Nachwuchsarbeit: Theorie- und Praxis-Unterricht auf dem eigenen Campus, dazu Sprachförderung für Migranten – die Friedrich Schmidt Bedachungs GmbH tut viel für die Gewinnung und Entwicklung von Mitarbeitern — mit großem Erfolg. Ein Problem des Dachdeckerberufs können allerdings auch die engagierten Bremer nicht selbst lösen.
Christian Jahn
So ähnlich muss wohl der Wunschtraum junger, handwerksbegeisterter Menschen aussehen: In der rechteckigen Halle sind verschiedene Dach-Modelle im Maßstab 1:1 aufgebaut – Steildach mit Gaube, Steildach mit Wohnraumfenstern, Steildach mit Kamin. Dazwischen stehen das Einbau-Modell einer Lichtkuppel und die mehrere Meter lange Werkbank. Es ist ein echter Übungs-Parcours, auf dem sich Dachdecker- und Zimmerer-Lehrlinge austoben können.
„Tatsächlich kommen die jungen Leute sehr gern hierher. Für den Praxisunterricht opfern sie sogar ihre Freizeit“, sagt Katrin Detring-Pomplun, Dachdeckermeisterin und Geschäftsführerin der Friedrich Schmidt Bedachungs GmbH.
Keine Angst vor Fehlern
Gemeinsam mit vier weiteren Dachdeckerbetrieben richtete die Friedrich Schmidt Bedachungs GmbH den „Dachdecker Campus“ in einer alten Lagerhalle im südwestlich gelegenen Bremer Stadtteil Huckelriede ein. Ziel ist es, die Ausbildung in den angebotenen Gewerken attraktiver zu machen und den jungen Menschen zugleich einen Raum abseits der Baustelle zu bieten, wo sie ihre praktischen Fähigkeiten ohne Angst vor Fehlern trainieren können.
Der Praxisunterricht findet einmal im Monat an einem Samstagvormittag statt. Unter Anleitung von erfahrenen Kollegen üben die Lehrlinge ihre Handgriffe. „Wir machen all das, was die Azubis auf der Baustelle noch nicht so gut hinbekommen, von der Abdichtung bis zum Wandanschluss. Wir erklären ihnen vieles anschaulich an den Dachmodellen, was sie noch nicht gut kennen, zum Beispiel wie ein Dachablauf aussieht und welche unterschiedlichen Arten es davon gibt“, sagt Detring-Pomplun.
Theoretischen Unterricht gibt es jeden Donnerstag. Ein Dachdeckermeister, eine Erzieherin und eine ehemalige Lehrerin führen ihn durch.
Man mag es kaum glauben, aber im ersten Lehrjahr geht es mit Lesen, Schreiben und Mathematik los. „Leider können sich die Betriebe heute nicht mehr darauf verlassen, dass die jungen Menschen nach der Schulzeit über ausreichend gute Kenntnisse in den drei Bereichen verfügen“, begründet Detring-Pomplun den verblüffenden Lehrplan.
Erst ab dem zweiten Lehrjahr stehen dann auch theoretische Inhalte aus dem Dachdeckerhandwerk auf dem Programm.
Deutschunterricht für Angehörige
Über den praktischen und theoretischen Unterricht hinaus organisiert die Friedrich Schmidt Bedachungs GmbH Deutschunterricht für Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. Heute sitzen Mitarbeiter im Unterrichtsraum mit Wurzeln in Afghanistan, Albanien, Bulgarien, Polen, Rumänien, Russland oder Syrien.
Den Deutschunterricht bietet die Friedrich Schmidt Bedachungs GmbH sogar auch den Ehepartnern der Mitarbeiter an. „Was nützt es mir, wenn die migrantischen Mitarbeiter irgendwann gut Deutsch sprechen, und bei ihnen zu Hause, in der Wohnung in Bremen, sitzen die Ehepartner, sind unglücklich und sprechen ununterbrochen davon, dass sie so schnell wie möglich wieder zurück ins Herkunftsland wollen“, sagt Detring-Pomplun. Wenn auch die Ehepartner Deutsch lernen, können sie sich schneller integrieren und bleiben womöglich ebenfalls gern in Deutschland.
