Steildach: Ein altes Gebäude, neue Energievorschriften und ein Kernsanierungsprojekt: Dachdeckermeister Christian Handwerk erhielt den Auftrag, den Dachstuhl eines Wohnhauses an die aktuellen Energiestandards anzupassen ohne äußerlich etwas verändern zu dürfen.
An die sogenannte Alte Schmiede in Scharrenbroich, Baujahr 1882, wurde 1921 ein Wohnhaus angebaut, in bergischer Bauweise. Das mehrgeschossige Wohnhaus, das anscheinend der historisierenden Bewegung im Rahmen der Heimatschutzarchitektur des 20. Jahrhunderts und des Neubergischen Stils folgte, prägt das Stadtbild. Das Gebäude stellt eine Mischbauweise aus Ziegelmauerwerk im Reichsformat im Keller und Erdgeschoss dar, sowie eine Fachwerkbauweise aus tragenden Holzelementen und Bimssteinen in den Obergeschossen.


Beprobung Klimamembran
Altersgemäß sind am Dachstuhl viele Balkenlagen und Verkastungen vorhanden, diese gilt es luftdicht anzuschließen. Beim Anschließen einer Luftdichtheitsschicht mittels Klimamembran ist darauf zu achten, dass dieses überall lückenlos geschieht. Es bedeutet, dass kein Luftkanal vom Innenraum in den Dachraum eindringen darf. Diese Stelle kann zu einem Konvektionsschaden führen, der die Bausubstanz erheblich angreifen kann.
Auf der Suche nach dem richtigen Hilfsmittel für diese schwierigen Details hat Handwerk sich im Markt umgehört und sich dazu entschieden, eine Abdichtungspaste zu verwenden. Beprobung war das Motto, um sicherzustellen, dass diese Details auch später im angewandten Zustand auf der Klimamembran halten. Die Proben wurden in der Werkstatt der Firma Handwerk hergestellt und innerhalb von 4 Tagen auf Herz und Nieren von dem Dachdeckermeister getestet. Nachdem ein Ergebnis vorlag, mit dem Handwerk zufrieden war, legte er los. An Stellen, wo es sich als sinnvoll erwies, stellte Handwerk zwischendurch schon Flüssigkunststoffecken her, um im Nachgang an diesen Stellen Gewissheit zu haben, dass die Luftdichtheit auch zu 100 % vorhanden ist. Wie zum Beispiel an den Aluminiumschienen für den Trockenbau, welche schon vormontiert waren. Diese wurden demontiert, um darunter eine durchgehende Luftdichtheitsschicht herzustellen, und im Nachgang wieder montiert. Alle Balken wurden vor dem Anschluss an die Klimamembran gereinigt und mit einer Luftdruckpistole behandelt, sodass auch die Rillen im Holz staubfrei waren und der Kleber in der letzten Ecke Halt fand.


Feuchtigkeitspufferzone für die Tauphase
Grundsätzlich ist die „Alte Schmiede“ keine Ausnahme, denn erhaltenswerte Gebäude aus diesem Baujahr oder auch jüngere Gebäude haben alle eines gemeinsam: Sie sind nicht ausreichend gedämmt, haben eine zu geringe Sparrenhöhe und sind verwinkelt gebaut. Groß und geräumig war damals nicht das Motto, die Menschen waren kleiner, genau so wie die Ansprüche an Gebäude. Diese Schmuckstücke der Historie lebten so lange, weil sie einen starken Luftaustausch ermöglichten. Nach einer energetischen Sanierung auf der Basis neuster Standards muss dieser Luftaustausch aber kontrolliert stattfinden. Die Probleme, die bei einer solchen Modernisierung auf das Gebäude zukommen, bedürfen schon in der Planungsphase genauer Klärung. Historische Gebäude wurden nicht mit einer Feuchtigkeitspufferzone für die Tauphase hergestellt, und die damalige Architektur erschwert das moderne Sanieren. Für Altbausanierungen sollte sich der ausführende Betrieb unbedingt das nötige Know-how aneignen und die Materialien mit Bedacht auswählen, um keine Bauschäden durch die Modernisierung zu verursachen. Zum Einsatz kam eine Klimamembran, die an den Detailpunkten mit einer pastösen Funktionsbeschichtung angeschlossen wurde. In der Regel sollte der Dachdecker im System arbeiten. Hier wurden jedoch Materialien von zwei Herstellern kombiniert. Die Erlaubnis dazu hat Christian Handwerk sich vorher eingeholt und die Funktionalität schriftlich bestätigen lassen.

Funktionsbeschichtung darf nicht unter +5 °C
Die Funktionsbeschichtung darf nicht unter +5 °C verarbeitet werden. Der Dachboden war selbst in den Wintermonaten so temperiert, dass die Verarbeitung möglich war. In den Flüssigkunststoff muss eine Trägereinlage aus Vlies eingebracht werden, um Spannungen auffangen zu können. An den Anschlüssen ist mit dem Vlies so umzugehen, wie man es von den verwandten Produkten für den Außenbereich kennt. Eine Fingerprobe war nicht nötig, um zu kontrollieren, ob das Material bereits durchgetrocknet ist, denn es zeigt dieses mit seiner Farbe an. Im flüssigen Zustand ist es hellblau, im durchgetrockneten Zustand verändert es seine Farbe in ein dunkles Blau.



Tücken im Detail
Beim Ausführen der Detailabdichtungen muss der Dachdecker besondere Sorgfalt walten lassen, denn durch hastiges Arbeiten an diesen kritischen Punkten können Luftkanäle entstehen, die einen Konvektionsschaden hervorrufen können. Der Schaden, der durch Luftmitführung durch eine kleine Lücke in der Klimamembran entsteht, kann große Mengen an Wasser in den Dachaufbau einfließen lassen. Dieses Wasser kann der erste Schritt zum Schimmel und zum Zerfall des Dachstuhls sein.
Sascha Schornstein
Den kompletten Beitrag lesen Sie in DDH 05.2022.