Portraetfoto Rechtsanwalt Elmar Esser
Rechtsanwalt Elmar Esser aus Berlin beantwortet Fragen von Dachdeckern. (Quelle: Elmar Esser)

Recht 2025-06-18T10:09:28.652Z Wenn Schweigen teuer wird

Baurecht im Gespräch: Im geschäftlichen Alltag prasseln E-Mails, Nachrichten und Briefe im Minutentakt auf einen ein – oft bleibt kaum Zeit, alles zeitnah zu beantworten. Doch Vorsicht: Wer als Unternehmer auf wichtige Schreiben nicht reagiert, kann rechtlich schnell ins Hintertreffen geraten. Denn: Schweigen kann als Zustimmung gewertet werden – mit weitreichenden Folgen.

DDM Albert Hintzen: Im täglichen Geschäft bekomme ich den ganzen Tag über immer wieder E-Mails, WhatsApp-Nachrichten, Briefe – und manchmal auch noch ein Fax. Oft komme ich über Tage nicht dazu, das alles zu lesen, geschweige denn, immer zeitnah zu reagieren. Ich habe Sorge, dass mir das eines Tages auf die Füße fällt?

Rechtsanwalt Elmar Esser: Die Sorge besteht nicht von ungefähr. In manchen Bereichen des Geschäftslebens kann das Schweigen, zum Beispiel wenn man auf ein Schreiben nicht reagiert, ungewollt nachteilige Folgen haben. Dies gilt zuvorderst zwischen Geschäftsleuten. Bekanntestes Beispiel ist sicherlich das sogenannte „Kaufmännische Bestätigungsschreiben“. Verschickt ein Kaufmann ein solches Bestätigungsschreiben, und schweigt der Empfänger hierzu, zum Beispiel indem er es einfach unbeantwortet lässt, so können sich hieraus Folgen für die Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien ergeben. Eine Auftragsbestätigung, obgleich inhaltlich nicht korrekt, auf die der Empfänger nicht reagiert, kann zum Zustandekommen eines Vertrages zu den im Schreiben formulierten Bedingungen führen.

Hintzen: Nun, da muss ich ja dann nichts befürchten. Schließlich handle ich nicht mit Waren, sondern bin Dachdecker und erbringe Bauleistungen.

Esser: Da unterliegen Sie leider einem Irrtum. Die Einstufung als Kaufmann ergibt sich aus dem Handelsgesetzbuch. Demnach ist jedes Unternehmen, das nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, als Gewerbebetrieb anzusehen und damit als Kaufmann. Das trifft auch auf einen Betrieb wie den Ihren zu.

Hintzen: Ok. Das ist ein wichtiger Hinweis. Aber was heißt dies denn jetzt für mich in Hinblick auf ein solches Bestätigungsschreiben? Wie erkenne ich denn, dass ich ein solches vor mir liegen habe?

Esser: Zunächst gilt es zu beachten, dass ein solches Schreiben nicht ausdrücklich als „Kaufmännisches Bestätigungsschreiben“ bezeichnet werden muss. Es genügt zum Beispiel, dass Sie im Nachgang zu einer Besprechung auf der Baustelle von Ihrem gewerblichen Auftraggeber eine E-Mail bekommen mit dem Protokoll der Besprechung. Aus dem Protokoll ergeben sich dann neue Anforderungen an zu verwendende Bauprodukte, die zuvor so im Vertrag nicht enthalten waren und wovon in der Besprechung nicht die Rede war. Widersprechen Sie diesem Protokoll nicht, so gelten diese neuen Anforderungen als vereinbart. Das Gesetz erwartet von Ihnen als Dachdeckerbetrieb, sich um derartige Geschäftsvorgänge aktiv zu kümmern.

Hintzen: Gilt so etwas denn auch dann, wenn ich zum Beispiel mit einem Lieferanten zunächst alles nur per WhatsApp besprochen habe und dann von ihm eine Rechnung bekomme, die aber die vereinbarten Bedingungen nicht richtig wiedergibt?

Esser: Ja, dies hat das OLG München kürzlich in einem interessanten Fall festgehalten (Urteil vom 08.01.2025 – 7 U 1776/23). Einer Rechnung, die der Empfänger unmittelbar nach vorangegangenen Verhandlungen erhält und in der die vereinbarten Vertragsbedingungen unrichtig wiedergegeben werden, muss unverzüglich widersprochen werden. 

Hintzen: Und wie ist es mit Fristen, die man mir ja auch regelmäßig setzt?

Esser: Reagieren Sie nicht auf eine Fristsetzung seitens des Bauherrn, so ist dies nur riskant, wenn Sie zuvor zu diesem Thema eine Besprechung hatten und anschließend hierzu eine Bestätigung erhalten haben. Setzt Ihnen der Bauherr „einfach so“ eine Frist, also ohne vorhergehende Besprechung, folgt aus Ihrem Schweigen rechtlich nichts. Insbesondere kann der Bauherr hieraus keine Zustimmung ableiten. Gleichwohl gibt es Situationen, in denen eine einseitige Fristsetzung seitens des Bauherrn wirksam sein kann. So zum Beispiel wenn er Sie zur Beseitigung eines Mangels auffordert. Darauf müssen Sie stets reagieren. Tun Sie dies nicht, so kann der Bauherr sofort tätig werden und zum Beispiel verspätete Nachbesserungen ablehnen, Ersatzvornahme auf Ihre Kosten anordnen, Schadensersatz verlangen etc.

Hintzen: Gilt dies denn umgekehrt eigentlich auch? Muss also der Auftraggeber die gleichen Folgen auch gegen sich gelten lassen?

Esser: Selbstverständlich. Das ist keine Einbahnstraße. Bestätigen Sie zum Beispiel im Nachgang zu einer Besprechung die dort getroffene Vereinbarung über einen Nachtrag und widerspricht der Auftraggeber nicht umgehend, so gilt der Nachtrag als in der dort niedergeschriebenen Form als vereinbart.

Hintzen: Wie muss ich denn reagieren? Immer schriftlich?

Esser: Sie sollten stets schriftlich reagieren, denn Sie müssen im Streitfall beweisen, dass Sie widersprochen haben. Per E-Mail ist das naturgemäß schwierig, auch bei WhatApp ist das nicht wirklich rechtssicher beweisbar. Im Zweifelsfall sollten Sie ein Einwurf-Einschreiben schicken. Falls möglich, können Sie auch ein Fax schicken.

zuletzt editiert am 18. Juni 2025