Gründach: Was bei Photovoltaik-Modulen keiner Diskussion mehr bedarf, ist bei der Bepflanzung von Dächern noch nicht Standard. Unter Beachtung bestimmter Parameter kann der Dachdecker bei einfachen Bepflanzungen auch seinen grünen Daumen beweisen.
Dachbegrünung bringt nicht nur kostbares Grün in die Städte. Dachbegrünung bedeutet auch Schutz der Bausubstanz, Wärmedämmung, Wasserrückhalt, Klimaverbesserung, Schallschutz, Bindung von Staub sowie Schadstoffen und vieles mehr. Wir zeigen auf, was mit Gründächern möglich und bei der Planung zu beachten ist.
Begrünungsaufbau und Gestaltung der Pflanzschicht
Im Gegensatz zur Natur, wo Pflanzen mit ihren Wurzeln bis in große Tiefen vordringen und sich ausreichend mit Wasser und Nährstoffen versorgen, sind sie auf dem Dach von diesen Kreisläufen abgeschnitten. Der Systemaufbau zur Dachbegrünung besteht daher aus mehreren Funktionsschichten, die den fehlenden Erdanschluss ausgleichen und dauerhafte Funktionssicherheit garantieren: Wurzelschutz, Schutzlage, Dränschicht, Filtervlies, Substratschicht und Pflanzebene. Die Bandbreite der Bepflanzung reicht von pflegeleichter und mit hoher Biodiversität gestaltbarer Extensivbegrünung, über einfache Intensivbegrünungen mit Stauden und duftenden Kräutern bis zu prachtvollen Dachgärten mit Rasen, Sträuchern und Bäumen, die auch Obst- und Gemüseanbau ermöglichen. Zudem lassen sich Geh- und Fahrbeläge, Spiel- und Wasserflächen sowie Kombinationen mit Solarflächen realisieren.
Zwei Gewerke
Bei Extensivbegrünungen liegt die Aufbauhöhe bei 5–15 cm und das Gewicht bei 60–150 kg/m², was auch eine nachträgliche Begrünung von bestehenden Dachflächen in den meisten Fällen ermöglicht. Intensivbegrünungen haben Schichthöhen von 15–100 cm und je nach Art ein Gewicht von 150–1.300 kg/m². Im Regelfall wird die Dachabdichtung vom Dachdecker und die Dachbegrünung vom Landschaftsgärtner ausgeführt. Das soll, gerade bei Intensivbegrünungen, auch so bleiben. Eine einfache Begrünung kann sich der Dachdecker aber durchaus zutrauen. Da zwischen Abnahme der Dachabdichtung und Beginn der Begrünungsarbeiten oft ein gewisser Zeitraum liegt, ist die Dachabdichtung zu schützen und vor Beginn der Begrünungsarbeiten sorgfältig zu prüfen. Voraussetzung für das Aufbringen des Begrünungssystems ist ein fachgerecht abgedichtetes und ausreichend tragfähiges Dach. Ist die Abdichtung nicht bereits wurzelfest, wird ein separater Wurzelschutz verlegt. Ob es sich um ein Flachdach mit 2 % oder ohne Gefälle, ein geneigtes bzw. gewölbtes Dach handelt, spielt für die Wahl des passenden Begrünungsaufbaus eine wichtige Rolle. Es müssen Faktoren wie stehendes Wasser oder die bei Schrägdächern auftretenden Schub- und Erosionskräfte berücksichtigt werden. Eine Begrünung ist bis circa 35° problemlos möglich.
Sicherungen gegen Materialverlagerung
Um auf Schrägdächern eine Erosion infolge Wasser oder Wind zu verhindern, werden Rasterelemente, Jutenetze und vorkultivierte Vegetationsmatten eingesetzt. Die auftretenden Schubkräfte variieren je nach Dachneigung, Dachgröße, Gewicht des Begrünungsaufbaus und einer anzunehmenden zusätzlichen Schneelast. Ein Statiker dimensioniert die erforderlichen Maßnahmen (stabile Traufe, zusätzliche Schubschwellen in der Dachfläche) zur Ableitung der Schubkräfte in die Dachkonstruktion.
Wie viel Wasserspeicher?
