welt gedrängt. Also muss der Dachdecker auch digital denken - hier wird der Anspruch immer größer“. Umfragen von B+L haben gezeigt, dass neben der Digitalisierung der Elementbau und die Energieeffizienz wichtiger beim Bauablauf werden. Ein bekanntes Problem ist, dass viele Dachdecker bald in Rente gehen - und ein Nachfolger ist nicht überall in Sicht. Vorfertigung kann eine Antwort auf den Facharbeitermangel sein.
Per Live-Abstimmung konnten die TeilnehmerInnen Fragen sofort digital per App beantworten und lieferten so ein spontanes Stimmungsbild.
"Schritt für Schritt zum digitalisierten Betrieb" war das Thema von Susi Stadler, die jedoch über Allgemeinplätze nicht hinaus kam.

DachdeckerInnen berichten aus ihrem Alltag
Highlight nach der Pause waren drei Vorträge von den Dachdeckermeistern Felix Moll (mit Schwester Anne), Karl-Heinz Krawczyk und Jan van Meegern, die aus eigenen Erfahrungen berichteten, wie sie die Digitalisierung im Betrieb umsetzen und so neue Impulse setzen konnten.
„Wir wollten vor allem eine bessere Struktur haben im Betrieb“, berichtete Felix Moll. „In unserem Dachdeckerbetrieb sind wir auf die private Kundschaft ausgerichtet. Es gibt viele Tools wie Checklisten und Formulare, die zunächst analysiert werden. Dabei sind klare Zuständigkeiten wichtig“, so Anne Moll. Das geht von den Kundenanfragen bis zum Ticket-System über die Buchhaltung. Die vier Tipps der Molls: In kleinen Schritten denken, austauschen, Erfolge feiern und Dinge weiterentwickeln. „Extrem wichtig ist es, die Mitarbeiter mitzunehmen, die jüngeren Mitarbeiter sind einfach schneller bei digitalen Tools", empfahl Felix Moll.
Dachdecker-Podcast von Dachdeckern
"Es liegt an uns, welche Aufträge wir annehmen, dabei spielt Digitalisierung eine Rolle. Leider gibt es bei Dachdecker-Software zu wenig Schnittstellen", sagte Karl-Heinz Krawczyk. Der Freiburger Dachdeckermeister beschäftigt sich seit Jahren schon mit Software und Tools, die Dachdecker voranbringen können. "Ich komme mit 'Ipad only' aus, mehr braucht ein Dachdeckerbetrieb meiner Meinung nach nicht. Ich will, dass der Kunde ein gutes Angebot bekommt, und am Ende des Tages eine Rechnung schreiben. Der Zeitfresser ist das Büro. Hier brauchen wir digitale Tools", so Krawczyk. Mitte 50-Jährige entscheiden sich für Software, die sie oft nicht vorher bewerten konnten - "das kann eigentlich nicht funktionieren“, kritisierte der Landesinnungsmeister aus Baden-Württemberg. Welche Themen er mit seinem Podcast bespielt und warum das Netzwerken unter Kollegen wichtig ist, machte Karl-Heinz Krawczyk anschließend deutlich.
Wie einfach persönliches Marketing sein kann, erklärte Christoph Pöpperl. Eine gute Website, Google-Marketing und die schnelle Beantwortung von Kundenanfragen - das sind einfache Tools, mit denen sich Dachdecker heute präsentieren müssen.

Als dritter Dachdeckermeister berichtete Jan van Meegern von seinen Erfahrungen im Dachdeckerbetrieb und warum er sich entschieden hat, seinen Betrieb zu digitalisieren. "Die Arbeit in den Unternehmen wird mehr: Mehr Themen, mehr Dokumentationen, mehr Digitalisierung. Und wir sehen, dass es leider in den Betrieben nicht genügend Ressourcen gibt, um Dinge zu digitalisieren. Das bedeutet konkret: Viele Betriebe brauchen eine bessere Verwaltung der Daten, das ist Clou des Ganzen. Damit solltet Ihr starten", empfahl er.

Barcamp-Orga geht noch besser
Businessplan, Mitarbeitergewinnung oder Kundenverwaltung - welche Schritte Unternehmensgründer beachten müssen, erläuterte Julian Wiedenhaus im letzten Vortrag.
Das Barcamp parallel zu den Vorträgen zu veranstalten, erwies sich allerdings als keine gute Idee. Roland Riethmüller, Stephanie Kühnel-Grasberge und Dachdeckermeister Jan Voges gaben Tipps und mühten sich, Diskussionen in Gang zu bringen, denn Themen gab es genügend. Nur am Ende scharte sich ein kleines Grüppchen um die Experten. Zu stark war das Interesse an den Vorträgen im Saal. Hier ist bestimmt noch Verbesserungspotenzial.
Mit weiteren Gesprächen über neue Produkte der Aussteller und den eigenen Erfahrungen ging der gelungene Zukunftstag am Abend mit Live-Musik zu Ende.