Zwei Dachdecker bei der Fertigung eines Wandanschlusses am aufgehenden Gebäude mit heller Abdichtungsbahn unter einer Fensterbank
Die Anschlussarbeiten an die am Gebäude hochgeführte Abdichtung waren besonders herausfordernd. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)

Flachdach 2024-02-27T09:38:14.837Z Höchste Ansprüche in Grün

Flachdach: Hoch über der Stadt Heidelberg steht das neue Forschungszentrum für Elektronen- und Lichtmikroskopie. Der Haupttrakt erhielt eine extensive Begrünung, das als Umkehrdach ausgeführte bergseitige Dach neben einer Pflasterung in Teilbereichen eine intensive Begrünung, um hier einen Aufenthaltsbereich zu schaffen. Umgesetzt wurden die anspruchsvollen Dacharbeiten von der Marquardt GmbH aus Waghäusel.

An der Südwestflanke des Königstuhls liegt das Gelände des European Molecular Biology Laboratory, kurz EMBL. Hier ist nicht nur das Haupt­la­boratorium, sondern auch das Headquarter des von mehr als 20 Mitgliedsstaaten getragenen, inter­na­tio­na­len Grund­la­gen­forschungsinstitutes beheimatet. 2021 wurde nach zwei­jäh­ri­ger Bauzeit mit dem Forschungszentrum für Elektronen- und Lichtmikroskopie EMBL Imaging Centre eine weitere, in dieser Art weltweit führende Einrichtung eröffnet. Der Neu­bau stellt die Verbindung zwischen Wissenschaft und Natur her. Das spiegelt sich sowohl in der Architektur als auch in der Wahl der eingesetzten Materialien wider.

Klare Hülle für komplexe Strukturen

Den Schwerpunkt der gestalterischen Konzeption für den Neu­bau aus dem Hei­del­berger Büro gerstner + hofmeister architekten PartG mbB bildet die annähernd transparente Au­­ßen­hülle des Baukörpers. Sie ermöglicht Sichtbezüge und fließende Über­gän­ge zwi­schen innen und außen. Zentrales Element des in den Hang hineingeschobenen Kubus bildet die rund 6,5 Meter hohe, 28 Meter lange und 7 Meter breite Cryos-Halle, die Raum für bis zu vier hochsensible Elektro­nen-Mikro­sko­pe bietet. Sie ruht als zentraler Monolith im luf­tig-offenen Atri­um. Weitere gestalterische Elemente der sich eher zurück­halten­den Architektur sind Scheibe als Draufsicht und Linie als Seitenansicht der Scheibe, beide in Anlehnung an Ob­jekt­träger in der Mikroskopie. So verstehen die Architek­ten den Baukörper als passend geformte Hülle für die innen­lie­gen­den komplexen Strukturen und Funktionen. Im hellen Atrium genauso wie in den Büroräumen mit groß­flächigen Verglasungen ist Licht als gestalterisches Thema im neuen For­schungs­zen­trum für Licht- und Elek­tro­nen­­mikros­kopie omnipräsent. Es findet sich ebenfalls in den Re­flexionen und Licht­linien an den Glaskanten der dreh­ba­ren Glaslamellen oder über Inszenierungen an Raum­kanten und Be­klei­dungen sowie linienförmig an­ge­ord­neten Leuchten wieder.

Konstruktive Herausforderungen

Nicht nur die mehr als einen Meter dicke Bodenplatte aus Beton zur Vermeidung von Schwingungen unterhalb der Cryos-Halle und 12 weiteren Mikroskop-Räumen stellt eine konstruktive Besonderheit des Neubaus dar. Denn der in den Hang hineingeschobene Baukörper dient auf der Bergseite als Erschließung für ein ebenfalls neu errichtetes Nach­bar­ge­bäude. Sowohl zur Entsiegelung als auch aufgrund der vor­ge­ge­benen Nutzung wurden die Flachdachflächen begrünt. Während auf dem Haupt­­trakt eine extensive Begrünung angelegt wurde, erhielt das als Umkehrdach ausgeführte bergseitige Dach neben einer Pflasterung in Teilbereichen eine intensive Begrünung, um hier einen Außenbereich mit hoher Aufenthaltsqualität zu schaffen. Auch in einem kleinen Atrium, das Tageslicht in die mittlere Etage bringt, wurden Pflaster und Begrünung eingesetzt.

