Ein begrüntes Dach mit moderner Architektur und Solarpanelen unter einem blauen Himmel.
Beispiel eines extensiv begrünten Daches mit PV-Modulen. (Quelle: Bundesverband GebäudeGrün)

Nachhaltigkeit 2025-08-14T14:17:41.294Z Zwischen Fachregeln und Fehlgriffen

Event: Beim DachNetSv-Seminar in Dresden standen Photovoltaik, nachhaltige Dachbegrünung und innovative Materialien im Fokus. Die Dachdecker diskutierten, wie sich neue Technologien mit Fachregeln vereinbaren lassen – und warum handwerkliche Sorgfalt entscheidend ist, damit Klimaschutz nicht am Dach scheitert.

Bevor Dipl.-Ing. DDM Jochen Angerstein, Geschäftsführer von DachNetSv, das neue EDV-Programm des Verbundes vorstellte, machte er deutlich, wofür man steht: „Wir liefern den Versicherungen die Fachexpertise. Wir machen keine Schadensregulierung. Dass es im Dachdeckerhandwerk eine bundesweite Abdeckung an Fachleuten zur Beurteilung von Schäden gibt, ist unser Alleinstellungsmerkmal.“

Bevor Dachdeckermeister Herbert Gärtner, ö.b.u.v. Sachverständiger, in sein Thema Schäden am Flachdach einstieg, plädierte er für die Bestellung in Teilgebieten im Sachverständigenwesen, wofür der Erwerb von Zusatzqualifikationen nötig ist. Sogleich entspann sich im Hinblick auf Photovoltaik mit der dazugehörigen Elektrik eine rege Diskussion darüber, da die zentrale Prozessordnung vorschreibt, dass Sachverständige aus dem betroffenen Fachbereich kommen müssen, wie Rechtsanwalt und Dachdeckermeister Thomas Schmitz darlegte. Mit Bildern neuer Schadensfälle auf Flachdächern machte Gärtner deutlich, auf welch gefährlichem Terrain sich die Dachdecker bewegen, wenn sie sich außerhalb der Fachregeln bewegen. Im konkreten Fall ging es um eine Flüssigabdichtung ohne Vlieseinlage, die sich komplett abgelöst hatte. Mit weiteren Beispielen hob das ehemalige Mitglied des Flachdachausschusses hervor, wie wichtig es ist, Herstellerrichtlinien einer genauen Prüfung zu unterziehen. Begriffe wie Regeneration zur Umgehung des GEG oder Klassifizierung statt bauaufsichtlicher Zulassung führen Dachdecker auf dünnes Eis.

Ein Moderator hält einen Vortrag bei einem Seminar, während ein weiterer Teilnehmer am Tisch sitzt.
Die Gesellschafter der DachNetSv GmbH Jochen Angerstein (l.) und Herbert Gärtner moderierten die Veranstaltung. (Quelle: DDH)

Materialgarantien in der Diskussion

Einen schweren Stand hatte Jan Redecker, Geschäftsführer Technik des ZVDH, bei der Vorstellung der neuen Innovativen Materialgarantie, die, so die Wunschvorstellung, Bindeglied zwischen Innovation und allgemein anerkannten Regeln der Technik darstellen soll. Bei der ursprünglichen Materialgarantie des ZVDH garantieren Hersteller in den ersten sechs Jahren die Beschaffenheit eines Produktes. Bei Schäden ersetzen sie Ein- und Ausbaukosten und Material bis 500.000 Euro. Die Kritik der Sachverständigen galt in erster Linie dem Begriff und der damit verbundenen Gefahr, zu denken, für alle Fälle abgesichert zu sein. Wie aber passt die Innovation in das bestehende System? Zur Verdeutlichung zog Redecker eine Obstsorte heran: Die allgemein anerkannten Regeln der Technik sind theoretisch richtig, finden breite Anwendung und haben sich bewährt – wie eine reife Banane. Die Innovation ist – theoretisch richtig – eine Banane, die auf dem Weg reift. Das Fachregelwerk könnte an Bedeutung verlieren und minderwertige Produkte in den Markt drängen, so die allgemein geäußerte Befürchtung. Rechtsanwalt Thomas Schmitz mahnte, es muss zwingend eine einzelfall- und produktspezifische einzelvertragliche Vereinbarung gemacht werden.

