Porträt: Wenn Unternehmerinnen zahlreiche Projekte managen und sich dann noch um den Nachwuchs kümmern müssen, ist oft Stress vorprogrammiert. Bei Oster Dach+Holzbau fängt die Familie das ab. Dachdeckermeisterin Madeleine Peterson-Oster bringt nichts aus der Ruhe, dabei bewältigt sie eine Menge.
Johannes Messer
Bei der Planung zum Treffen geht es ein paar Mal hin und her. Erst nochmal eine Corona-Welle, dann Glatteisgefahr und Schneeeinbruch an der Mosel. Am Telefon schlägt Madeleine Peterson-Oster als Treffen einen Samstag vor, da muss ich passen. Ende Januar klappt es mit dem Besuch. Im kleinen Industriezweig von Bernkastel-Kues fügt sich die schöne moderne Architektur von Oster Dach+Holzbau in die Landschaft. Große Holzbauten dominieren, im Eingangsbereich gibt es Bücher, zahlreiche Broschüren über Bauen mit Holz. Man sieht und riecht den Holzbaubetrieb.
Tochter mit bei Terminen
Die zweifache Meisterin und Holzbauingenieurin wohnt praktischerweise direkt über dem Büro, Bruder Laurin um die Ecke. Da sind Mutter Karin, ebenfalls Dachdeckermeisterin, die Brüder Laurin und Simeon, die eigene 5-jährige Tochter Elisa, und überall wuselt seit Neuestem noch Hündin Sky herum. „Wenn wir uns morgens treffen, ist das gleich ein Umschlagplatz“, so Madeleine Peterson-Oster. Jeden Mittag wird gemeinsam gegessen.
Es geht zu, wie man das von einer Großfamilie kennt – fast eine Art Bauernhof. Alle haben ihre festen Aufgaben, jeder hilft jedem. Doch die Doppel-Meisterin trennt Beruf und Arbeit kaum. „Gestern Abend habe ich noch eine Rechnung um 23.00 Uhr fertiggemacht, das war mir wichtig“, sagt sie. Ihre Tochter nimmt sie schon mal mit auf Termine. Wenn es gut geht, klappt es, wenn nicht, dann fahren die beiden eben früher nach Hause. Dennoch kommt die Unternehmerin erstaunlicherweise entspannt rüber. Trotz und gerade wegen der Großfamilie, die alles abfängt, aber auch fordert. Denn es gibt bei Osters viel zu tun. Die Aufträge stapeln sich bereits jetzt bis in den Sommer hinein.
Obwohl der Kundenradius meist höchstens 30 Kilometer beträgt, ist der schmucke Firmensitz imposant. Zunächst einmal ist da der Platz, die Weite zwischen Weinbau und Hunsrück. Nach meiner Ankunft gehen wir erst einmal über das Gelände mit den zahlreichen Hallen und Holzwerkzeugen. Riesige Trecker warten auf ihren Einsatz, in einer Halle steht ein Pritschenwagen auf einer Hebebühne. „Da basteln die Jungs dran“, lacht Peterson-Oster und meint die Brüder Simeon und Laurin. Dennoch ist es in den Hallen aufgeräumt und übersichtlich. Dachdecker- und Zimmererhalle unterscheiden sich natürlich, aber die Gewerke gehen schon oft ineinander über. „Mein Vater wollte schon immer die Schnittstellen am Dach möglichst gering halten, und dann hat sich das so entwickelt“.
Nachhaltigkeit ohne Label
Seit rund drei Jahren engagiert sich die Dachdeckermeisterin im ZVDH-Fachausschuss Nachhaltigkeit – das also auch noch. Das Thema ist wichtig, polarisiert aber. Denn viele Menschen wissen nicht, was tatsächlich nachhaltig ist oder nur Greenwashing. Vor Dachdeckern und Dachdeckerinnen hat sie bereits auch schon Vorträge gehalten und versucht das komplexe Thema auf die Dachdecker-Unternehmer herunterzubrechen. „Im Grund ist es nicht so schwierig. Die regionale Beschaffung von Bauprodukten, die Genossenschaften in der Gegend, die Mülltrennung, Recycling und auch die Kunden, die wir vor Ort erreichen – all das ist doch nachhaltig. Die meisten von uns arbeiten ja seit Jahren so, lange bevor es das Etikett gab, manche vielleicht ohne das groß zu propagieren“, sagt Oster.
