Ein modernes, rundes Gebäude mit begrüntem Dach inmitten einer grünen Umgebung.
Regenrückhaltung und Entwässerung im Schneckentempo, dank Dachbegrünung und Retention. (Quelle: Bauder)

Nachhaltigkeit 2024-09-11T12:28:57.286Z Mit Regen rechnen

Entwässerung: Vermehrte Starkregenereignisse in Kombination mit fortschreitender Flächenversiegelung. Eine fatale Kombination, die die Kanalisationen zunehmend an Grenzen bringt. Immer mehr Kommunen reagieren mit Einleitbeschränkungen. Retention, also Regenrückhaltung, auf dem Flachdach kann Entlastung bringen. Aber wie wird sie berechnet?

Noch lässt ein offizielles, normiertes Berechnungsverfahren auf sich warten. Aber die Praxis sieht sich tagtäglich mit der Aufgabe konfrontiert, Dächer mit Regenrückhaltung zu planen und zu realisieren. Sita, Entwässerungsspezialist aus Rheda-Wiedenbrück, entwickelte daher ein eigenes Berechnungsverfahren, das die Zeit bis zu DIN-basierten Regelungen überbrücken hilft.

Retention ist ein aktueller Hoffnungsträger. Und man fragt sich, warum der Trend zur Regenrückhaltung auf dem Dach erst jetzt an Fahrt gewinnt. Neben der verzögerten Einleitung der Regenspenden in überlastete Kanalisationen bietet dieses Verfahren eine Vielzahl von positiven Nebeneffekten, die sich gerade in Großstädten auszahlen: Begrünte Dächer nehmen CO2 auf, vermindern die Feinstaubbildung und senken die Lufttemperatur. Ein Teil des Wassers, das sonst in die Kanalisation fließen würde, verdunstet.

Eine schematische Darstellung eines Gründachaufbaus mit Vorzügen wie CO2-Aufnahme, Feinstaubbindung, Lärmminderung, Abflussminderung, Senkung der Lufttemperatur, Verdunstung und Wasserrückhalt.
Retention hat viele gute Eigenschaften. (Quelle: Sita)

Auf das Gleichgewicht kommt es an

Generelles Ziel ist es, Regenwasser zurückzuhalten und Abflussmengen zu mindern. Aber dabei gilt es ein Gleichgewicht von Rückhaltung und Abfluss zu kalkulieren. Falsch berechnete Rückhaltung lässt Dachbegrünungen versumpfen, belastet die Statik des Gebäudes bis zur Extremgefährdung. Bei der Erstellung eines Berechnungsverfahrens stellte sich natürlich auch die Frage, „müssen wir überhaupt entwässern, wenn wir Regen zurückhalten wollen? Könnte es sinnvoll sein, Wasser zu 100 % auf dem flachen Dach zurückzuhalten und darauf zu hoffen, dass es von der Begrünung aufgenommen wird und der Rest einfach verdunstet?“

Illustration eines Dachaufbaus mit Begrünung und einem Drainagesystem.
Entwässerung in Zeitlupe: Regenrückhaltung auf dem Dach (Quelle: Sita)

100 % Regenrückhaltung auf dem Dach?

Diese Hypothese wurde näherer Betrachtung unterzogen, bei der Analyse der statistischen Regendaten-/mengen am Beispiel Steinfurt, aber wieder verworfen. In den Sommermonaten könnte dieses Rechenexempel noch funktionieren, aber in den Herbst- Wintermonaten nicht mehr.

Tabelle der Niederschlagsdaten in Steinfurt für die Monate September bis Dezember 2023.
Für das Berechnungsbeispiel wurden die Niederschlagsmengen von Steinfurt herangezogen. (Quelle: Sita)

Die Monatssumme der Niederschlagshöhe in Millimeter, die in diesem Zeitraum verzeichnet wurde, würde dazu führen, dass die Dächer „überlaufen“ und versumpfen.

