Serie Sachverständige: Eine einfache Dachwartung brachte für die Bauherren weit mehr Handlungsbedarf ans Tageslicht als erwartet. Das circa zwölf Jahre alte Dach war stark beschädigt durch unzuträgliche Feuchtigkeit und faulende Holzkonstruktion.
Die Eigentümer erwarben das Gebäude vor circa sieben Jahren, sodass die Mitteilung des Dachdeckers, welcher eine Routinewartung auf dem Dach vornahm, unangenehm überraschte. Das Arztehepaar schaltete einen Sachverständigen zur Unterstützung bei der Sanierung des Wohnhausdaches ein.
Offensichtliche Fehler
Der Ortstermin erfolgte im Beisein eines Mikrobiologen und eines Statikers. Bei der Untersuchung stellte der Sachverständige fest, dass bei der Ausführung diverse Fehler in bauphyskalischer Hinsicht erfolgten. Bei den Dachöffnungen wurde deutlich, dass die Bretter in den allermeisten Teilbereichen verfault waren. Nach Freilegung diverser Sparren wurden auch hier faulende Bereiche, insbesondere an der Oberseite der Sparren, festgestellt. Ein Begehen des Daches war nur noch eingeschränkt und mit entsprechenden Laufanlagen möglich. Als offensichtliche Ausführungsfehler in der bauphysikalischen Konzeption wurden die nicht luftdicht hergestellten Anschlüsse im Randbereich und an den Zwischenwänden festgestellt.
Gegen die Regel
Erschwerend kam hinzu, dass eine regelwidrige Konstruktion geplant und ausgeführt wurde. Die Dampfsperre bestand aus einer PE-Folie mit einem Sd-Wert von > 100 m. Die anerkannten Regeln der Technik (Fachregel Dachdeckerhandwerk, hier Merkblatt Wärmeschutz) weisen eindeutig darauf hin, dass bei diffusionshemmenden Bauteilen an der Außenseite eventuell eingedrungene Feuchte im Dachbereich nicht austrocken kann. Insofern ist die Anordnung einer Dampfsperre innen mit einem Sd-Wert von > 100m schon regelwidrig und häufig auch schadenträchtig. Auch ist die nicht als Vollsparrendämmung verlegte Mineralfaser schadenträchtig und regelwidrig, die Fachregeln (MB Wärmeschutz) fordern ein vollständiges Ausfüllen der Gefache, da ansonsten Tauwasser ausfallen kann.

Entscheidende Kenngrößen
Bei der Sanierung mussten diverse Parameter beachtet werden. Nach Rücksprache mit einem Architekten wurde festgelegt, dass die Sanierung als nicht durchlüftetes Dach (früher als sogenanntes Warmdach bezeichnet) ausgeführt werden kann. Die dadurch generierte zusätzliche Bauhöhe war in dem hiesigen Fall baurechtlich unbedenklich. Der hinzugezogene Mikrobiologe hat in Zusammenarbeit mit dem Unterzeichner festgelegt, wieviel von den betroffenen Sparren entfernt werden muss, damit von Schimmelpilzen und hauszerstörenden Pilzen keine Gefahr mehr ausgehen kann. Danach musste der Statiker seine Beurteilung entsprechend definieren. Er errechnete für den Austausch respektive für die Ergänzung der einzelnen Sparren entsprechende Verstärkungen aus (Beispiel: siehe Skizze S. 26). Weiter musste eine entsprechende Notentwässerung errechnet und umgesetzt werden, die bei der Ausführung des Daches nicht eingebaut wurde. Auch die Anschlageinrichtungen wurden neu geplant und ausgeführt.