Wenn es regnet, speichert jede Dachbegrünung eine gewisse Menge Wasser und lässt überschüssiges Wasser zeitverzögert in den Dachablauf fließen. Das reduziert die Gefahr von Hochwasser im Falle von Starkregen und begünstigt das Kleinklima aufgrund der Verdunstungsleistung. Eine Extensivbegrünung vermag 20–40 l/m² Wasser zu speichern, eine Intensivbegrünung je nach Bauart bereits 50–100 l/m² oder mehr. Dieser Effekt lässt sich steigern: Die speziellen Spacer-Elemente des Retentions-Gründachs erlauben weitere rund 55 l/m² Wasserspeicherung und mehr, sofern es Statik und Aufbauhöhen gestatten. Oberhalb des Stauraums ist begrünungs- und gestaltungstechnisch alles möglich – selbst Fahrbeläge. Lässt sich aus statischen Gründen nur begrenzt Wasser speichern, ist eine Verbindung zu tiefer gelegenen Flächen wie Tiefgaragendecken sinnvoll, die mehr statische Reserven haben.
Welche Entwässerung?
Die vollflächig verlegte Dränschicht ist Kernelement des Begrünungsaufbaus. Sie gewährleistet das Abfließen von Überschuss-Wasser zu den vorgesehenen Entwässerungseinrichtungen (Dachgully, Entwässerungsrinne, Wasserspeier). Bei Dächern mit Pfützenbildung muss die Dränschicht hoch genug sein, damit die Substratschicht nicht mit stehendem Wasser in Berührung kommt, um Wurzelfäulnis infolge von Staunässe zu vermeiden. Je nach Bedarf und Art der Begrünung unterscheiden sich die eingesetzten Dränelemente hinsichtlich Höhe, Gewicht und Material. Ein nachhaltiger Umgang mit der Ressource Wasser gelingt, wenn Dächer in die Wasserkreisläufe des Gebäudes bzw. Quartiers eingebunden werden. Im Idealfall landet Überschusswasser nicht direkt in der Kanalisation, sondern fließt tiefergelegenen Dachflächen (Kaskadenentwässerung), nachgeschalteten Rückhaltespeichern (zur Wiederverwendung) sowie Rigolen (zur langsamen Versickerung) zu.
Wie viel Bewässerung?
Die regenerationsfähigen Sukkulenten (zum Beispiel Sedum), Moose, Gräser und Kräuter einer Extensivbegrünung kommen mit dem natürlichen Niederschlag aus. Lediglich in besonders trockenen Regionen, die allerdings durch den Klimawandel auch in Deutschland zunehmen, ist eine zusätzliche Bewässerung nötig. Für Intensivbegrünung ist diese selbstverständlich. Systeme zur Unterflurbewässerung sind dabei effizienter als herkömmliche Tröpfchenbewässerungen oder Wassersprenger. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Idee des Sponge City Roofs, welches durch integrierten Wasseranstau in Retentions-Spacern gleich mehrere Vorteile vereint: Wasserrückhalt bei (Stark)Regen, Stadtklimatisierung durch hohe Verdunstung und insgesamt artenreichere Extensivbegrünung dank mehr Wasserverfügbarkeit.
Substrate versorgen Pflanzen
Dachsubstrate sollen die Vegetation möglichst lange mit Wasser versorgen, allerdings führt eine überhöhte Wasserkapazität des Sub-
strates wiederum zu Vernässungen, Moosbildungen und verstärktem Fremdaufwuchs. Daher werden Dachsubstrate in ihrer Zusammensetzung aus mineralischem Tonziegelsplitt und organischem Anteil genau auf die geplante Vegetation abgestimmt. Bei einfachen Extensivbegrünungen ist mehr die Dränageleistung des Substrats gefragt und bei einer Intensivbegrünung vor allem die Wasserspeicherung und Nährstoffversorgung. Da die Lastenreserve eines Daches in der Regel begrenzt ist, sollten Dachsubstrate zudem ein geringes Gewicht aufweisen.
Pflanzen auswählen
Die Bepflanzung muss für den exponierten Standort Dach geeignet sein. Auf besonders windexponierten Flächen und auf Steildächern sind vorkultivierte Vegetationsmatten nützlich, während sonst Ballenpflanzen oder Samenmischungen ausgebracht werden können. Höher wachsende Pflanzen wie Kleinbäume können mit passenden Baumverankerungen gegen Windsog gesichert werden. Selbstverständlich lassen sich auch Nutzpflanzen auf Dächern kultivieren (Urban Farming). Alle Pflanzen begünstigen durch ihre Verdunstungsleistung das Kleinklima. Dachbegrünungen fördern die biologische Vielfalt von Fauna und Flora, ganz besonders durch spezielle „Biodiversitäts-Module“ wie die gezielte Auswahl von Futterpflanzen für Bienen, andere Insekten und Vögel, Totholz, Sandlinsen, Kiesbeete und Nisthilfen.
