Steildach: In den letzten Jahren melden Dachdecker vermehrt Konstruktionen, bei denen Unterdeckbahnen nach nur wenigen Jahren im Einsatz versagen, obwohl sie das normative Alterungsverfahren der DIN EN 13859-1 bestanden haben. Der unterschätzte Schadfaktor dabei ist die Luftbewegung in der Konterlattenebene.
Die DIN EN 13859-1 legt nicht nur die produktrelevanten Eigenschaften von Unterdeckbahnen fest, sondern verweist auch auf die Prüfverfahren, nach denen diese bestimmt werden. Damit ist sichergestellt, dass die Eigenschaften in den Leistungserklärungen verschiedener Produkte vergleichbar sind. Eine der größten Herausforderungen in Produktnormen für langlebige Produkte ist die Eigenschaft „Dauerhaftigkeit nach künstlicher Alterung“. Die wird zwar auch nach normierten Prüfverfahren getestet, ist aber dennoch eine produktspezifische Prüfung und beinhaltet damit anwendungsrelevante Alterungsfaktoren, Parameter und Prüfzeiträume. Dabei muss der natürliche Alterungsprozess in einem möglichst kleinen Zeitfenster simuliert werden.



Künstlicher Prozess unzureichend
Bei der Entwicklung der Produktnorm für Unterdeckbahnen lagen noch relativ wenige Erkenntnisse zum Langzeitalterungsverhalten dieser Bahnen vor. Die bis heute noch gültige Version von 2010 berücksichtigt deshalb für die künstliche Alterung die verhältnismäßig kurze Phase bis zur Eindeckung mit einer Simulation der UV-Strahlung (336 Stunden UV-Bestrahlung / 55MJ/m²) sowie den kompletten Lebenszyklus unter der Eindeckung durch eine Warmlagerung (90 Tage Lagerung bei 70°C). An diesen Methoden der Alterungssimulation hat sich bis heute nichts geändert. Im Laufe der Jahre hat sich nun gezeigt, dass nicht alle Produkte, die das normative Alterungsverfahren bestehen, in der Praxis eine ausreichende Langzeitalterungsbeständigkeit aufweisen. Darunter sind auch zahlreiche Fälle, in denen die Bahn aufgrund der sofortigen Eindeckung keinerlei UV-Strahlung ausgesetzt war. Eine UV-Schädigung als Hauptargument scheidet damit aus. Die Ursache des Produktversagens muss also sinnbildlich „unter der Eindeckung“ liegen. Der künstliche Alterungsprozess der Norm scheint die tatsächlichen Abläufe in der Realität nur unzureichend abzubilden.
Einflussgrößen in der Konterlattenebene
Mit ihrer über 60-jährigen Expertise in der Entwicklung von Steildachbahnen hat die Firma Dörken vor einigen Jahren damit begonnen, die klimatischen Bedingungen in der Konterlattenebene bei verschiedenen Dächern in Deutschland und den Einfluss dieser Bedingungen auf den Alterungsprozess von Unterdeckbahnen genauer zu untersuchen. In der Konterlattenebene wurde neben der Temperatur und der Feuchtigkeit auch die Luftbewegung gemessen und aufgezeichnet. Dabei war regelmäßig zu beobachten, dass bei einsetzender Sonneneinstrahlung auf die Dachfläche auch die Luftgeschwindigkeit unter der Eindeckung zunahm. Luftgeschwindigkeiten bis zu 1m/s waren dabei keine Seltenheit. Als eine der Ursachen für die relativ hohen Luftgeschwindigkeiten konnte somit die Sonneneinstrahlung identifiziert werden, die eine Thermik in der Konterlattenebene hervorruft. Auf der anderen Seite hat sich gezeigt, dass auch an bewölkten Tagen vergleichbare Luftgeschwindigkeiten auftreten. In diesem Fall sind Winde die Auslöser, die zum einen unmittelbar in die Öffnung der Traufe einströmen, zum anderen aber auch den First überströmen und durch ihre Sogwirkung einen Kamineffekt zwischen harter Bedachung und Unterdeckung hervorrufen. Diese Erkenntnisse zur Luftbewegung in der Konterlattenebene sind nicht neu.
Wie beeinflusst die Luftbewegung den Alterungsprozess?
Letztlich ist die Wasserdichtigkeit die entscheidende Produkteigenschaft, die auch im Laufe des Dachlebens in einem gewissen Rahmen erhalten bleiben muss.

Als Beispiel wurde ein handelsübliches Produkt gewählt, das in voran gegangenen Untersuchungen unter Praxisbedingungen bereits nach drei Jahren die Funktion der Wasserdichtheit (W1, 200 mm Wassersäulenhöhe über 2 h) verliert. Die rote Kurve bildet den Verlauf der Warmlagerung ohne Luftbewegung ab - quasi entsprechend den Bedingungen der DIN EN 13859-1 (2010), genauer gesagt mit einer vernachlässigbaren Luftgeschwindigkeit <0,05m/s. Die Folgen des Alterungsprozesses lassen sich nach 70 Wochen zunehmend erkennen. Das Produkt kann dem Druck der Wassersäule nicht mehr so standhalten wie im Neuzustand und gibt aufgrund des einsetzenden Alterungsprozesses dem Wasserdruck bei immer niedrigeren Wassersäulen nach. Nach ungefähr zwei Jahren künstlicher Alterung unter den aktuellen normativen Bedingungen versagt das Produkt komplett. Im Dach verbaut hat es eine tatsächliche Lebensdauer von nur drei Jahren. Erhöht man die Luftgeschwindigkeit über den gesamten Zeitraum der künstlichen Alterung auf nur 0,3m/s (die maximale Luftgeschwindigkeit kommerzieller Alterungsöfen), wird bereits der enorme Einfluss der Luftbewegung auf die Funktionsdauer des Produktes ersichtlich (grüner Kurvenverlauf). Nun setzt bereits nach einem halben Jahr künstlicher Alterung der qualitative Verfall des Produktes ein, der dann nach ca. einem Jahr zum Verlust der Wasserdichtheit führt. Hier stößt man dann auch an die Grenzen der künstlichen Alterung unter normativen Bedingungen: Ein Jahr Prüfdauer, um eine Funktionsdauer von drei Jahren zu belegen - das würde auf ein Dachleben von 25 Jahren hochgerechnet eine Prüfdauer von mindestens acht Jahren bedeuten und somit keine Akzeptanz finden.

Den Orkan im Ofen erzeugen
Um dieses Problem zu lösen, wurde in Zusammenarbeit mit einem führenden Industrieofen-Hersteller ein Alterungsofen entwickelt, der mit durchschnittlichen Luftgeschwindigkeiten von 5 m/s eine deutlich stärkere Luftbewegung ermöglicht als kommerzielle Standardöfen.
Dr. Ronald Flaig
Den kompletten Beitrag lesen Sie in DDH 07.2022.