Interview: Asbest, Bitumen oder Dämmstoffe: Dachdecker belastet die Entsorgung von problematischen Abfällen – seit Jahren schon. ZVDH-Ausschussvorsitzender Recycling und Entsorgung, Mario Kunzendorf, erklärt, warum Theorie und Praxis in der Abfallentsorgung immer noch nicht zusammenpassen.
Das Thema Abfallentsorgung ist komplex. Was sind grundsätzlich die Parameter die Dachdecker bedenken müssen?
Mario Kunzendorf: Wir müssen verschiedene Themenbereiche abdecken: Technik – was ist im Bereich der Entsorgung machbar, Recht – welche Vorgaben gibt es von der Politik, und Unternehmensführung – wie setzen wir die Maßnahmen und Anforderungen in den Betrieben um.
Konkret ist das Problem der Anhaftungen weiterhin nicht gelöst. Warum ist das so?
Wenn Abfälle sortenrein sind, können sie recycelt werden. Bei verunreinigten Materialien funktioniert das jedoch nicht. Wir stehen im Dialog mit der Industrie und suchen nach Lösungen. Wir unterstützen mit Rat oder auch Materialproben derzeit zum Beispiel Forschungsprojekte im Bereich Bitumenbahnen, EPS- und Polyurethan-Dämmung, Kunststoff-Fenster mit Thermoholzkern oder auch Polycarbonatplatten.
Aktuell gibt es viele Entwürfe der Bundesregierung zur Thematik. Was kommt da auf die Handwerksunternehmen zu?
Es gibt Entwürfe zur nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie, zur Novellierung der Gewerbeabfallordnung und zur Gefahrstoffverordnung. Unsere Aufgabe im Ausschuss ist es, zu diesen Entwürfen Stellung zu beziehen und soweit irgend möglich auf die Politik Einfluss zu nehmen. Dabei arbeiten wir eng mit anderen Verbänden wie dem ZDH zusammen.
Wie helfen die Mitglieder konkret bei Problemen von Unternehmen?
Wir beraten kurzfristig bei akuten Problemen, verhandeln aber auch langfristige Lösungen wie Rahmenverträge mit Unternehmen, um die Entsorgung für Dachdecker-Betriebe zu erleichtern. Auch digitale Tools von Kammern und Verbänden können den Betrieben helfen, die Abwicklung zu vereinfachen. Bundesweite Lösungen sind aber selten möglich.
Liegt das Hauptproblem der Umsetzung in der Bürokratie, bedingt durch die föderale Struktur?
Ja, das ist leider das Hauptproblem. Vorschriften und Verordnungen werden vom Bund beschlossen, von den Bundesländern unterschiedlich interpretiert und von 300 Landkreisen nochmal anders umgesetzt. Im Ergebnis lernt der Dachdecker also nur: Bürokratie kennt keine Grenzen. In Teilen Norddeutschlands etwa werden aktuell nicht einmal Beprobungen von alten Bitumenbahnen verlangt, in Teilen Süddeutschlands akzeptiert man nicht einmal Verschnitt von Neuware. Dadurch können wir bislang kaum bundesweite Rahmenverträge mit Entsorgern schließen, weil nach Abzug aller Wackelkandidaten unter den Materialien vermutlich nur Altpapier übrig bleibt. Die Entsorgung ist derzeit nicht einmal innerhalb eines Bundeslands plan- und kalkulierbar.
War das schon immer so?
Die Wirtschaft wollte einst weg von der ortsgebundenen Andienungspflicht von Abfall. Diese Freiheit fällt uns jetzt leider auf die Füße. Aktuell entscheidet das Entsorgungsunternehmen, ob es den Gewerbeabfall annimmt oder nicht. Konkret gilt das auch für asbestbelastete Abfälle. Zwar ist der Weg der Demontage und Verpackung und Deponierung vorgegeben, aber kein Containerdienst ist gezwungen, überhaupt diesen Weg anzubieten. Auch die Preise sind dem freien Markt überlassen, auf Kosten der Dachdecker und ihrer Kunden.

Wie sollten sich Dachdecker in der Kommunikation mit den Bauherren verhalten?
Beide Parteien müssen gemeinsam einen Weg finden. Der Dachdecker ist Auftragnehmer und wird mit dem Abbruch des Materials mindestens Abfallerzeuger, falls in einer Ausschreibung entsprechend hinterlegt auch Abfallbesitzer. Wir empfehlen daher, daher, die Entsorgung in eigenen Angeboten als separaten Leistungstitel aufzunehmen, als Regie-Leistung mit Abrechnung nach tatsächlichem Bedarf. In Ausschreibungen ist das oft nicht möglich.
Allerdings kann man in einem Begleitschreiben auf ungenaue und damit unkalkulierbare Positionen hinweisen oder auch die Vergabestelle einbeziehen. Zudem fordern wir als Ausschuss, dass der Gesetzgeber das Veranlasser-Prinzip einführt und gesetzlich verankert. Das bedeutet: Der Auftraggeber wird verpflichtet, beispielsweise vor einer Sanierung eine Bestandsaufnahme zu machen, welche Stoffe in den betroffenen Bauteilen enthalten sind. So kann der Dachdecker im zweiten Schritt kalkulieren, was in Sachen Entsorgung auf ihn zukommt.
Also: Transparenz statt Blackbox.
Den kompletten Beitrag lesen Sie in DDH 10.2024.