Neumarkt: Anfang Juli wurde Neumarkt in der Oberpfalz zum Treffpunkt des Bayerischen Dachdeckerhandwerks. Im Mittelpunkt stand der fachliche Austausch über die Zukunft des Handwerks – verdeutlicht von Franz Josef Radermacher, der KI als Treiber der Job-Vernichtung ausmachte. Und Dachdeckern dennoch Hoffnung machte.
Mit rund 200 Teilnehmern fand Anfang Juli der 117. Landesverbandstag des Bayerischen Dachdeckerhandwerks in Neumarkt statt. Die Heimatstadt des ehemaligen Landesinnungsmeisters und jetzt Ehrenlandesinnungsmeisters A. Ewald Kreuzer erwies sich als lebendige Bühne für den Austausch. Auch für seinen Nachfolger, Landesinnungsmeister Mario Kunzendorf, war es ein Heimspiel – Kunzendorf ist zugleich Obermeister der Dachdecker-Innung Oberpfalz und Kreis Kelheim. Zum Auftakt trafen sich die Teilnehmer beim traditionellen Grillabend am Freitag im Hotel Park Inn – ein gelungener Rahmen für erste Gespräche unter Kollegen.
Die öffentliche Kundgebung stand unter dem Zeichen der E-Mobilität – und den Maßnahmen der noch neuen Bundesregierung. Auf Bundes- und Länder-Ebene gibt es bereits mehrere Kooperationen zwischen dem Dachdecker- und Elektrohandwerk. Dennoch sind die Bedingungen für den Ausbau von zum Beispiel PV-Anlagen alles andere als optimal für die Handwerksbetriebe: zu viel Bürokratie, zu viele Verordnungen – und aktuell die steigenden Energiekosten.
Landesinnungsmeister Mario Kunzendorf begrüßte am Samstag unter den Dachdecker-Unternehmern sowie Partnern aus Industrie und Handel auch ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk, Ehrenlandesinnungsmeister A. Ewald Kreuzer, Brandenburgs Landesinnungsmeister Karsten Kirchhoff, SOKA Dach-Vorstand Christian Schneider sowie die Geschäftsführer Norbert Hain (Hessen) und Thomas Münch (Sachsen).

Verordnungen belasten die Betriebe
Kritisch ging Kunzendorf auf die aktuelle Diskussion um die hohen Energiekosten ein. „Das ursprüngliche Wahlversprechen, Betriebe zu entlasten, wurde einfach gebrochen“, so Kunzendorf. Zudem machten zahlreiche Vorschriften das Bauen teurer, aber nicht unbedingt besser. Kunzendorf kritisierte, dass sich der bürokratische Mittelbau zunehmend von den Interessen der Wirtschaft und dem Auftrag der Politik entkopple. Teils in absurdem Ausmaß. Als Beispiele nannte er die neue Verpackungsverordnung, für die man aktuell auf EU-Ebene nach einer Formel zur Berechnung des zulässigen Restluftraums in Verpackungen suche.
Inakzeptabel war auch das Vorgehen bei den neuen, gesetzlich vorgegebenen Praxischecks für die Novellierung der Gewerbeabfallverordnung. Der Praxischeck wurde zu einem Zeitpunkt veranlasst, als Änderungen an der Novellierung nicht mehr vorgesehen waren, geprüft wurde ferner nur ein Formular aus dem Anhang, nicht die Verordnung selbst. „Dem bürokratischen Mittelbau ist heute egal, wer über ihm regiert“, folgerte Kunzendorf. Ein Dauerthema bleibt ferner die unsachgemäße Montage von PV-Anlagen durch Solarteure. „Das erhöht die Brandgefahr und verursacht Schäden. Wir als Dachdecker wollen Bauherrn durch Aufklärung vor dubiosen Anbietern schützen“, so Kunzendorf.

