Der 14. Wohnungsbautag im April 2023 in Berlin.
Der 14. Wohnungsbautag im April 2023 in Berlin. (Quelle: BDB - Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel)

Markt 24. April 2023 Deutschland rast mit 100 Sachen in die „Graue Wohnungsnot“

Deutschland wird immer älter – und die Älteren werden immer ärmer. Immer mehr Rentner werden sich das Wohnen deshalb künftig nicht mehr leisten können, warnt das Pestel-Institut. Die Wissenschaftler legten dazu auf der Messe BAU in München eine Wohnungsbau-Sozial-Studie vor: „Wohnen im Alter“. Im Fokus dabei: die Baby-Boomer-Generation.

Das Pestel-Institut stellt in seiner Untersuchung, die es im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) gemacht hat, fest: Über 21 Millionen Menschen werden in zwanzig Jahren zur Altersgruppe „67plus“ gehören – rund 3,6 Millionen mehr als heute. „Deutschland wird sich dann grob in ‚junge Städte‘ und ‚altes Land‘ aufteilen. Es wird Regionen geben, in denen 2050 über 40 Prozent der Bevölkerung Senioren sein werden“, so der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther.

Auf die kommende Rentnergeneration der geburtenstarken Jahrgänge sei der Wohnungsmarkt allerdings „ganz und gar nicht vorbereitet“: Nur rund jede siebte Wohnung sei heute altersgerecht. Wobei ein Großteil davon noch nicht einmal von Älteren bewohnt werde. Häufig nutzten Familien den Komfort einer Wohnung ohne Schwellen, mit breiten Türen, Fluren und Räumen. Nach Angaben des Pestel-Instituts benötigen bereits heute rund 2,8 Millionen Haushalte, in denen Senioren leben, altersgerechte Wohnungen. „Aber nur etwa 600.000 dieser Haushalte haben überhaupt so eine Wohnung, in der Menschen mit einem Rollator und Rollstuhl klarkommen. Damit herrscht auch jetzt schon ein massiver Mangel an Seniorenwohnungen: Rund 2,2 Millionen altersgerechte Wohnungen fehlen aktuell. Das wird sich in den nächsten Jahren allerdings noch enorm verschlimmern. Deutschland rast gerade mit 100 Sachen in die ‚Graue Wohnungsnot‘. Das Fatale ist, dass wir dazu politisch nur eine Vogel-Strauß-Taktik erleben“, sagt Matthias Günther.

Als „Armutsrisiko Nummer 1“ nennt die Studie die Pflegebedürftigkeit im Alter. Im Schnitt koste die stationäre Pflege heute rund 2.410 Euro pro Monat, die ein älterer Mensch selbst beisteuern müsse. „Mehr als die Hälfte der Seniorenhaushalte hat allerdings weniger als 2.000 Euro netto im Monat zur Verfügung. Am Ende ist es also ganz oft der Staat, der einspringen muss. Er sollte schon deshalb ein Interesse daran haben, dass pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich zu Hause leben können. Das wiederum setzt deutlich mehr altersgerechte Wohnungen voraus. Doch ein ‚Alterswohnprogramm für die Baby-Boomer‘ ist politisch weit und breit nicht in Sicht“, sagt Pestel-Studienleiter Matthias Günther.

Im Gegenteil: Der Bund bremse den altersgerechten Umbau von Wohnungen geradezu aus. So biete die staatliche KfW-Bank – anders als früher – dafür heute keine Zuschüsse mehr. Stattdessen gebe es ein Kreditprogramm mit Zinsen ab 3 Prozent und Laufzeiten von bis zu 30 Jahren. „Das ist eine Farce: Welcher 70-Jährige bindet sich noch so einen Kredit ans Bein, um sein eigenes Haus oder seine Eigentumswohnung altersgerecht umzubauen? Aber gerade um diese Menschen geht es: Immerhin leben 54 Prozent der Älteren in den eigenen vier Wänden – im Wohneigentum“, sagt Matthias Günther. Er empfiehlt dem Bund ein „Durchforsten der KfW-Förderung“ und die Einführung eines Programms für das altersgerechte Wohnen mit finanziellen Zuschüssen fürs selbstgenutzte Wohneigentum.

Darüber hinaus müsse es auch Förderprogramme für die Aufteilung von Ein- und Zweifamilienhäusern geben: „Überall dort, wo genug Platz ist, neue seniorengerechte Wohnungen zusätzlich zu schaffen, sollte der Staat mit einer Förderung ansetzen. Es geht darum, beispielsweise in einem klassischen Einfamilienhaus zwei Wohnungen unterzubringen, mindestens eine davon seniorengerecht. Um mehr Wohnungen in Altbauten zu schaffen, muss es einen attraktiven Anreiz geben“, empfiehlt Matthias Günter. Grundsätzlich gelte: Ohne eine zusätzliche staatliche Förderung seien neue seniorengerechte Wohnungen für die Mehrheit der Älteren nicht finanzierbar – weder für die, die im Eigentum wohnen, noch für die, die zur Miete wohnen.

Neben dem Themenschwerpunkt „Wohnen 67plus“ gab der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) auf seiner Pressekonferenz in München auch eine Konjunkturprognose: „Die nächsten Baujahre stehen und fallen mit dem Willen und der Power von Bund und Ländern: Es kommt jetzt darauf an, dass der Staat alles daransetzt, den Wohnungsbau durch die Krise zu bringen“, so BDB-Präsidentin Katharina Metzger.

Eine Bundesbauministerin, die bauen wolle, müsse auch die Kraft aufbringen, sich vom Klimaschutzminister den Erfolg ihrer Arbeit nicht länger beeinträchtigen zu lassen. Das gelte auch beim Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern: „Dem hat die Ampel-Koalition regelrecht Fußangeln verpasst. Sie muss akzeptieren, dass es bei 700.000 Wohnungen, die bundesweit fehlen, auf jede Wohnung, die neu gebaut wird, ankommt“, so Metzger.

Zudem sei eine deutliche Aufstockung der Fördermittel notwendig. Bund und Länder müssten jetzt ein milliardenschweres „Krisenpaket Wohnungsbau“ schnüren – insbesondere für den Neubau von bezahlbaren Wohnungen und von Sozialwohnungen. Das Baumaterial dafür sei da: „Der Fachhandel kann liefern. Für nahezu alles, was gebaut werden soll, gibt es auch Baustoffe“, sagt die BDB-Präsidentin.

Mehr zum Thema Seniorenwohnungen auch unter: www.bdb-bfh.de.

zuletzt editiert am 24.04.2023