Flachdach mit Wasseranstau. Deutlich sind Kieselsteine und ein mit Wasser bedeckter Bereich zu sehen, umgeben von einem Geländer und umgeben von Vegetation und Gebäuden im Hintergrund.
Stauendes Wasser: Ein unerwünschter Effekt, der die Statik sowie die Abdichtung belastet und die Vermoosung begünstigt. (Quelle: Sita)

Mit zunehmender Wasserlast erhöhen sich die Auswirkungen auf die Statik und die Gefährdung der Dachkonstruktion, die im Extremfall zum Einsturz von Dachflächen führen kann. Zudem steigen auch die Anforderungen an die Erhöhung des Dachaufbaus, die Erhöhung der Retentionsboxen und natürlich auch die gestiegenen Anforderungen an die Abdichtung, weil gegen drückendes Wasser abgedichtet werden muss. All dies spiegelt sich auch in steigenden Baukosten wieder. Aus diesen Gründen ist es nicht sinnvoll, eine 100 %ige Regenrückhaltung auf dem Dach anzustreben. Das Ziel bei der Bemessung von Retentionsdächern ist, die Anstauhöhen und das Speichervolumen zu ermitteln, das auf dem flachen Dach zurückgehalten werden soll.

Retentionsdach ist nicht gleich Retentionsdach

Seine Wasserspeicher- und Regenrückhaltefähigkeit hängt von vielen Faktoren ab. Einer der wichtigsten ist das Porenvolumen. Eine begrünte speicherfähige Dachfläche hat ein anderes Porenvolumen, als eine bekieste. Daraus lassen sich die Druckhöhen ermitteln, um die Retentionselemente festlegen zu können und auch die Dachgullys zu bestimmen. Letztendlich ist jedes Gründach in gewisser Weise ein Retentionsdach, aber bei einem Retentionsdach wird noch wesentlich mehr Wasser zurückgehalten.

Eine Darstellung der Bemessung des Rückhaltevolumens von Retentionsdächern, mit Details zur Standort, Dachfläche, Kiesstreifen, Porenvolumen, Lichtkuppeln, Retentionselementen und Drosselabfluss.
Quelle: Sita

Porenvolumen und Speichervolumen

Am Beispiel des Standortes Steinfurt lässt sich gut aufzeigen, welche Daten relevant sind. Wir gehen hier von einer Dachfläche mit 1.000 Quadratmetern aus, die über einen umlaufenden Kiesstreifen verfügt. Kies hat ein Porenvolumen von ca. 30 Prozent. Wichtig bei der Bemessung sind überdies Lichtkuppeln und Aufbauten, die bei der späteren Berechnung in Abzug gebracht werden müssen, da sie keine Rückhalteräume darstellen. Im aktuellen Beispiel wurden die Retentionselemente von BauderGreen RWR 100 eingeplant, die über ein Hohlraumvolumen von 95 Prozent verfügen. Zu berücksichtigen ist weiterhin der Drosselabfluss, also die Einleitbeschränkung der Kommune, der hier bei QRD 1,0 l/s, also einem Liter pro Sekunde liegt. (QRD = Drosselabfluss eines Retentionsdaches).

Eine Formel zur Bemessung des Speichervolumens dargestellt auf einer weißen Tafel mit gelber Linie.
Quelle: Sita

Das Speichervolumen ergibt sich aus der Subtraktion vom größten anzunehmenden Volumen aus den Regenereignissen zwischen fünf Minuten und sieben Tagen, abzüglich des Drosselabflusses.

Eine Tabelle, die die Niederschlagsspende in Abhängigkeit von Dauerstufe und Wiederkehrintervall darstellt.
Quelle: Sita

KOSTRA DWD als Basis

Basis aller Berechnungen ist KOSTRA DWD, Version 2020. In der Tabelle lassen sich die Regenereignisse der Dauerstufe D, also von fünf Minuten bis zu sieben Tagen ablesen. Dort sehen wir z. B. ein 5-minütiges Jahrhundertregenereignis, das innerhalb von fünf Minuten z. B. 780 Liter Regen pro Sekunde und Hektar bringt. Ein 7-tägiges Starkregenereignis geht mit 2,6 l/(s x ha) in die Berechnung ein. Für jede Dauerstufe wird das Speichervolumen ermittelt. Der Extremwert markiert das größte anzunehmende Regenereignis.

Dieses Bild zeigt Berechnungsergebnisse, die die Beziehung zwischen Regendauer und erforderlichem Speichervolumen in einer Tabelle und einem Diagramm darstellen.
Quelle: Sita

Der Extrempunkt unseres Beispiels zeigt sich bei 240 Minuten. Das ist das größte zu erwartende Regenereignis mit dem größten zurückzuhaltenden Speichervolumen, das hier bei einem Wert von 60,61 m3 liegt.

Ein begrüntes Flachdach mit verschiedenen Pflanzen und Belüftungseinrichtungen.
Bei der Bemessung einkalkulieren: Lichtkuppeln und Dachaufbauten reduzieren die speicherfähigen Flächen. (Quelle: Bauder)

Speicherfähig oder nicht?

