Bundesminister Hubertus Heil und ZVDH-Vizepräsident Michael Zimmermann diskutieren beim Niedersächsischen Landesverbandstag in Göttingen.
Dialog zum Handwerk: Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, sprach beim 72. Landesverbandstag der niedersächsischen Dachdecker und stellte sich anschließend Fragen. ZVDH-Vizepräsident Michael Zimmermann nutzte die Gelegenheit zum direkten Austausch. (Quelle: DDH)

Landesverbandstag Niedersachsen 17. October 2022 Die Sonne und Du

Göttingen: Die großen Chancen im Solarmarkt und die Risiken in konfliktreichen Zeiten standen im Mittelpunkt des Landesverbandstags der niedersächsischen Dachdecker. Bundesminister Hubertus Heil versprach Unterstützung für einen Winter, der zum Belastungstest werden kann.

Sage und schreibe 44 Nobelpreisträger stehen und standen in Verbindung mit der niedersächsischen Universitätsstadt Göttingen, in der unter anderem das größte deutsche Max-Planck-Institut beheimatet ist. Der 72. Landesverbandstag der niedersächsischen Dachdecker fand somit in der Herzkammer des deutschen Akademikertums in einer Zeit statt, in der das Handwerk durchaus kritisch auf die Entwicklungen in der deutschen Bildungslandschaft schaut. Je weniger Schüler pro Jahr ihren Abschluss machen, umso deutlicher wird, dass der Trend zur Akademisierung dem Handwerk große Probleme bereitet. Dieses Handicap des Handwerks im Wettbewerb um Nachwuchs war nur einer von vielen Punkten, die Landesinnungsmeister Carsten Stelter zur Eröffnung des Verbandtages kritisch formulierte. Nach einleitenden Grußworten von Oberbürgermeisterin Petra Broistedt und Frank Grewe, Obermeister der gastgebenden Dachdecker-Innung Südniedersachsen, forderte Stelter mehr Unterstützung für die Arbeit des Handwerks, zuvorderst von politischen Entscheidern: Handwerker und Verbraucher, so Stelter, bräuchten zum Beispiel "mehr Verlässlichkeit in der Förderung energieeffizienter Maßnahmen".

Landesinnungsmeister Carsten Stelter spricht auf dem Podium.
Landesinnungsmeister Carsten Stelter fand kritische Worte zur Bürokratie und der Aufgabefülle von Dachdecker-Betrieben. (Quelle: DDH)

Zur Unsicherheit über die Rahmenbedingungen kämen bürokratische Hürden wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz mit potenziell gewaltigen Bußgeldern. Auch die Langsamkeit der Bearbeitung von Anträgen zu Photovoltaik-Maßnahmen monierte der Landesinnungsmeister. Immerhin: Die Dachdeckerbetriebe im Landesverband haben die neuerliche Chance dieses Geschäftszweigs erkannt: der neue PV-Lehrgang im Weiterbildungszentrum in St. Andreasberg wurde bereits zwei Mal durchgeführt, berichtete Stelter. Stelter zeichnete insgesamt das Bild eines Handwerks, dem schlicht zu viel zugemutet wird: Betriebe müssen ohne pädagogische Fachausbildung nicht nur oft fehlende Schulabschlüsse des handwerklichen Nachwuchses kompensieren, sie stehen auch vor riesigen Hürden in Fragen der Sprachvermittlung bei Zugewanderten. Trotz aller Schwierigkeiten blieben die niedersächsischen Betriebe bei ihrer grundsätzlichen Haltung, schloss Stelter: "Anpacken, flexibel und erfinderisch sein."

ZVDH-Vizepräsident Michael Zimmermann spricht auf dem Podium.
Wirtschaftlicher Erfolg - und mehr: ZVDH-Vizepräsident Michael Zimmermann erläutert, wie Dachdeckerunternehmen Vorreiter der Energiewende werden können. (Quelle: DDH)