Dennoch, so die Meinung im Auditorium, wird dem Dachdecker suggeriert, das Material kann einfach verbaut werden. Jan Redecker verteidigte das Vorgehen: „Ziel ist es doch, den Dachdecker, der diese Produkte auf das Dach bringt, zu schützen.“ Berlins Landesinnungsmeister Stefan Ziemann brachte es auf den Punkt: „Die gute Idee ist falsch verpackt. Der Weg ist der richtige. Wenn Ihr moderne Produkte verwendet, müsst Ihr darauf hinweisen, dass sie nicht den Anforderungen entsprechen.“ Herbert Gärtner ergänzte: „Hier besteht ein juristisches Glatteis, das der ZVDH zu streuen hat.“

Schwammstadt und Gebäudebegrünung

Eine neue Fachinformation des BuGG zum Thema Retentionsgründach ist in Arbeit, wusste Felix Mollenhauser, BuGG, zu berichten. Eine Zunahme der Hitzetage, die Zunahme von Temperatur und Ex-tremwetterereignissen sind gute Gründe für eine Dachbegrünung. Die Entlastung der Kanalisaion durch die Verzögerung der Abflussgeschwindigkeit sowie Erhöhung der Verdunstungsleistung sind positive Wirkungen von Dachbegrünungen und somit schlagende Argumente. Mollenhauser ging auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der Gebäudebegrünung ein und zeigte auf, welche Art welche Auswirkungen auf Klima und Wasserhaushalt hat. Vorzugsweise, so sein Rat, Gründächer mit kapillarer Verbindung wählen, damit das Wasser aus der Retentionsebene zur Pflanzenversorgung verwendet werden kann.

Christian Gilles ist Sachverständiger mit besonderem Befähigungsnachweis für das Teilgebiet Photovoltaik und somit prädestiniert, einen Vortrag über Schäden auf Dächern mit PV zu halten. Diese werden verursacht durch Sturm, Hagel, Elektrik oder Materialermüdung. Das größte Schadensfeld aber ergibt sich durch unsachgemäße Verarbeitung, ungeeignete Materialwahl und fehlende Schutzvorkehrungen – somit vermeidbare Fehler, wenn Fachleute mit der Montage betraut würden. Aber auch für diese liegt der Teufel im Detail. Steckverbindungen müssen von einem Hersteller kommen, und bei Verbindungsmitteln zählt das Kleingedruckte. Bei Problemen, die offensichtlich mit der Elektrik zusammenhängen, rät Gilles, unbedingt einen Elektriker hinzuzuziehen. Viele Werke regeln den Einbau: MBO, Fachregeln des ZVDH und ZVSHK, DIN, IFBS-Richtlinie, VDS-VDI-Richtlinien, GUV, BG. Eine gute Arbeitshilfe ist das Merkblatt des Bundesverbandes für Solarwirtschaft, ebenso die Tabelle der Versicherungen für den Dachaufbau, denn auch seitens der Versicherungen sind Regeln zu beachten, mahnte Gilles.

Er stellte Kuriositäten aus dem Alltag seines Sachverständigen-Daseins, die irgendwo zwischen amüsant und nicht zu glauben siedeln, vor. Ein gemeldeter Sturmschaden entpuppt sich als thermische Längenänderung der Alu-Konstruktion und Schrumpfung der Bitumendachbahn, die öffentliche Hand vergibt die Installation einer PV-Anlage an eine Scherenschleiferei, und Verlegeanleitungen der Hersteller in Bezug auf Schiefer sind völlig unsinnig und nicht ausführbar.

Nachhaltigkeit oder Marketing?

Sind Flachdächer mit Holzfaserdämmung ein kurzzeitiger Trend oder eine nachhaltige Bauweise? Diese Frage hat Matthias Funk, Soprema, zu seinem Thema gemacht. Nachhaltigkeit ist ein Marketinginstrument und wird oft zum Greenwashing missbraucht. Fakt aber ist, der Immobiliensektor befindet sich im Wandel. Die Ansprüche steigen, und der Trend geht zu ökologischen Baustoffen. So kommen auch immer mehr Ausschreibungen für holzfasergedämmte Dächer auf den Markt. Die Vorbehalte für diese Bauweise sind zum Beispiel die Kondensatbildung, Feuchteeintrag während der Verarbeitung, Fäulnisbildung bei Leckage oder das Brandverhalten. Fest steht, dass Holzfaser speziell ist und gesondert betrachtet werden muss. Korrekt geplant, ohne Zeitdruck und unter optimalen Wetterbedingungen ausgeführt sind holzfasergedämmte Flachdächer langlebig und somit nachhaltig. Der Nachweis der harten Bedachung wird einfach erfüllt durch Kies, Betonplatten oder eine Begrünung, wobei Letzteres die logische Konsequenz wäre.