Grußworte kamen von der 2. Bürgermeisterin der Stadt Neumarkt, Gertrud Heßlinger, die den Stellenwert der Dachdecker als Klimahandwerker betonte.
Einen Parforce-Ritt durch Pläne und Projekte des Verbands lieferte ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk. Er betonte die Änderungen im Abgrenzungsleitfaden zwischen IHK und HWK in Sachen Solartechnik. Nunmehr sei klargestellt, dass für die Montage von Solaranlagen das eingetragene Handwerk notwendig sei. „Das ist ein Verdienst des Dachdeckerhandwerks und bedeutet mehr Sicherheit für die Bauherren“, so Bollwerk. Diesen Erfolg gegen die Interessen mancher IHK-Betriebe zu verteidigen, bleibe eine Daueraufgabe. Ebenfalls aktuell: Zusammen mit dem ZVSHK und den Schornsteinfegern bildet der Zentralverband eine Taskforce „Gebäudetechnik“. Deutliche Worte fand Bollwerk zu den Plänen des Bauministeriums, konkret zum Gebäudetyp E. „Auch hier soll viel gespart und vereinfacht werden, wir befürchten allerdings, dass das zulasten der Qualität geht“, so Bollwerk.

Professor Rademacher: Kritik an einer absurden Klimapolitik
Im Zentrum der öffentlichen Kundgebung stand der Vortrag von Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher. Der Wissenschaftler ist ein gerngesehener Gast bei Dachdeckern, zum Beispiel beim Dachdecker-Tag 2017 in Bonn. Unter dem Titel „Zukunft der Wirtschaft – Zukunft des Handwerks“ stellte er aktuelle Entwicklungen – mit Blick auf die mittelständischen Handwerksbetriebe – vor und übte deutliche Kritik am Wirtschaftsstandort Deutschland. Zum Start der neuen Bundesregierung sagte er: „Das Problematische ist: Kanzler Merz ist gefangen in seiner Koalition, er kann an vielen Stellen nicht so agieren, wie er möchte. Dafür werden wir bluten müssen“, betonte Radermacher. „Konkret ist auch eine absurde Klimapolitik dafür verantwortlich, dass wir in Deutschland nicht weiterkommen. Denn der Klimawandel ist ein globales Problem, das können wir nicht vor Ort lösen.“ Mögliche Einsparungen in Europa wiegen laut Radermacher den laut Pariser Klimaabkommen zulässigen Zuwachs an Kohlendioxid-Ausstoß in den Schwellenländern nicht auf. „Aktuell zahlen wir 2.000 Euro, um in Deutschland eine Tonne CO2 einzusparen – da werfen wir das Geld raus“, warnte der Mathematiker. In Afrika beispielsweise sei eine Tonne CO2-Einsparung für 50 Euro zu haben. Sein Vorschlag: Den Süden stark machen mit einer Kombination aus „allen steuerbaren Energien“, zu denen Radermacher fossile Energien in Verbindung mit Carbon Capture Storage (CO2-Abscheidung und Speicherung), nukleare und erneuerbare Energien rechnet. „Nur so können wir das Klimaproblem lösen“, sagte der Professor.
KI als Treiber der Job-Vernichtung
Auch zum Thema Wettbewerb sprach der Experte Klartext: „Es gibt viele im politischen Umfeld, die wollen, dass wir verarmen. Diese Politiker wollen kein wettbewerbsfähiges System. Auch deshalb sollen keine Noten oder Urkunden bei den Bundesjugendspielen mehr vergeben werden“, so Radermacher. Zum Thema KI sagte der Mathematiker: „KI kann vor allem Funktionen des praktischen Lebens effizient gestalten. Allerdings werden viele Jobs wegfallen, zum Beispiel in der Medizin, in juristischen Prozessen: KI ist ein Treiber der Job-Vernichtung.“ Die positive Nachricht für Dachdecker: Jobs, die die Hand brauchen, werden davon nicht betroffen sein.
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