Photovoltaikanlage auf Flachdach eines Bürogebäudes in Bonn
Der Bonner Reiseveranstalter Phoenix Reisen GmbH produziert jetzt seinen eigenen Strom. Großflächige Dachöffnungen wie bei anderen statischen Befestigungssystemen waren nicht notwendig. Es findet keine Lastabtragung über die Dachbahn statt. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)

Solar 15. May 2023 Mehrfachnutzen ohne Ballast

Photovoltaik: Die Installation einer Photovoltaik-Anlage nach Flachdach-Sanierungen erfolgt üblicherweise mit ballastierten Montagesystemen. Welche Möglichkeiten aber hat der Dachdecker, wenn die Statik des Gebäudes diese Möglichkeit ausschließt? Dachdecker Franz Jacobi aus Königswinter löste das Problem mit einem neuen, patentierten und mittlerweile vom DIBt zugelassenen Systemhalter.

Bei Neubauten und auch im Bestand lassen sich Dachflächen zur Erzeugung von Strom aus Son­nen­energie nutzen. In beiden Fällen sind neben einer ob­jektbezogenen Vorplanung auch die fachtechnisch ein­wand­freie Ausführung der Garant für einen dauerhaften Einsatz. Die Installation einer PV-Anlage im Rahmen der Sanierung meh­rerer Pultdachflächen auf einem Bürogebäude in Bonn ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch solche Maßnahmen in die Hände von Dachdeckern gehören.

Mehr Nutzen nach Sanierung

Fast 50 Jahre ist der Bonner Reiseveranstalter Phoenix Reisen GmbH schon in der Tourismusbranche tätig. Reisen, selbst in entfernte Winkel der Welt, gehören für die Ver­anstalter von Hochsee- und Flusskreuzfahrten einfach zum Leben dazu. Genauso wie Umweltschutz und Nach­haltig­keit. Regelmäßige Investitionen in modernste Anlagen- und Mo­to­rentechnik, Verzicht auf Schweröl, energiesparende Tech­nik und ausgleichende CO2-Zertifikate sind nur einige Bei­spie­le für das Umweltengagement des Reiseveranstalters. Auch in der Zentrale des Fami­lien­un­ter­neh­mens, einem vier­geschossigen Gebäude in un­mit­tel­barer Nähe zum Rhein, spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Neben einer eige­nen Trinkwasseranlage erzeugt ein Dachs Block­heiz­kraft­­werk mit Kraft-Wärme-Kopplung Strom und Wär­me und sorgt für eine effiziente Energie­be­reit­stel­lung. Deshalb lag es nahe, im Rahmen einer anstehenden Sa­nierung der Dachflächen des Bürogebäudes, zusätzlich eine PV-Anlage zu installieren. Undichtigkeiten an der Steh­falz­deckung der drei Pultdachflächen machten einen Austausch der Dachabdichtung notwendig, um größere Schäden am Gebäude zu vermeiden. Planerisch begleitet wurde die im Jahr 2022 ausgeführte Maßnahme von Architekt Hartwig D’hein aus Alfter.

Passendes Flachdachsystem

Im Zuge der Sanierungsplanung fiel zunächst die Ent­schei­dung, die Dachflächen nicht erneut mit Zinkscharen zu be­kleiden. Alternativ sollte eine Kunststoff-Dach- und Dich­tungsbahn zum Einsatz kommen. Mit Blick auf eine un­kom­pli­zierte Montage der geplanten PV-Anlage fiel die Wahl auf eine EVA-Dach- und Dichtungsbahn. Passend zur Flächenabdichtung bietet der Hersteller eine patentierte Mon­ta­ge­schiene an, mit der PV-Module ballast­frei und lagesicher auf Warmdächern mit Kunststoffabdichtung installiert werden können. Eine zuvor in Erwägung gezogene ballastierte PV-Anlage schied aus statischen Gründen aus.