Alle Schulungsmaßnahmen führt die Friedrich Schmidt Bedachungs GmbH in erster Linie aus betriebswirtschaftlichen Gründen durch, um dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen. „Aber natürlich ist unser Unternehmen ein Teil der Gesellschaft, und wir haben gesellschaftliche Verantwortung. Da wir also Arbeitsplätze schaffen und die Leute von der Straße holen können, tun wir das auch gern“, sagt Detring-Pomplun.
Dazu passt, dass die Friedrich Schmidt Bedachungs GmbH bei der Handwerkskammer Bremen als Betrieb registriert ist für die Einstiegsqualifizierung von schwer vermittelbaren Lehrlingen.
Praktika und Fußball-Förderung
Bei der Nachwuchswerbung setzen die Bremer vor allem auf zwei Maßnahmen: die Zusammenarbeit mit Partnerschulen und Sportsponsoring.
Mitarbeiter des Betriebs besuchen Berufsbildungstage und Bewerbermessen bei Partnerschulen. Die Lehrer wissen zudem, dass die Friedrich Schmidt Bedachungs GmbH Schülern der Partnerschule jederzeit Berufspraktika anbietet. Mit dem Sportsponsoring erreicht der Bremer Betrieb die breite Masse der Bevölkerung in der Region. Als Gegenleistung für sein finanzielles Engagement beim Fußballbundesligisten Werder Bremen darf sich der Dachdeckerbetrieb beim jährlichen Saisonauftakt, dem sogenannten „Tach der Fans“ („Tag der Fans“), auf dem Stadiongelände präsentieren.
„Wir nehmen nicht einfach mit einem Ausstellungsstand teil. Wir stellen auf dem Platz neben dem Weser-Stadion auch schon mal einen Autokran auf“, sagt Detring-Pomplun. Wer es schafft, das Minimodell eines Steildachs in einer bestimmten Zeit mit Ziegeln einzudecken, darf anschließend in den Krankorb steigen, wird ganz nach oben gefahren und hat einen fantastischen Ausblick auf das gesamte Gelände rund um das Stadion. Auf spielerische Weise kommen Detring-Pomplun und ihre Mitarbeiter so ins Gespräch mit jungen Menschen und – mindestens genauso wichtig – mit deren Eltern.
„Natürlich wollen wir auch die Eltern gewinnen“, sagt die Dachdeckermeisterin. Schließlich sprächen die bei der Berufswahl ihrer Kinder ein entscheidendes Wort mit. „Die sollen am Abend eines solchen Tags sagen: Mensch, Dachdecker, das ist doch auch ein schöner Beruf. Mach‘ das mal, das ist was Gutes.“
Finanziell abgesichert
Der Fachkräftemangel ist laut Detring-Pomplun die größte Herausforderung für die Dachdeckerbranche in den kommenden Jahren. Deshalb betreibt die Friedrich Schmidt Bedachungs GmbH diesen enormen Aufwand in der Gewinnung und Entwicklung von Mitarbeitern.
2022 zeichnete der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) Katrin Detring-Pomplun mit dem „Heribert-Späth-Preis für besondere Ausbildungsleistungen im Handwerk“ aus. Ein noch überzeugenderer Nachweis für den Erfolg der Nachwuchsarbeit ist allerdings die Anzahl an jungen Menschen, die derzeit bei dem Bremer Betrieb die Ausbildung machen: 13 Dachdeckerinnen und Dachdecker, vier Zimmerer und ein Bürokaufmann absolvieren dort ihre Lehre.
Und dann fällt der Dachdeckermeisterin doch noch ein weiteres wichtiges Zukunftsthema ein, das auf den ersten Blick wenig mit Nachwuchswerbung zu tun hat, tatsächlich aber die Attraktivität des Dachdeckerberufs enorm beeinflusst: die Rente. „Das Thema Rente und Renteneintritt ist auch den jungen Menschen heute sehr wichtig. Wir alle wissen, dass so gut wie niemand bis zum 67. Lebensjahr auf dem Dach stehen und hart arbeiten kann“, sagt Detring-Pomplun.
Den Dachdeckern müsse eine Alternative zum späten Renteneintritt angeboten werden. Lebensarbeitszeitkonten seien der richtige Weg. Darauf könnten sie die vielen Überstunden gutschreiben, die die Dachdecker über die Jahre ansammeln. Am Ende ließen sich diese Guthaben einlösen für den früheren Renteneintritt.
„Das ist ein absolut wichtiges Thema. Dafür müssen sich aber unsere Branchenorganisationen bei der Politik stark machen“, so Detring-Pomplun.