Aufklären, ohne zu belehren
Das ist auch die Intention im Ausschuss für Nachhaltigkeit. Zum Beispiel bei energetischen Beratungen im Kundengespräch einfach noch eine Variante mit anbieten, die nicht immer die günstige ist. „Wir wollen den Betrieben die Furcht vor dem Schlagwort nehmen. Besonders Dämmstoffe sind ja sehr komplex, alleine schon das Thema Recycling. Das weiß die Zimmermeisterin aus Erfahrung, die vorwiegend auf ökologische Materialien setzt, dort, wo es passt. „Eine Holzfaser-Dämmung bringt mir ja nichts, wenn sie im Erdbereich weggammelt “, ergänzt sie. Gemeinsam mit einer Hochschule erstellen die Mitglieder aktuell gerade einen Leitfaden zu Dämmstoffen, der erklären soll, wie Dachdecker die Materialien unterscheiden und dann nachhaltig und konkret im Unternehmen einsetzen können. So wie eben bei Oster Dach+Holzbau.
Solar nur mit Konzept
Beim Thema Nachhaltigkeit kommt man schnell auf PV, eher eine Nische bei den Osters. „Natürlich gehört die gedankliche Planung der Solar-Anlage für uns mit dazu. Statik und Eindeckmöglichkeiten werden bei Dachsanierungen und auch bei Neubauten durch die passende Auswahl der Schichten und Materialien immer mit berücksichtigt und beraten, die Auslegung und den Großteil der Umsetzung belassen wir aber dann bei den Partnerbetrieben im Elektrohandwerk. Wir übernehmen nur die Eindeckung. Und so arbeiten wir eigentlich schon partnerschaftlich seit der letzten PV-Welle vor 20 Jahren“, so Peterson-Oster.
Auch im Bereich Nachwuchssuche hat das Unternehmen einen pragmatischen Ansatz. Die aktuell viel diskutierte 4-Tage-Woche nimmt die junge Mutter natürlich wahr. Aber auch sieht sie das im eigenen Unternehmen noch nicht umsetzbar. „Ruhepausen sind grundsätzlich wichtig im Handwerk, weil es einfach immer noch körperliche Arbeit ist, und das dann oft noch unter extremen Temperaturbedingungen“, berichtet sie. „Wir brauchen die Zeit in einer Woche, um die Flächen wieder dicht zu bekommen. Arbeiten die Jungs 10 Stunden am Tag an 4 Tagen statt 8 an 5, ist das ja unterm Strich die gleiche Zeit, die körperliche Leistung muss nur komprimierter abgerufen werden, und das halten wir nicht für sinnvoll, gerade im Sommer“, berichtet die Dachdeckermeisterin.
Den Draht zum jungen Dachdecker-Nachwuchs hat die Unternehmerin schon früh gesucht. Seit es die Initiative gibt, ist Madeleine Peterson-Oster dabei: Zukunft Dachdecker, die Jugendorganisation des Dachdecker-Verbands Rheinland-Pfalz. Mittlerweile ist sie im Juli selbst zweifache Mutter, dennoch gefällt ihr der Austausch mit den Kollegen und Kolleginnen.
Dazu passt auch die Haltung zur Digitalisierung – so viel wie nötig, aber ohne Zwang. „Wir wollen zum Beispiel nicht von der Baustellen-Mappe weg. Das hat sich einfach bewährt, schnell mal etwas hinzuzeichnen. Unser Handwerk lebt ja auch davon, dass wir einfach mal etwas skizzieren und mit der Hand aufschreiben“, betont die Zimmermeisterin.