Rückbau für Neues

Mit den Dacharbeiten wurde der Dachdeckerbetrieb Franz Jacobi aus Königswinter beauftragt. Nach der vor­schriftsmäßigen Einrüstung des Gebäudes entfernten die Fachhandwerker zunächst die vorhandenen Metallscharen sowie die darunter befindlichen bituminösen Schalungsbahnen auf den Dachflächen mit einer Neigung von 5 Grad. Auf die so freigelegte Tragschicht aus Rauspundbrettern verlegten sie im nächsten Sanierungsschritt eine Dampfsperre, gefolgt von einer 100 Millimeter dicken Dämmplatte aus Mineralwolle. Die ab­schließende Abdichtung aus 1,5 Meter breiten Bahnen in 1,5 Millimeter Dicke fixierten die Dachdecker im überlappenden Saumbereich gemäß dem objektbezogenen Befestigungsplan. In den Dachrandbereichen sorgen zu­sätzliche Befestiger, die nachträglich mit einem materialhomogenen Anschlussstreifen überschweißt wur­den, für die notwendige Windsogsicherung. Mittels Heißluft-Schweiß­auto­maten wurden die einzelnen Bahnen untereinander ge­fügt. Seit mehr als 50 Jahren überzeugt die homogene Dicht­schicht der Bahnen mit ihrer Hochpolymerlegierung aus Ethylen-Vinyl-Acetat-Terpolymer (EVA) und Polyvinylchlorid (PVC) bei allen einla­gigen Abdichtungen. Mit einer Verstärkung zwischen vollwertiger Dichtschicht auf der Ober- und Unterseite zeigt sich die Bahn robust und widerstandsfähig.

Objektbezogener Planungsservice

Neben dem objektbezogenen Befestigungsplan zur Wind­sog­sicherung der neuen Abdichtung lieferte der Flachdachsystemanbieter auch eine Belegungsplanung für die vorge­sehene PV-Anlage mit dem bauseits gewünschten Photovoltaik-Modultyp. Zur Verwendung der neuen Montage­schiene erstellte der Hersteller im Rahmen seines kostenlosen anwendungstechnischen Service eine statische Vorbemessung zu den zusätzlichen durch den Photovoltaik-Generator auf das Dach einwirkenden Kräften. Dies ist insbesondere für den Tragfähigkeitsnachweis durch den bauseitigen Statiker relevant. Die Montageschiene be­­steht aus einem Dämm­stoff­kern, einer Aluminium-Tragschiene, einem Formteil zur Abdichtung, ei­nem Aluminium-Deckprofil sowie einem Edelstahl-Formteil zur Aufnahme des mitgelieferten Edelstahlhalters. Besonderer Vorteil der patentierten Schiene ist neben der homogenen Einbindung in die Flächenabdichtung und der ballastfreien und lagesicheren Befestigung der PV-Module auf den Dachflächen die klare Gewerketrennung. Denn bei der finalen Mon­tage der PV-Module greift der Solarteur nicht mehr in das Dach­gewerk ein.

Keine Last mit der Last

Zur Installation der Montageschienen wurden zunächst de­ren exakte Positionen auf der jeweiligen Dachfläche von den Dachdeckern ausge­messen. Als Grundlage diente auch hier die Vorplanung des Herstellers. Anschließend konnten die montagefertig gelieferten Schienen in der Tragschicht ver­schraubt werden. Hierzu klappte der Dachdecker das über­lap­pende Abdichtungs-Formteil an der Längsseite zurück und legte so die Aluminium-Trag­schiene frei. In der vorgeformten Ver­tiefung wurden die Sys­tem­schrauben aus Edelstahl angesetzt und durch die Schiene hindurch in die Trag­scha­lung aus Holz verschraubt. Die Fixierung in den Untergrund er­folgte auf beiden Seiten der Tragschiene. Abschließend konnte das Formteil mittels Heiß­luft ma­terial­ho­mo­gen mit der Flächen­ab­dichtung ver­schweißt werden. Über die mechanische Verankerung in der Trag­schicht wer­den die durch den Photovoltaik-Aufbau auf­tretenden Schub-, Druck- und Zugkräf­te aus der Ab­dich­tungsebene sicher in den tragenden Untergrund ab­ge­lei­tet.

Kabelführung im System

Noch bevor die PV-Module installiert wurden, verlegten die Dachdecker Kabelkanäle zur vorgeschriebenen Solar­kabel­führung oberhalb der wasserführenden Ebene. Hier kam ein pas­sendes Kabelführungssystem mit Montagefüßen zum Einsatz, das durchdringungsfrei auf der Kunst­stoff­dach­ab­dichtung verlegt wurde. Die abschließende Installation der PV-Module auf der an den Montageschienen fixierten Tragkonstruktion übernahm eine Elektrofachfirma, ebenso wie deren Anschluss an die Wechselrichter.