Abdichtung, Begrünung, Erschließung

Umgesetzt wurden die anspruchsvollen Dacharbeiten von der Marquardt GmbH Dächer & Fassaden aus Waghäusel. Als Abdichtung kam eine ho­mo­gen verschweißbare EPDM-Dach­bahn zum Einsatz. Un­ter anderem war die Salzbeständigkeit der Bahn ein Grund für die Materialauswahl. Denn um die Er­schlie­ßungs­we­ge im Winter eisfrei zu halten, könnten auch Auftausalze eingesetzt werden. In diesem Fall sollte die Abdichtung trotz erhöhtem Salzgehalt des Abwassers dauer­haft funktionsfähig bleiben. Darüber hinaus überzeugt dieses Dach­bah­nen­sys­­tem seit knapp 40 Jahren in nahezu allen Klimazonen der Welt durch wirtschaftliche Ver­ar­beit­barkeit, Ther­mo­elas­ti­zi­tät, Bi­tu­men­ver­träg­lich­keit, Dämm­stoff­neu­tra­lität und Weich­ma­­cher­frei­heit. Eigen­­schaf­ten wie eine hohe Che­mi­ka­lien­be­stän­­­dig­keit, die FLL-geprüfte Durch­­wur­ze­lungs- und Rhi­zom­­­fes­tig­keit sowie eine hohe Käl­te­­­fle­­xibilität bis ­­‑40 Grad Celsius machen das System quasi zu ei­nem Allrounder für na­he­zu alle Ab­dich­tungs­auf­gaben.

Homogen verschweißbar

Die Bahnen können nicht nur im vor­­­kon­fek­tio­nier­ten Nahtbereich, sondern an jeder ge­wünsch­­ten Stelle durch Er­wär­­mung mittels Heißluft ma­terial­ho­­mo­gen und fremd­stoff­­frei miteinander ver­schweißt wer­den. Diese pro­dukt­­spe­zifi­sche Eigenschaft ermöglicht qua­li­tativ hochwertige und „lu­pen­dich­te“ Naht­ver­bin­dungen. Hinzu kommt das vorbildliche öko­logische Profil des ge­sam­ten Systems. So ist die Dach- und Dich­tungs­bahn chlorfrei und auch frei von jeg­li­chen chlo­rier­­ten orga­ni­schen Verbin­dungen, Bi­tu­men oder Weich­ma­chern. Sowohl Nachhaltigkeit als auch das ökologische Profil dokumentiert die vom Institut Bauen und Umwelt (IBU) e.V. erstellte Um­welt-Pro­dukt-Deklaration (EPD). Darüber hinaus sind alle Bahnen mit dem CE-Zeichen als EPDM Dach- und Dich­­tungsbahn gemäß EN 13956 und EN 13967 ge­­­kenn­zeich­­net.

Nachhaltige Qualität im System

Neben der vlieskaschierten Dachbahn sor­gen die zwei Varianten VG und VGSK für nachhaltigen Brand­schutz. Bei­de Bahnen sind mit einer inte­grierten Brandschutzlage aus­ge­stattet und kön­nen ohne offene Flamme direkt auf un­ka­schie­rte EPS-Hart­schaum­plat­ten verlegt werden. VGSK verfügt zu­sätz­lich über einen syn­the­tischen Kle­be­com­­pound als Selbst­kle­be­schicht und lässt sich dadurch einfach und sicher verlegen. Darüber hinaus bietet der Hersteller ein kom­plettes Zubehör-System für nahezu alle Ab­dich­tungs­­­heraus­for­de­run­gen im Neubau oder bei der Sanierung. Dazu ge­hören Form­teile und Zubehörartikel wie zum Beispiel Innen- und Au­ßenecken, einteilige Manschetten für Rohr­durch­füh­run­gen, Verbundbleche für spezielle De­tail­aus­füh­run­gen und Solar-Schienen für die ballastfreie Montage von PV-Anlagen.

