Baurecht im Gespräch: Bedenkenanmeldung zu Projektbeginn – das fühlt sich nach Konflikt und direkt schlechter Stimmung an. Aber auch hier macht der Ton die Musik. Der Fachmann meint: Verbindlich und positiv schließen sich nicht aus.
Dachdeckermeister Carsten Hoffmann: Letztens stand ich unmittelbar nach Aufnahme der Arbeiten vor dem Dilemma, dass die Leistungen eines Vorunternehmers aus meiner Sicht nicht fachgemäß waren. Das hätte nachteilige Auswirkungen auf unsere Leistungen gehabt. Gleichwohl zögerte ich, direkt zu Beginn dem Auftraggeber mit einer Bedenkenanmeldung auf die Nerven zu gehen.
Rechtsanwalt Elmar Esser: Ich kann verstehen, dass Sie es sich nicht direkt von Anfang an mit dem Auftraggeber verscherzen wollen. Aber der Bedenkenanmeldung kommt eine so große Bedeutung für Sie als Auftragnehmer zu, dass Sie davor nicht zurückscheuen sollten. Man muss die Bedenken ja nicht so negativ formulieren („Alles schlecht, was andere Handwerker gemacht haben.“) Es gilt auch hier wie im Leben allgemein: „Der Ton macht die Musik.“ Was spricht dagegen, das Ganze in einem verbindlichen, positiven Ton zu formulieren? Etwa: „Lieber Auftraggeber, wir möchten Ihnen eine bestmögliche Leistung liefern, daher erlauben Sie uns bitte folgende wichtige Hinweise...“
Hoffmann: Gegen was muss man eigentlich genau Bedenken anmelden?
Esser: Grundsätzlich gilt, dass Bedenken angemeldet werden müssen, wenn die geplante Ausführungsart gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik (aaRdT) verstößt oder die Vorleistung eines anderen Unternehmers nicht fachgerecht ausgeführt worden ist (§ 4 Nr. 3 VOB/B). Bestehen Bedenken gegen die Güte der vom Auftragnehmer gelieferten Stoffe oder Bauteile, sind diese ebenfalls geltend zu machen. Das gilt auch beim BGB-Werkvertrag.
Hoffmann: Aber bedeutet dies denn, dass ich jetzt etwa die aaRdT aller Gewerke kennen muss, auf deren Vorleistungen ich angewiesen bin?
Esser: Nein, das kann natürlich niemand von Ihnen verlangen. Aber die aaRdT der eigenen Branche, die ja auch Schnittstellen definieren, muss der Dachdecker natürlich kennen. Das Fachregelwerk des deutschen Dachdeckerhandwerks, herausgegeben vom ZVDH, sollte eigentlich in jedem Betrieb aktuell vorgehalten werden. Da aber gibt es – zurückhaltend formuliert – durchaus Optimierungspotenzial bei so manchem Betrieb. Hier wird sicherlich an der falschen Stelle gespart. Denn schließlich sind die Fachregeln der Maßstab, an dem man jede Leistungsbeschreibung, die man auf den Tisch bekommt, messen muss. Stellt man Abweichungen fest, so muss man hiergegen Bedenken geltend machen. Denn im Schadensfall kann man nicht darauf verweisen, dass der Auftraggeber ja die Planung veranlasst hat.
Hoffmann: Was aber mache ich, wenn der Auftraggeber Geld sparen will und ausdrücklich eine „abgespeckte“ Ausführung wünscht?
Esser: Kein Thema, dann soll der Auftraggeber auch seinen Willen bekommen. Aber die Bedenkenanmeldung muss gleichwohl übermittelt werden. Unterlässt der Betrieb diese nach dem Motto „War ja ausdrücklich so vom Bauherren verlangt“, ist er im Schadensfall als Auftragnehmer gleichwohl haftbar. Denn dies ist der eigentliche Sinn der Bedenkenanmeldung: Mit ihr werden klare Verantwortungsverhältnisse geschaffen. Der Bauherr bekommt alles, was er will, aber der Auftragnehmer hat nur dann keine Gewährleistung, wenn er die Bedenken angemeldet hat. Dazu ist er als Fachunternehmer verpflichtet.
Hoffmann: Worauf muss ich denn bei einer Bedenkenanmeldung noch achten?
Esser: Auf keinen Fall einfach weitermachen. Der Bauherr muss zu einer Reaktion veranlasst werden, egal worin die dann besteht. Das beste Druckmittel dabei ist die gleichzeitige Behinderungsanzeige, etwa wie folgt: „Solange keine Entscheidung Ihrerseits zu meiner Bedenkenanmeldung vorliegt, bin ich in der weiteren Durchführung der Arbeiten behindert und muss die Baustelle dann Anfang nächster Woche stilllegen.“ Muster für Bedenken- und Behinderungsanzeigen finden Betriebe im Intranet des ZVDH.
