Digitalisierung : Lukas Büdenbender war es leid. Baustellendokumentationen auf Zuruf, Bilderflut auf Whats App und keiner wusste so recht Bescheid, was auf den Baustellen wann verbaut wurde. Seine App wirbauen.digital zeigt dem Dachdecker, an welchem Projekt er und andere Gewerke arbeiten, inklusive Fortschrittsanzeige einzelner Leistungspositionen.
Oft gängige Praxis: Angebote aus dem Bauch heraus
Frisch von der Uni und als junger Bauleiter im eigenen Unternehmen stand Lukdas Büdenbender vor der Frage, wie er ein Projekt „Teil-abrechnen“ sollte, was er zuvor noch nie getan hatte. Entsprechend stellte er betriebsintern die Frage, wie er denn diese Rechnung stellen sollte. Die Antwort: Eine Pauschale für geliefertes Material, bereits geleistete Arbeit: 25.000 €; das sollte schon passen.
Gesagt getan, die Rechnung wurde raus gesendet. „Am meisten verwunderte mich, dass dann nach einem gemeinsamen Gang über das Dach mit dem örtlichen Bauleiter diese Rechnung ohne zu zögern akzeptiert wurde.“ Der junge Unternehmer war erstaunt, aber auch erschüttert. Keine Datengrundlage und 25.000 € wechseln den Besitzer auf Basis von Bauchgefühlen.
„Auch bei uns im Dachdecker-Betrieb war das vor Jahren noch gängige Praxis: Die Kolonnenführer kamen am Nachmittag ins Büro und berichteten, was sie gemacht haben. Mündlich, jede Woche, 15 verschiedene Baustellen jeden Tag. Und wir reden da über Projekte von Hunderttausenden an Euro. Das konnte und wollte ich mir so nicht alles merken“, so Büdenbender.
Eine App auf Basis von GAEB
Also ging der Jung-Unternehmer auf die Suche, was es an Lösungen am Markt gibt – „und keine hat mich zufriedengestellt. Keine App konnte meine Vorstellungen abbilden. Meine Vorstellung ist, dass die App die Arbeit, die unsere Mitarbeiter tagtäglich mit ihren Händen auf der Baustelle verrichten, in den digitalen Raum bringt.“ Darüber hinaus soll auch ein weiterer wichtiger Faktor berücksichtigt werden: Das Büro muss empfangen und senden können, genauso wie die Baustelle auch.
Die meisten Digitalisierungen auf dem Bau funktionieren leider zu oft noch nach dem Prinzip: „Top-Down“. Also etwas wird von oben nach unten durchgedrückt. Das wollte Büdenbender auf keinen Fall. Mit Daniel Grube und einigen befreundeten Software-Experten entwickelte er daher 2020 die App „wirbauen.digital“. Das Ziel: Allen am Bau Beteiligten eine Arbeitserleichterung zu bieten, mit der Baudaten eingetragen, dokumentiert und geteilt werden können. Basis ist der „GAEB-Standard“, den Planer und Architekten ohnehin für ihre Ausschreibungen nutzen. Diesen Standard können Handwerker mit gängigen ERP-Software-Produkten (Enterprise Resource Planning, wie zum Beispiel Sage) verarbeiten und erzeugen.
Der GAEB (Gemeinsamer Ausschuss Elektronik im Bauwesen)-Standard dient dazu, einen einheitlichen Standard für den Austausch von Bauinformationen zu vereinbaren und ist staatlich vorgegeben. Damit sollen alle Anforderungen an elektronische Prozesse zur Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung bei der Durchführung von Baumaßnahmen unterstützt werden. Dieser Standard schafft die Voraussetzung für einen wesentlichen Beitrag zur Verknüpfung von Ausschreibungs- und LV-Daten.
„Ein Leistungsverzeichnis ist und bleibt Vertragsgegenstand zwischen Handwerker und Bauherren. Also war uns klar, das ist unsere Basis, auf der wir entwickeln wollen. Es entstehen immer Reibungspunkte am Bau. Aber auf dieser Grundlage können wir rechtssicher agieren. Wir nutzen das Leistungsverzeichnis und denken Digitalisierung von unten nach oben und das auf Basis des allgemeinen Standards. Und im nächsten Schritt: Die Daten mit anderen teilen. Das kann durchaus Spaß machen“, sagt Büdenbender aus eigener Erfahrung.