Sanierung in ArGe
Um die Sanierungskosten etwas abzumildern, wurde ein Energieberater hinzugezogen, sodass für die Sanierung eine energetische Ertüchtigung gleichfalls mit vorgenommen wurde. Durch den nunmehr neuen U-Wert < 0,14 W/m²K wurde die Dachsanierung nach den Richtlinien der KFW-Bank förderfähig. Die Abdichtung erfolgte mit PVC-Bahnen in einer Dicke von 1,8 mm, die mit ASA-Kunststoffen vergütet sind. Die gesamten Dämmschichten und die Abdichtungsbahnen wurden fachgerecht mechanisch befestigt. Problematisch und aufwendig war naturgemäß die Ausführung der Dampfsperre als Luftdichtheitsschicht. Wie bereits erwähnt, war die vorhandene luftdichte Schicht mangelhaft ausgeführt worden. Die Dampfsperre musste nun die Funktion übernehmen und zusätzlich von der Ebene oberhalb der neu applizierten Bretter nach innen an die verputzte Wand geführt und dort luftdicht angeschlossen werden. Diese Maßnahme gewährleistet, dass das neue Konstrukt auch tatsächlich luftdicht ist. Nach einem Ausschreibungsverfahren wurde der Fachbetrieb Weiler und Gilles aus Polch (Dachdeckerinnung Mayen-Ahrweiler) in Arbeitsgemeinschaft mit der Firma Wilh. Bachenberg GmbH Puderbach (DI Neuwied) beauftragt, die Sanierung entsprechend zu gestalten. Christian Gilles, Dachdeckermeister und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, erläutert im Nachfolgenden die Ausführung: „Das Dach wurde mit einem Treppenturm eingerüstet, und nach den ersten Probeöffnungen zeigten sich für den Immobilieneigentümer Bilder des Grauens. Die unter der Abdichtung befindliche Holzschalung – im Einbauzustand vermutlich 24 mm dick – befand sich im vollständigen Zerfall. Bröselige Reste der Schalung hingen vereinzelt noch an den Nägeln, und in den Gefachen konnten signifikante Reste eines holzzerstörenden Pilzes festgestellt werden. Da auch die Sparren und damit die Tragende Konstruktion des Daches betroffen waren und zumindest teilweise die oberen 4 – 6 cm der Bestandssparren sich ebenfalls bereits in der Auflösung befanden, musste ein Statiker hinzugezogen werden, um festzustellen, ob „nur“ Dachabdichtung und Holzschalung erneuert werden mussten oder ob auch das tragende Gebälk einer grundlegenden Sanierung unterzogen werden muss – auch immer in Hinblick auf die wirtschaftliche Tragweite einer erforderlichen Sanierung des Daches der erworbenen Immobilie."

Ertüchtigung genügte
Anhand einiger weiterer Probeöffnungen stellten der ö. b. u. v. Sachverständige und der beauftragte Statiker fest, dass nur das obere Viertel der Sparren, und das auch nur in Teilen des Daches, betroffen war. Als Ertüchtigungskonzept wurden die betroffenen Holzteile bis aufs gesunde Kernholz abgehobelt, mit einem mit entsprechender Absaugvorrichtung ausgestatteten Schleifer abgeschliffen und dann nach sorgfältigem Aussaugen aller betroffenen Gefache manuell und im Sprühverfahren mit einer Wasserstoffperoxid-Lösung gereinigt, um die letzten möglicherweise verbliebenen Pilzsporen zu beseitigen. Da diese aufwendigen und zeitintensiven Arbeitsgänge alle während der Bauphase und im vollständig geöffneten Dach ausgeführt werden mussten, haben der Bauherr und die ausführenden Firmen Weiler und Gilles aus Polch und Wilh. Bachenberg GmbH aus Puderbach sich vor Beginn der Sanierung darauf verständigt, dass die Arbeiten nur in Erwartung einer trockenen „Gutwetterperiode“ von mindestens einer Woche begonnen werden konnten. Genau dieses erforderliche Zeitfenster tat sich Anfang Juni 2021 auf, und so konnte mit der Sanierung des fast 300 m² großen Daches, auch dann nach entsprechend guter Planung und Vorbereitung, begonnen werden. Im Rahmen der unfreiwilligen vorzeitigen Dachsanierung aufgrund des Schadens wollte der Bauherr konsequenterweise auch das Dach in einem Zug energetisch sanieren, um in Hinblick auf Energieeinsparpotenziale und einen persönlichen Beitrag zum Klimaschutz auch unter diesem Aspekt das Dach in einen zeitgemäßen Zustand zu bringen.