Montieren statt demonstrieren

Viel Zuversicht transportierte ZVDH-Vizepräsident Michael Zimmermann in seinem engagierten Vortrag. Dazu präsentierte Zimmermann zwei Hauptargumente: Zum einen zeige der faktische Blick in die Vergangenheit, dass mitnichten früher alles besser war: "Wir leben in der besten und privilegiertesten Zeit, die es jemals gegeben hat", so Zimmermann mit Blick auf frühere Krisen. Diese sei aber verbunden mit der großen gesellschaftlichen Herausforderung, den Planeten retten zu müssen. Und dafür, so das zweite Argument, wird das Dachdeckerhandwerk unbedingt gebraucht. Das zeige bereits der riesige Bestand an sanierungsbedürftigen Gebäuden, die jährlich 500.000 Sanierungen erforderlich machten. Wirtschaftlich, so die Schlussfolgerung, brauche sich das Dachdeckerhandwerk also langfristig keine Sorgen zu machen. Dachdeckerinnen und Dachdecker sollten aber mehr wollen: "Wir haben die einmalige Aufgabe und Verpflichtung, die Energiewende mitzugestalten - als Unternehmer und als Bürger. Beschäftigt euch mit dem Thema Photovoltaik, schult und begeistert eure Mitarbeiter, entfacht ein Feuer. Die Energiewende ist unsere Hauptaufgabe und wir alle können Vorbilder sein. Machen wir unsere Kunden zu aktiven, guten Umweltschützern", appellierte Zimmermann unter großem Applaus an die Zuhörer.

Zusammenhalt statt Spaltung

Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, spricht vom Podium
Er muss es wissen: Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, sprach über die Risiken des kommenden Winters und versprach tatkräftige Unterstützung für Unternehmen durch die Bundesregierung. (Quelle: DDH)

Die regionale Verbundenheit des gebürtigen Hildesheimers Hubertus Heil, vielleicht auch der laufende Landtagswahlkampf in Niedersachsen mögen eine Rolle gespielt haben, dass der Landesverband einen aktiven Bundesminister als Gastredner präsentieren konnte. Heils Rede stand dabei wesentlich unter dem Eindruck des durch den russischen Überfall auf die Ukraine ausgelösten Konfliktes, der weitreichende Folgen auch für die deutsche Wirtschaft hat und weiter haben wird. Es drohten "verdammt harte Zeiten", so Heil, in denen es ganz wesentlich darauf ankäme, äußere Sicherheit und sozialen Zusammenhalt nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. Russland benutze nicht nur Gas als Waffe. Das Putin-Regime habe seit Jahren versucht, die westliche Gesellschaft zu spalten und den inneren Frieden zu stören - umso wichtiger werde es nun, diesen Zusammenhalt trotz aller Herausforderungen zu erhalten. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales zeigte auf, welche Schutzmaßnahmen die Bundesregierung für Bürger und Unternehmen plant. Denn: es dürfe keineswegs dazu kommen, dass "kerngesunde Unternehmen weggespült" würden, stellt Heil klar. Auch Kurzarbeit werde bei Bedarf in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Heil legte aber auch Wert darauf, die Perspektive einer langfristigen Wohlstandsicherung aufzuzeigen, die wesentlich auf Bildung, Qualifizierung, Erhöhung der Frauenerwerbsquote und einem modernen Einwanderungsgesetz fuße. Im Anschluss stellte sich Hubertus Heil ausführlich den Fragen aus dem Publikum.

Handreichung fürs Solargeschäft

André Hannes spricht vom Podium
So geht Solar: André Hannes vom ABZ St. Andreasberg erläuterte praxisorientiert, wie sich Dachdeckerbetriebe im Solargeschäft zurechtfinden können. (Quelle: DDH)

Den fachlichen Abschluss bot der nützliche Vortrag von André Hannes, Technischer Geschäftsführer des ABZ in St. Andreasberg. Er bot den passenden Gegenpart zum Appell, den Solarmarkt offensiver anzugehen. Hannes zeigte detailliert auf, welche Fördermöglichkeiten Dachdeckerbetriebe für ihre Kunden nutzen können, welche Schritte bei der Umsetzung obligatorisch sind und wie Förderdatenbanken und der Landesverband Solarvorhaben mit Informationen unterstützen. Hannes machte die Unterschiede zwischen Wohngebäuden und Nicht-Wohngebäuden deutlich, zeigte förderfähige Standards auf und demonstrierte live, wie Formulare konkret ausgefüllt werden müssen. Abschließend empfahl der Experte den niedersächsischen Dachdeckern, verstärkt die ausführlichen Materialsammlungen im internen Mitgliederbereich zu nutzen und gab für eine entstehende betriebliche Solarsparte den Praxis-Tipp, Zeit in ein persönliches Netzwerk bestehend aus Elektriker und Energieeffizienzberater zu investieren.

Eingerahmt wurde der Verbandstag von zahlreichen Möglichkeiten der sportlichen Freizeitbetätigung wie Squash und Tennis. Der Landesverband verfolgt damit weiter seine Strategie, die Verbandstreffen insgesamt familienfreundlicher und attraktiver für jüngere Unternehmen zu gestalten. Beim großen Festabend sorgte Entertainer Ross Anthony für gute Laune. Der nächste Landesverbandstag findet 2023 in Bremen statt.

zuletzt editiert am 10.11.2022