Extensive Begrünung als Auflast

Auf dem rund 2.000 m² großen Dach über dem Haupttrakt wurde die Abdichtung lose verlegt, da mit dem nachfolgenden Schichtenaufbau aus Trenn­vlies, Drainageplatten und -vlies, Substrat und Be­grü­nung genügend Auflast zur Lagesicherung der Bahnen vor­han­den ist. An den zwei zusätzlichen Aufbauten in der Flä­che führten die Dach­decker die Bahnen entsprechend hoch. Während auf dem einen Aufbau ebenfalls eine Dach­be­grünung angelegt wurde, nimmt der zweite die vier Licht­bän­der auf, die für eine optimale Belichtung des fast 9 m hohen Atriums sorgen. Sowohl zwischen den einzelnen Lichtbändern als auch an deren Anschlüssen zum Aufbau stellte das Marquardt-Team die notwendigen, komplexen Details mit der homogen verschweißbaren Premium-EPDM-Bahn von Alwitra her.

Objektbezogene Dachrandprofile aus Alu

Für den umlaufenden Dachrand kam ein speziell für dieses Objekt ebenfalls vom Hersteller gefertigtes, aus drei Elementen bestehendes Alu­mi­ni­um-Profil zum Einsatz. Der untere Teil überdeckt den An­schluss an die Fassade mit den markanten Glas­la­mel­len. Der mittlere Teil dient als fassadenseitige Blende der Attika­außenseite, während der obere Teil die Attikakrone über­deckt. Dank passender Halter und mit­ge­lie­ferten, stapelbaren Niveau­platten ließen sich die Dach­rand­profile auf der Attikakrone mit dem ge­forderten Quer­gefälle von 2 Grad fixieren. Unter den Profilstößen verhindern Stoß­ver­binder mit Doppellippendichtungen das Hinterlaufen der Ab­­deckung. Zudem wurden die Halter in der passenden Far­be pulverbeschichtet. So vermitteln die not­wen­di­gen Fu­gen ein optisch ansprechendes Ge­samt­bild der Dach­rand­ab­deckung. Die Abdeckungen selbst klickten die Dach­decker ein­­fach in die Halter ein. Auch die Außenecken wurden passend ge­schweißt und einbaufertig geliefert.

Umkehrdach als Basis

Auf dem bergseitigen Flachdach sicherten die Dachdecker das Bauwerk zunächst mit einer auf die Betondecke ver­legten bituminösen Dampfsperre, die auch als Not­ab­dich­tung diente. Jeweils vor der abschnittsweisen Verlegung der Abdichtung trugen die erfahrenen Dachdecker der Marquardt GmbH systemzugehörigen Haft­grund auf, um eine optimale Haftverbindung zur er­mög­lichen. Anschließend konnten die einzelnen Bahnen aus­ge­rollt, die Trennfolien entfernt und dank integrierter Selbst­kle­beschicht mit dem Untergrund verklebt werden. Die material­ho­mogene Fügung der Bahnen untereinander erfolgte mit ei­nem Schweißautomaten mittels Heißluft. An den die Dach­flä­che begrenzenden aufgehenden Bauteilen wurde die hoch­wertige Abdichtung hochgeführt und fixiert. Mit der Verlegung einer druckfesten Dämmung, einem Filter­vlies sowie den weiteren Aufbauten für die Pflasterung bzw. die ex- und intensive Begrünung fanden die Arbeiten auf die­sem Flachdach ihren Abschluss.