Ist das Speichervolumen errechnet, gilt es, die speicherfähigen Flächen zu ermitteln. Lichtkuppelflächen und Dachaufbauten, also alle nicht speicherfähigen Flächen, müssen in Abzug gebracht werden. In diesem Beispiel ergibt sich eine Rückhaltefläche von 900 m2. Weiterhin müssen alle bekiesten Flächen in Abzug gebracht werden, unter denen keine Retentionselemente verbaut sind. In diesem Fall hat das Dach eine Fläche von 764 m2 mit Retentionselementen.

Berechnungsformel für das durchschnittliche Porenvolumen auf einer Tafel dargestellt.
Quelle: Sita

Bei der Berechnung des Retentionsaufbaus kommt es jetzt auf das Porenvolumen an. Alle Berechnungen hängen vom Porenvolumen der Installation ab. In unserem Beispiel rechnen wir mit einem pRE (Porenvolumen der Retentionselemente) von 95 Prozent. Dieser Wert kann aber herstellerabhängig anders ausfallen. Bei der Kiesumrandung, auch abhängig vom eingesetzten Baustoff, setzen wir das pKies mit 30 Prozent an. Zusammengefasst heißt dies: Es ist zu berücksichtigen, dass unterschiedliche Materialien mit unterschiedlichen Speicherfähigkeiten zum Einsatz kommen. Daraus lassen sich dann die Drückhöhen ermitteln.

Grafik zur Stauehöhe/Druckhöhe eines Dachablaufs mit Berechnungsformeln und Schemazeichnung
Quelle: Sita

Die 20 Meter-Regel

Bei der Wahl der passenden Dachabläufe ist die DIN 1986-100 Pkt. 14.2.6 zu berücksichtigen. Sie schreibt vor, dass der Abstand von Gully zu Gully nicht größer als 20 Meter sein soll. Daraus folgt, dass pro 400 m2 ein Dachablauf/ Notablauf zu platzieren ist. Bei einer Fläche von 1.000 m2 müssen somit drei Gullys eingeplant werden. Bestückt wurde unser Beispiel mit der Drosseleinrichtung SitaRetention Fix. In unserem Rechenbeispiel darf der Drosselabfluss max. 1,0 Liter pro Sekunde betragen, woraus sich ergibt, dass jeder Gully auf 0,33 Liter pro Sekunde bei einer Stauhöhe/Wassersäule von 79 mm gedrosselt wird. Bei der Wahl des passenden Retentionsgullys helfen Tabellen und ein Berechnungsprogramm, oder gleich der Berechnungsservice des Herstellers, der projektbegleitend konsultiert werden kann. Dieser Service ist kostenlos, bringt Arbeitserleichterung und auch Rückendeckung bei der doch recht komplizierten Retentionsberechnung.

Die Grafik zeigt die Anstauring zur Notentwässerung unter Terrassenbelag mit Drainrost von Sitalndra, mit einer Tabelle, die Ausführungen und Stauhöhen in mm darstellt.
Quelle: Sita

Bei der Notentwässerung verhält es sich ähnlich. Wir haben die Fläche, das Regenereignis und kommen zu dem Schluss, dass wieder drei Gullys erforderlich sind, hier allerdings mit einer Ablaufmenge von 1,6 l/s. Die Entwässerungsarbeit bei 11 Millimeter Druckhöhe am Notablauf übernehmen hier drei Indra Attikagullys mit Anstauring, die frei auf schadlos überflutbare Flächen entwässern. Einerlei ob mit Speier oder mit Fallrohr ausgestattet, wichtig ist immer, dass die Notentwässerung frei auf schadlos überflutbare Flächen führt. Aus den errechneten Druckhöhen lässt sich die maximale Stauhöhe auf dem Dach und damit auch die Statik ermitteln.

Resümee: Leicht gemacht

Vorgestellt wurde hier ein vereinfachtes Berechnungsverfahren, entwickelt von Sita. Man kann das Ganze natürlich auch mit den entsprechenden Simulationsprogrammen für die Berechnung von Speicherbauwerken simulieren, z. B. Kosim oder STORM. Retention auf dem Flachdach ist noch eine recht junge Technik, auf die Forderungen der Zeit zu reagieren. Daher empfehlen wir, die Berechnungsservices der Hersteller nutzen. Sita z. B. liefert nicht nur die sichere Berechnung, sondern auch komplette Materiallisten und auf Wunsch Produktdaten im BIM-fähigen Format.

zuletzt editiert am 24. September 2024