Bei der Montage von vorgehängten hinterlüfteten Fassaden kann es zu Einsprüngen, Abplatzern oder minimalen Abweichungen des Deckwerkstoffes kommen. Betrachtet der Kunde die Abweichung mit der Lupe, erscheint sie sehr groß. Doch ab wann ist es ein Mangel und was ist zumutbar?
Das Problem der Mängelbehauptung vermeintlich visueller Beeinträchtigungen an vorgehängten hinterlüfteten Fassaden ist weitverbreitet. Hier eine Kitsche, da ein Lack- oder Oberflächenabplatzer – schnell sagt der Kunde: „Bitte tauschen oder sonst kein Geld.“ Doch wie sieht es genau aus mit dem Mangel? Die allgemein anerkannten Regeln der Technik definieren insofern keine optischen Abweichungen, respektive optische Mängel. Zur Beurteilung von möglichen optischen Beeinträchtigungen an Fassadenbekleidungen sind deshalb die einschlägige Literatur sowie tangierende Regelwerke zu Rate zu ziehen.

Nachbesserung, Preisabzug oder tolerierbar
Insbesondere war das Aachener Institut für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik, hier namentlich mit Herrn Professor Oswald, sehr häufig in solche Untersuchungen und Bewertungen involviert. Hierzu können auch die von Herrn Prof. Dr. Oswald herausgegebenen Bücher (Hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Gebäuden) herangezogen werden. Weiter gibt es diverse Veröffentlichungen, gerade von dem Aachener Institut für Bauschadensforschung. Es gibt ein Statement von Dipl.-Ing. Wolfgang Prestinari, beratender Ingenieur und Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, der in seinem Praxisseminar Fassadenbau das Thema Baumangel und Bauschaden abgrenzt. Bei Prestinari wird unterschieden zwischen:
- hinzunehmenden Unregelmäßigkeiten (unbedeutender Mangel, zum Beispiel Bagatelle), die weder eine Nachbesserung noch einen Preisabzug begründen.
- Nachzubessernde Mängel, welche durch Nacharbeit oder Wandlung restlos zu beseitigen sind. Dies begründet eine deutliche Abweichung vom Sollzustand mit negativer Auswirkung.
- oder Hinnehmbare Abweichung (geringfügiger Mangel), der nachzubessern oder durch Minderung abzugelten ist.
In diesem Schriftstück erläutert Pestinari unter anderem anhand von einer Tabelle die Einordnung in die oben angegebenen drei Fälle. Subsumierend kann danach festgestellt werden, dass ein kaum erkennbarer geringfügiger Grad der Beeinträchtigung bei einer eher unbedeutenden oder gar unwichtigen optischen Bedeutung des Gebäudes zu den Bagatellfällen gehört. Wie dies letztendlich beurteilt werden soll, stellt zum Teil eine subjektive Bewertung dar.
Gebrauchsübliche Betrachtungsabstände sind entscheidend
Hierzu können die allgemein anerkannten Regeln der Technik, die Fachregeln des Deutschen Dachdeckerhandwerks herangezogen werden, in denen zum Beispiel bei der Ziegelregel eindeutig definiert ist: der gebrauchsübliche Betrachtungsabstand. Bezüglich des gebrauchsüblichen Betrachtungsabstands erläutert auch das Aachener Institut für Bauschadensforschung dessen Bedeutung. Insbesondere werden vom Aachener Institut für Bauschadensforschung die Abstände definiert und festgelegt. So ist zum Beispiel der gebrauchsübliche Betrachtungsabstand für eine Dacheindeckung mit 6 m bis 10 m im Dachdecker-Regelwerk definiert. Dem schließt sich das Aachener Institut für Bauschadensforschung ebenfalls an. Für Fassadenbekleidungen geht man davon aus, dass der Abstand bei einer hochwertigen Fassade mindestens 1 m betragen muss. Hilfsmittel wie Lupen etcetera sind naturgemäß bei dieser Betrachtungsweise nicht einzusetzen. Bei den üblichen Tabellen und Matrizes, welche einen Abweichungsgrad definieren sollen, spielt es auch eine große Rolle, von welchem Bereich aus die entsprechende Fassade zu sehen ist. Dies bedeutet zum Beispiel, dass repräsentative Eingangsbereiche einer höheren Qualitätsanforderung unterliegen, als zum Beispiel Seitenbereiche, oder rückseitige Eingänge. Das Aachener Institut für Bauschadensforschung erläutert folgende Anforderung – Zitat:
„Werden zum Beispiel an die Ebenheit, Farbgleichheit, an eine bestimmte gewünschte Oberflächenstruktur und Ähnliches besonders hohe Anforderungen gestellt, so sollten diese Anforderungen vorab ausdrücklich vertraglich einzeln vereinbart werden.“
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Sie kennen das seit Jahren: Probleme mit PV-Anlagen oder zum Beispiel feuchten Untergründen. Wie Dachdecker diese Anforderungen, gemeinsam mit Sachverständigen, in der Praxis bewältigen, erfahren Sie bei uns – von Dachdeckern für Dachdecker geschrieben.
Nicht jede visuelle „Kleinigkeit“ ist direkt ein Mangel
Weiter wird dann kommentiert, dass es die Aufgabe des fachkundigen Vertragspartners ist, diese Sonderwünsche auf Realisierbarkeit zu überprüfen. Daraus erkennt der Fachmann das, was der erfahrene Baupraktiker schon weiß, nämlich dass eine unter Baustellenbedingungen hergestellte vorgehangene Fassade praktisch nicht ohne geringfügige Beeinträchtigungen zu verlegen ist. Eine Bewertung ist schwierig und sicher auch subjektiv, aber nicht jede Kleinigkeit stellt einen Mangel dar. //