Und das Resultat ist gelungen: Die App funktioniert tatsächlich smart und einfach. Der Ansatz ist pragmatisch einfach, die Intention: Die Baustelle sichtbar zu machen – und das mit wenigen Klicks. Lukas Büdenbender öffnet die App, zeigt ein Bauprojekt. Wir sehen Hunderte Fotos mit vielen Texten und das Datum, wann genau was auf der Baustelle stattgefunden hat. Auch ein neues Projekt ist tatsächlich schnell angelegt. Mit wenigen Klicks ist die GAEB-Datei importiert, ausgezeichnet, mit den Preisen ergänzt und angelegt. Kalkuliert wird bei Büdenbender mit Sage. Auf „wirbauen.digital“ haben alle beteiligten Mitarbeiter Zugriff auf die Dokumentationen. Und im Idealfall auch die Fremdfirmen sowie andere Gewerke. „Unsere App richtet sich an alle am Bau Beteiligten, nicht nur an Dachdecker“, sagt Büdenbender.
„Als die App fertig war, mussten natürlich meine Mitarbeiter*innen als Tester herhalten.“ Als Motivationsanreiz gab es für die Vorarbeiter ein neues Iphone, „dann gab es keine Ausreden mehr“, lacht Büdenbender. „Im Urlaub machen wir doch auch Hunderte von Fotos, warum also nicht von unseren Baustellen und warum nicht so, dass wir sie finden und zuordnen können?“ Und es war keine Qual. Im Gegenteil: Auch die wenig Technik-affinen 50-jährigen Dachdecker*innen konnten schnell ihre Baustellen-Daten in die Software eingeben.
Pannen kosten Geld
Damit das reibungslos läuft, programmieren die Software-Experten nahezu jeden Tag und optimieren Schnittstellen, erweitern Zusatzmodule wie zum Beispiel die integrierte Taschenlampe als stehendes Licht, um helle Fotos an dunklen Stellen zu machen, die man selber gar nicht einsehen kann. Die App kostet als Einzellizenz 19,99 € für den Handwerker, für Architekten & Generalunternehmen 49,99 € pro Monat.
Ein zunächst erst mal recht stolzer Preis, der sich aber schnell amortisiert, laut Büdenbender.
Um zu verdeutlichen, was die App zum Beispiel an Zeitressourcen spart, gibt er ein Beispiel: „Vor einiger Zeit waren wir mal wieder an einem neuen Projekt tätig und der Architekt teilte uns mit, wir müssten morgen dringend auf die Baustelle. Ok, kein Problem, die vier Mann zogen morgens los, um mich dann bald verwundert anzurufen, dass noch kein Gerüst da war. Der Gerüstbauer hatte den Termin verschlafen. So was kommt häufig vor und kostet Geld, teilweise viel Geld. Wenn alle Beteiligten mit unserer App dokumentiert hätten, wäre das nicht passiert. Sie hätten in ihrem Bauprojekt gesehen, dass das Gerüst fehlt und wir hätten das smart über die App vorab abgestimmt“, ist sich Büdenbender sicher. Die App erfasst auch die Arbeitszeit und die verwendeten Geräte und Maschinen.
Alle Arbeiten in einem Datenpool
Naheliegendes Ziel ist es, vor allem auch die Bauleiter von dem sinnvollen Tool zu überzeugen, denn diese kennen und nutzen die GAEB-Schnittstelle ja ohnehin. Das Marketing und der Vertrieb werden weiter ausgebaut. Auch da gehen die Gründer schon mal ungewöhnliche Wege. So gab Lukas Büdenbender an der TH Köln eine Vorlesung über sein Projekt. Weitere, ausführliche Infos von den Gründern gibt es auch im Podcast von Michael Zimmermann und Karl-Heinz Krawczyk, unter: https://dachdecker-podcast.podigee.io/

Im Juli auf der DACH+HOLZ 2022
Und dann ist da perspektivisch die Zielgruppe der Bauherren interessant und naheliegend. „Im Grunde können neben Planern und Architekten auch Bauherren „wirbauen.digital“ nutzen. Denn wenn ich als Bauherr schon 500.000 € für ein Haus bezahle, dann möchte ich doch wissen, was da wann verbaut worden ist. Autokäufer bekommen einen detaillierten Katalog mit allen Details, Immobilienbesitzer oft höchstens eine Broschüre mit bunten Bildern“, wundert sich Büdenbender.
Das ist zwar noch Zukunftsmusik, doch warum nicht größer denken? Als nächsten Schritt möchte Büdenbender die App mit seinem Team auf der kommenden DACH+HOLZ 2022 im Juli in Köln präsentieren. Wir sind auf jeden Fall vor Ort und schauen, wie die Resonanz ausfällt.
Lukas Büdenbender beim Forschungsprojekt Uni Siegen:
Den kompletten Beitrag lesen Sie in DDH 08.2022