Hoher Standard
Als Anforderungsprofil wurde nach den derzeit gültigen Förderstandards der KfW ein U–Wert von = 0,14 W/m² K definiert. Gleichzeitig sollte die bestehende Attikablende aus Aluminium erhalten bleiben und die gemäß Fachregeln für Dächer mit Abdichtungen geltenden Mindestanforderungen umgesetzt werden. Aufgrund der zuvor beschriebenen Zwänge war dem planenden Gutachter Herbert Gärtner schnell klar, dass ein in Hinblick auf die WLG leistungsstarker Dämmstoff mit einer möglichst geringen Aufbauhöhe gefragt war. Gleichzeitig musste das Dach mit möglichst kurzen Verlegezeiten wieder geschlossen und regensicher sein. Eine Großformatplatte aus Polyurethan erfüllte alle diese Anforderungen. Die 16 cm dicke, alukaschierte PUR-Platte sollte mechanisch befestigt werden. Gemäß Verlegevorschriften des Herstellers sollen die Platten mit den Abmessungen 1,20 m x 2,40 m mit mindestens fünf Befestigern pro Platte verankert werden. Die Fachregel für die Dächer mit Abdichtungen des ZVDH definiert in den Fachregeln für Dächer mit Abdichtungen Abs. 3.4.10 jedoch höhere Anforderungen: „Entlang der Plattenkante darf bei großformatigen Platten der Abstand der Befestiger untereinander maximal 1,25 m betragen." Wären die Platten nur nach den Vorgaben des Herstellers befestigt worden, so wäre die Leistung potenziell wieder mangelbehaftet gewesen, da die Fachregeln für Dächer mit Abdichtungen des ZVDH ein höheres Anforderungsprofil an die Befestigung stellen und diese als „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ gelten. Fazit, die Befestigung der großformatigen Dämmstoffplatten aus Hartschaum betreffend: Fachregel schlägt Herstellerverlegevorschriften. Im Zweifelsfall ist jeder Ausführende gut beraten, die anerkannten Regeln der Technik auch bei etwaigen Abweichungen gegenüber den Vorgaben des Herstellers einzuhalten und dies im Vorfeld mit dem Hersteller im Einzelfall abzustimmen. Für den neuen Dachaufbau, bestehend aus den gereinigten und durch seitliches Anlaschen nach Vorgaben des Statikers ertüchtigten Bestandssparren, wurde eine 28-mm-Nut-und-Feder-Holzschalung aufgebracht. Darauf verlegten die Dachdecker eine bituminöse Dampfsperrbahn aus dem Produktportfolio des Dämmstoffherstellers, die über eine Zulassung als temporäre Behelfsabdichtung für die Bauphase verfügt, und eine 16 cm dicke, mechanisch befestigte PUR-Dämmstoffplatte. Die Abdichtung erfolgte einlagig mit einer, nach Befestigungsschema der Windsogberechnung mechanisch befestigten, hochwertigen Kunststoffbahn.

Notentwässerung nachgerüstet
Das Bestandsdach, das für den Erwerber nach den zur Verfügung stehenden Kriterien und Evaluierungswerkzeugen einen „guten Eindruck" gemacht hatte, war nicht nur in Hinblick auf bauphysikalische Aspekte und unsachgemäße Ausführung der Anschlüsse mangelhaft. Es verfügte auch nicht über eine den Fachregeln des ZVDH entsprechend funktionierende Notentwässerung, die gewährleisten muss, dass selbst ein „Jahrhundertregen“ frei auf schadlos überflutbare Flächen abgeleitet werden kann. Im Rahmen der Gesamtsanierung wurden nach Durchführung einer entsprechenden Entwässerungsberechnung drei Notüberläufe mit entsprechend hoher Ablaufleistung ergänzt. Nun erfüllt das frühzeitig neu sanierte Dach neben den Anforderungen an die Standsicherheit, die Ausgangspunkt der Historie der Dachsanierung war, an den Wärmeschutz nach dem derzeitig geltenden Gebäudeenergiegesetz, an die Windsogsicherheit und an die bauphysikalischen Anforderungen der DIN 4108-3 sowie den Brandschutz ebenso die Anforderungen an die Entwässerung gemäß Fachregeln des ZVDH. Der Gewährleistungszeitraum des Ausführungsunternehmens, das das schad- und mangelhafte Dach vor Immobilienerwerb vor circa zwölf Jahren errichtet hatte, war leider abgelaufen, so dass der Immobilienerwerber und aktuelle Eigentümer die signifikanten Kosten in sechsstelliger Höhe selbst tragen musste.

Besser begutachten lassen
Beim Erwerb einer Immobilie ist eine sorgfältige Prüfung aller wesentlichen merkantilen Bestandteile der Immobilie ratsam. Mangelhafte Bauteile der Immobilie können oft vom Fachmann im Vorhinein erkannt werden. Insbesondere das Dach als wesentlicher Bestandteil der äußeren schützenden Gebäudehülle bedarf einer sorgfältigen Analyse und inhaltlicher Auseinandersetzung vor Kauf, damit böse Überraschungen wie im zuvor geschilderten Einzelfall ausbleiben.