Ungewohnte Abdichtungsaufgabe

Eine abdichtungstechnische Besonderheit stellt die breite Außentreppe dar, die parallel zu der Treppe im Gebäude verläuft. Ihre Unterkonstruktion ist Teil des Bauwerkes – sie bildet einen Teil der Decke der Technikzentrale – und musste ebenfalls abgedichtet werden. Auch in diesem Bereich kam die EPDM-Dachbahn zum Einsatz.

Neuste Technologien

Zwei Jahre nach der Grundsteinlegung konnte das neue Imaging Centre im Sommer 2021 zunächst dem EMBL zur Inbetriebnahme übergeben werden. Es folgten Besuche von wissenschaftlichen Nutzern, Trainingsangebote sowie wissenschaftliche Symposien. Seit der offiziellen Eröffnung bietet das Imaging Centre welt­weit For­schen­den Zugang zu neuesten Mikroskopie-Technologien. Da­­für stehen dank der Kooperation mit führenden Tech­no­lo­gie­entwicklern aus Wissenschaft und Industrie voll­kommen neue, teilweise noch nicht kommerziell erhältliche Tech­no­lo­gien zur Verfügung.

Zeichnung für die Montage von Haltern für eine Attikaabdeckung
So sieht der Standardhalterabstand aus. Für die Berechnung müssen aber noch andere Einflüsse wie Gebäudehöhe und Windlastzone berücksichtigt werden. (Quelle: Alwitra)
Schnittzeichnung eines Dachrandprofils mit verschiedenen Schenkelmaßen
Dachrandprofil in den möglichen Ausführungen (Quelle: Alwitra)
Zwei Dachdecker bei der Montage einer hellgrauen Attikaabdeckung
Die Verkehrssicherungspflicht eines Gebäudes obliegt dem Grundstückseigentümer. Eine regelmäßige Kontrolle des baulichen Zustands eines Gebäudes ist obligatorisch. Auch Sturmfestigkeit des Gebäudes muss in diesem Zuge überprüft werden. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Flachdachfläche in Vorbereitung zur Aufnahme einer Dachbegrünung
Trennvlies zwischen der Abdichtung und der nachfolgenden Begrünung (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Drohnenaufnahme
Blick über das neue Imaging Centre des EMBL in Heidelberg (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Flachdach mit Shedaufbauten
Ein großer Aufbau nimmt vier Lichtbänder auf, die für eine optimale Belichtung des Atriums sorgen. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Zwei Dachdecker beim Montieren einer Alu-Schiene zur Randbefestigung einer Abdichtung
Beengte Verhältnisse herrschten bei der Randbefestigung der Flächenabdichtung an die am Gebäude hochgeführte Abdichtung. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Dachdecker bedient einen Schweißautomaten
Nahtfügung des Anschlussstreifens an die Flächenabdichtung mithilfe eines Schweißautomaten (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Drohnenaufnahme einer Baustelle mit Gebäude mit Flachdach
Während das obere Dach bereits abgedichtet ist und hier die Begrünung vorbereitet wird, ist im vorderen Bereich noch die Notabdichtung der Erschließungsebene zu erkennen. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Attika mit OSB-Platte bekleidet in Vorbereitung zur Aufnahme einer Alu-Abdeckung
Für den umlaufenden Dachrand kam ein speziell für dieses Objekt gefertigtes, aus drei Elementen bestehendes Aluminium-Profil zum Einsatz. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Hand mit Wasserwaage bei der Kontrolle eines Dachrandprofils
Zur fachgerechten Montage des Dachrandes gehört die regelmäßige Kontrolle nach dem Einbau des oberen Elementes. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Zwei Treppen rechts und links, mittig eine Rampe
Eine Besonderheit stellt die Außentreppe dar, deren Unterkonstruktion ebenfalls abgedichtet werden musste. Noch sichtbar die Abdichtung auf dem Baukörper unterhalb der breiten Außentreppe. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
zuletzt editiert am 27. Februar 2024