Vier Prüfungen in Europa

Marc Tornedde, ö.b.u.v. Sachverständiger im Dachdeckerhandwerk, führte durch den schwer durchdringbaren Dschungel des Brandschutzes. Dächer müssen widerstandsfähig gegen Flugfeuer und strahlende Wärme sein. „Es geht nicht darum, dass es nicht brennt, sondern dass es so langsam brennt, dass Mensch und Tier gerettet werden können“, verdeutlichte Tornedde. Deswegen dürfen leichtentflammbare Baustoffe nicht verwendet werden, außer in Verbindung mit normalentflammbaren Stoffen. Als Beispiel nannte er Klebebänder. Nach deutschen und europäischen Normen ausgeführte Prüfverfahren mit Flächen- oder Kantenbeflammung bilden die gesetzliche Grundlage zur Zulassung von Baustoffen. Um auf der sicheren Seite zu stehen, sollte der Dachdecker bei Unklarheiten immer einen Brandschutzplaner fragen. Tornedde stellte die vier Brandprüfungen, die in Europa anerkannt sind, und die zugehörigen Länder vor. BroofT1 zum Beispiel ist für Deutschland, Österreich und die Schweiz gültig und unterscheidet zwei Prüfungen: 15° Dachneigung für Dächer 0 bis <20°, 45° ab 20°. Geprüft wird in der Regel auf Holz mit 5-Millimeter-Fuge, der Prüfkörper misst 0,8 x 1,8 Meter. Nach bestandener Prüfung erhält der Antragsteller ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (AbP) als Nachweis der Widerstandsfähigkeit gegen Flugfeuer und strahlende Wärme. Aber auch hier gilt: Achtung! Genau lesen! Die Hersteller spielen mit dem Unwissen der Verarbeiter.

Der zweite Beitrag von Jan Redecker beschäftigte sich mit dem Merkblatt Solar. Neue Produkte wie Indachanlagen verhindern noch die zeitnahe Veröffentlichung. „Wir sind grundsätzlich nicht für Lichtgeschwindigkeit bekannt“, scherzte Redecker, zeigte aber, wie schwierig es ist, die Regeln an die rasante Entwicklung anzupassen. Die Bearbeitung wurde 2021 gestartet, Aktualität und Widersprüche geprüft. Immer neue Produkte in gewissen Entwicklungsstadien drängen auf den Markt, und die Ereignisse überschlagen sich, weil der Endkunde Autarkie wünscht.

Aktuell diskutiert der Fachausschuss, wie mit BI-PV (building inte-grated) umzugehen ist. Allein die Namensgebung gestaltet sich schwierig und „solange wir für das Kind keinen Namen haben, können wir es nicht abgrenzen“, erklärte Redecker. Kritische Anmerkung aus dem Auditorium: „Warum sollen wir jetzt schon etwas regeln, was wir nicht beurteilen können? Warum warten wir nicht ein paar Jahre ab? Wir dürfen keine Regeln erstellen, weil die Industrie es so will. Wir sollten neue Produkte nur verwenden mit sondervertraglicher Vereinbarung und Regeln erst dann erstellen, wenn Langzeiterfahrung vorhanden ist.“