Geh- und Fahr-, Terrassen- und Sportbeläge
Hierfür sind oberhalb der mit dem Systemfilter abgedeckten Dränschicht passende Trag- und Bettungsschichten aufzubringen. Diese können allerdings nicht so verdichtet werden wie es auf gewachsenem Boden der Fall wäre, da Bauwerke schwingungsanfällig sind. Für reine Gehbeläge sind Platten mit 4 cm oder Pflaster mit 8 cm Dicke ausreichend. Wenn ein leichter Aufbau gefragt ist oder Holz-, WPC-Dielen sowie dünnschichtige Keramikbeläge zu verlegen sind, stellen Stelzlager eine Alternative dar. Auf statisch belastbaren Dächern, zum Beispiel Tiefgaragendecken, sind auch Fahrbeläge möglich, wobei neben der Druckbelastung auch horizontale Lasten durch Bremsen, Lenken und Beschleunigen zu berücksichtigen sind. Für Schwerlastverkehr wie Liefer-, Feuerwehr- oder Müllfahrzeuge sind druckverteilende Schottertragschichten mit Aufbauhöhen von 30–35 cm nötig, bei reiner PKW-Nutzung genügen 15 cm. Für die Pflasterbeläge empfiehlt sich eine Steindicke von 14 cm für LKW- und 10 cm für PKW-Verkehr. Auch offenporige Kunststoffbeläge für Sportflächen oder Tartanbahnen sind auf Dächern möglich. Der Elastikbelag wird dazu auf wasserdurchlässigem Asphalt über einer Schottertragschicht aufgebracht. Darunter sichert die Dränschicht die Entwässerung.
Spielgeräte, Teiche und Wasserbecken
Fundamente für Spielgeräte, Geländer, Pergolen oder Sandsteinmauern gelingen durch Ausbetonieren der Dränelemente. Diese dienen als verlorene Schalung und gewähren durch ihr unterseitiges Kanalsystem durchgängige Dränage. Wasserflächen werden grundsätzlich oberhalb der Dränschicht angeordnet und separat mit einer Teichfolie abgedichtet. Empfehlenswert ist eine Wassertiefe von mehr als 30 cm, da auf exponierten Flächen mit einer erhöhten Verdunstung zu rechnen ist.
Solarthermie und Photovoltaik
Die Kombination von Solarnutzung mit extensiver Dachbegrünung ist ideal, da sich Synergieeffekte bereits in der Bauphase ergeben. Die Solaranlage wird idealerweise auflastgehalten mit ausreichend Abstand zum Begrünungsaufbau montiert, womit Dachdurchdringungen hinfällig sind. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Begrünung für eine vergleichsweise geringere Umgebungstemperatur sorgt und damit den Leistungsgrad einer Photovoltaik-Anlage steigert.
Absturzsicherung und Pflege
Beim Dachgarten sind selbstverständlich dauerhafte Geländer oder ausreichend hohe Attiken vorgeschrieben. Befinden sich Personen lediglich kurzfristig auf Dächern mit mehr als drei Metern Absturzhöhe, zum Beispiel zur Pflege und Wartung einer Extensivbegrünung, sind auflastgehaltene Rückhaltesysteme als Schienenlösung oder Einzelanschlagpunkte die richtige Lösung. Der Trend geht allerdings auch hier zum Kollektivschutz in Form von Arbeitsschutzgeländern. Ob Geländer, Absturzsicherung, Solaranlage oder Kombinationen davon – die Befestigung sollte stets ohne Dachdurchdringung nach dem Auflastprinzip erfolgen, um Wärme- bzw. Kältebrücken und damit Schwachstellen in der Abdichtung zu vermeiden.
Bei Extensivbegrünungen sind wie bei allen Flachdächern 1–2 Begehungen pro Jahr ausreichend, um Dachabläufe oder Lüftungseinrichtungen zu kontrollieren und zum Beispiel Fremdwuchs zu entfernen. Ein Dachgarten benötigt Pflege wie zu ebener Erde. Zur Intensivbegrünung zählt übrigens auch Rasen, der regelmäßig zu mähen ist.