Planung und Ausführung Hand in Hand

Vorausschauende Planung, optimal aufeinander ab­ge­stimmte Systembauteile und objektbezogener Service ermöglichten nicht nur die notwendige Sanierung der 550 Quadratmeter umfassenden Dachflächen auf der Bonner Zentrale der Phoenix Reisen GmbH, sondern auch die Installation einer PV-Anlage. Dank der engen Zusammenarbeit zwischen Bau­herr, Planer, Dachdecker und Hersteller entstand so in un­mit­telbarer Rheinufernähe ein weiteres multifunktional ge­nutztes Flachdach.

Sven-Erik Tornow

Flachdach mit älterer Holzschalung, teilweise abgedichtet mit Bitumenbahn als Dampfsperre
Die als Dampfsperre eingesetzte Bitumenbahn hat eine integrierte Trennlage für Holzuntergründe. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Dachdecker beim Verlegen von Mineralwolle-Dämmplatten
Mineralwolle-Dämmplatten sorgen für den Wärmeschutz. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Dachdecker beim Verlegen einer Kunststoffdachbahn
Die Abdichtung erfolgte mit einer 1,5 Meter breiten Kunststoffdachbahn. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Dachdecker beim Befestigen einer Kunststoffdachbahn am Rand zu einem aufgehenden Bauteil
Im Randbereich wurden die Bahnen zusätzlich fixiert. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Dachdecker beim Fügen der Naht einer Kunststoffdachbahn mit Schweißautomat
Die Nahtfügung erfolgte mittels Schweißautomat. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Montage einer Aluminium-Schiene für die Aufnahme einer Photovoltaikanlage auf einem Flachdach
Die Montageschienen können unabhängig von der Lage von Sparren oder sonstigen Tragwerken positioniert werden. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Dachdecker beim Einmessen von Trägerelementen für Photovoltaikanlage auf einem Flachdach
Die Schienen sind 190 mm breit (inkl. Formteil ca. 380 mm) und 60 mm hoch (inkl. Rapid-Systemverbinder ca. 130 mm). Das Gewicht beträgt nur ca. 1,9 kg (inkl. Rapid-Systemverbinder). (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Dachdecker beim Befestigen einer Solartragschiene auf einem Flachdach
Die Montageschiene wird mit zugelassenen Dachbauschrauben in der Tragschicht verankert. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Dachdecker beim Befestigen einer Solartragschiene auf einem Flachdach
Eine unzulässige Lastabtragung bzw. -einleitung über die Dachabdichtung wird laut Hersteller ebenso vermieden wie das bekannte Gleiten/Wandern von aufgeständerten Solargeneratoren (Raupeneffekt). (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Verschweißen einer Manschette auf einer Kunststoffdachbahn mit Silikonrolle und Handfön
Die Montageschiene wird materialhomogen mit der Abdichtung verschweißt. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Schiene zur Aufnahme einer Photovoltaikanlage auf einem Flachdach
Noch bevor die PV-Module installiert wurden, verlegten die Dachdecker Kabelkanäle zur vorgeschriebenen Solarkabel-Führung oberhalb der wasserführenden Ebene. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Flachdachfläche mit Kunststoffdachbahn abgedichtet mit Montageschienen zur Aufnahme einer Photvolaikanlage
Photovoltaik-Anlagen auf flachen oder flach geneigten Dächern können mit unterschiedlich ausgeführten Aufständerungssystemen/Montagesystemen (zusätzlich nach Süden geneigt, Ost-West oder dachparallel) realisiert werden. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Untersicht Solarpaneel auf Flachdach mit Kunststoffabdichtung
Die Befestigung von Modultragprofilen zur Aufnahme von Solarmodulen erfolgt am Rapid-Systemverbinder direkt auf der Montageschiene. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
Drohnenaufnahme eines Bürogebäudes mit Photovoltaikanlage in Bonn
Viele Bestandsgebäude eignen sich gut für die Installation einer Photovoltaik-Anlage. (Quelle: Alwitra/Sven-Erik Tornow)
zuletzt editiert am 22.05.2023