Photovoltaik und ihre Statik

Matthias Brand, Mitarbeiter der Statiko GmbH, gab einen Einblick in die Grundlagen der Tragwerksplanung: „Das sieht schlimm aus, ist es auch.“ Die Installation von PV-Anlagen ist politisch gewollt, es gibt PV-Pflicht in einigen Bundesländern, und das ist merkbar im Statikbüro. Wann wird eine statische Berechnung im Bestand nötig? Wenn zusätzliche Last aus PV aufgebracht wird oder beim Eingriff in das statische System. Eine Dachsanierung sollte lastenneutral ausgeführt werden, damit die Statik nicht nachgewiesen werden muss. Alles andere ist eigentlich unwirtschaftlich bis zum Teil unmöglich, so Brand. Ein Tragwerk ist so zu dimensionieren, dass es tragfähig, gebrauchstauglich und dauerhaft ist. Er beschrieb die Vorgehensweise in der Praxis: Sie fordern die Bestandsunterlagen an und überprüfen sie, ermitteln die Eigenlasten aus der Photovoltaik-Anlage. Die Lastannahmen und die Bemessung werden überprüft. Gegebenenfalls werden Lastreserven angesetzt und die Statik neu bemessen. Sollte es zielführend und wirtschaftlich sein, Lösungsansätze erarbeiten. Dazu zeigte er Praxisbeispiele zur Verdeutlichung.

Ein Mann hält eine Präsentation und gestikuliert vor einem Flipchart.
Jan Redecker ist überzeugt, dass das Dachdeckerhandwerk Taktgeber für künftige Entwicklungen sein kann. (Quelle: DDH)

Das Dilemma des Sachverständigen

Reiner Bachenberg stellte ein Fallbeispiel aus seiner Sachverständigentätigkeit vor, das zurückging auf einen Hagelsturm im Jahr 2023 in Süddeutschland. „Wie gehe ich damit um, wenn die Bewohner eines Doppelhauses unterschiedlich von ihren Versicherungen bewertet werden?“, wollte er von den Kollegen wissen. Unterschiedliche Regelungen und Vorschriften lassen Spielraum für Interpretationen. Die versicherungsrechtliche Vorgabe lautet: Zurückversetzung des Daches in den Zustand vor dem Schaden. Das GEG lässt ebenso unterschiedliche Betrachtungsweisen zu. Das DIBT sagt es deutlicher: Wenn Schalung extra zurückgebaut werden muss, muss die Wärmedämmung nicht ertüchtigt werden. Die Kollegen legten ihre Sichtweisen dar und waren sich in der Begutachtung weitestgehend einig – auch darin, dass Bachenberg mit seinem Vortrag einen guten Denkanstoß gegeben hat und in Zukunft weitere Fallbeispiele zur Diskussion gestellt werden sollen.

Ein Mann hält einen Vortrag vor einem Projektor, auf dem Text angezeigt wird.

Rechtsanwalt Thomas Schmitz, rechtlicher Berater des Dachdeckerverbands Nordrhein, war kurzfristig eingesprungen, um die Sachverständigen über das Widerrufsrecht für Verbraucher bei deren Beauftragung zu informieren. Es gilt ein Widerrufsrecht von 14 Tagen, ohne Widerrufsbelehrung von 12 Monaten. Auch eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist ein Verbraucher. Unternehmen haben kein Widerrufsrecht. Beim ZVDH gibt es im internen Mitgliederbereich Literatur zum Widerrufsrecht.

Den kompletten Beitrag lesen Sie in DDH 08.2025.

Ein Mann steht vor einer Präsentation über Brandschutz, die ein Bild eines Feuerwehr-Einsatzes bei einem großen Feuer zeigt.
Zur Vorsicht mahnt Marc Tornedde. Auch wenn ein Dach in der Prüfung von unten beflammt wird, kann es als schwer entflammbar eingestuft werden. (Quelle: DDH)
Ein Mann hält eine Präsentation und zeigt auf ein Flipchart.
Dachdeckermeister Eckard Hofmeister verwirklicht was andere malen: „Da hat einer eine Idee, kritzelt wie ein Fünfjähriger, und er weiß nicht wie es geht, nicht wie lange es dauert, nicht was es kostet – der heißt Architekt.“ (Quelle: DDH)
Ein älterer Mann mit Brille und grauem Haar trägt einen Anzug und steht in einem Raum.
Ein Fall, zwei Versicherungen – Reiner Bachenberg zeigte die Realität des Sachverständigendaseins. (Quelle: DDH)
Ein Mann hält eine Präsentation vor einem Flipchart in einem modernen Büro.
Thomas Schmitz rät: „Vermerken Sie auf der Widerrufsbelehrung, dass sie nur bei Verträgen mit Verbrauchern i.S.v. § 13 BGB gilt.“ (Quelle: DDH)
zuletzt editiert am 15. August 2025