Bei einer Werkhalle war ein 120 m langes Lichtband durch Tausende Löcher perforiert. Der Eigentümer war der Meinung, dass es sich um einen Hagelschaden handeln könne. Etliche Gutachten, Berechnungen und Prüfverfahren erbrachten schlussendlich ein anderes Ergebnis.
Der Schaden
Beim geschilderten Fall stritten die Grundstückseigentümer einer größeren Werkhalle und eine Versicherung um die Ursachen von lochartigen Schäden an einem 120 m langen halbbogenförmigen Lichtband aus rund 15 Jahre alten Polycarbonat-Doppelsteg-Lichtplatten. Fakt war, dass im rechteckigen Lichtband in der Längsachse einseitig nahezu sämtliche Lichtplatten von Löchern durchsiebt waren, während auf der Ost-Nordost-Seite nur einzelne Lochschäden zu erkennen waren. Zwei Sachverständige und zwei Prüfinstitute kamen zu folgenden Erklärungen:
„Augenscheinlich sind diese Beschädigungen durch Hagelschlag entstanden … eine andere Erklärung halte ich nicht für möglich.“
„… frühzeitige Alterung …: Dies führt zu der hier festgestellten Lochbildung.“
„Die Schäden … sind auf Schlagbeanspruchung zurückzuführen. Sie zeigen das typische Bild der Spuren von Hagelschlag.“
„Die Schäden sind plausibel für Hagelschlagschaden.“
Die genannten Argumentationen der vier Experten konnten als reine Spekulationen ohne Beweiskraft und daher als halt- und nutzlos betrachtet werden. Vielmehr ist in solchen oder ähnlich gelagerten Fällen immer der schlüssige Nachweis der Ursachen zu führen oder mindesten das Bemühen darum. Natürlich gibt es auch Schäden, deren Ursachen sich nicht schlüssig feststellen lassen.
Lichtband perforiert

Beweisführung handwerklich
Zunächst musste also der beauftragte Sachverständige feststellen und bewerten, dass auf der WSW-Seite etwa 80 % der Steglichtplatten Schäden aufwiesen, auf der ONO-Seite jedoch maximal 20 % der Lichtplatten beschädigt waren. Sodann stellte er fest, dass die Stegabstände der Lichtplatten 8 mm, die Steghöhe 10 mm und die Dicke der Deckschichten 0,43 mm betrugen. Die ovalen Lochungen befanden sich nur in der Oberschale und immer exakt zwischen zwei Stegen, waren also maximal 7 mm breit; an keiner Stelle war ein Steg beschädigt. Da keiner der Plattenstege beschädigt war, müssten, wenn es sich um Hagelschäden gehandelt hätte, die Hagelkörner kleiner als 7 mm gewesen sein.
Es folgten Schlagversuche mit Hammer und dem Bohrerschaft eines 4,9-mm-Metallbohrers, der auf die Zelle aufgesetzt wurde. Nach jeweils heftigem Hammerschlag entstanden zwischen den Zellstegen ebenfalls Ovallöcher, jedoch immer auch Flankenrisse in der Oberschale. Weitere Schlagversuche mit einem 20-mm-Rundkopf-Blechtreibhammer erbrachten grobe Einbrüche mit Flankenrissen, jedoch keine Rund- oder Ovallöcher.

Beweisführung mit Hagelschlagprüfung
Ausgetrennte Prüfstücke hat der Sachverständige dann im Kunststoffzentrum Würzburg einer normgerechten Hagelschlagprüfung unterziehen lassen. Die Prüfung wurde durchgeführt mit 20-mm- und 40-mm-Prüfkugeln bei einer Aufprallgeschwindigkeit von 23 m/s. Die in diesen Prüfungen entstandenen Löcher in der Stegplatte entsprachen in etwa denen der Hammerschlagprüfung: immer waren die Löcher größer als die Prüfkugel und immer hatten die Löcher Flankenrisse oder waren Trümmerbrüche.
In keiner der Prüfungen entstanden vergleichbare Löcher wie am örtlichen Objekt. Damit schien ausgeschlossen, dass die Schäden durch Hagelschlag entstanden sein konnten. Der zuständige Prüfingenieur verpasste seinem Gutachten aber einen Schlusssatz, der darauf hinwies, dass im Internet vergleichbare Schäden als Hagelschäden bezeichnet wären, und daraufhin der Verdacht bestünde, dass es sich doch um Hagelschlagschäden handeln könnte.
Mathematische Beweisführung
Mögliche Überlegungen/Berechnungen zur Schadensursachen:
- Die Löcher in der Stegplatte sind kleiner als 1 cm Durchmesser, können also nur durch entsprechend kleine Hagelkörner verursacht sein. Ein Hagelkorn von 1 cm Durchmesser hat ein Volumen von 0,524 cm³ und eine Dichte von 0,6 bis maximal 0,9. Angenommen, das Hagelkorn hätte tatsächlich 1 cm Durchmesser und die Dichte wäre vereinfacht mit 1,0 angesetzt, dann hätte das Hagelkorn ein Gewicht von 0,524 g.
- Die normgerechte Hagelschlagprüfung wird mit 23 m/s durchgeführt = 82 km/h. Die kinetische Energie einer Eiskugel von 1 cm Durchmesser beträgt unter den vorgenannten Bedingungen: 1/2 ∙ 0,000524 ∙ 23² = 0,138 Jm², diese Energie reichte nicht einmal aus, um ein Papiertaschentuch zu durchschlagen.
- Gemäß TORRO-Skala treten Hagelschlagschäden erst ab > 20 Jm² auf, nach der ANELFA-Skala sogar erst ab > 50 Jm².
Die Löcher in der Lichtplatte können deshalb nicht durch Hagelschlag entstanden sein.
Technologische Beweisführung
Die Deckschichten der Doppelstegplatten sind 0,43 mm dick und entsprechen in dieser Form einer thermoplastischen Folie. Für überalterte Kunststoff-Dachbahnen ist bekannt, dass sich Alterungsschäden in sichelförmigen Brüchen zeigen, wie zum Beispiel an einer etwa 22 Jahre alten und 0,8 mm dicken PVC-Kunststoff-Dachbahn: Ebensolche vergleichbaren Sichelbrüche waren auch in der Oberschale der Doppelstegplatten festzustellen.
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Infolge der widersprüchlichen Expertenmeinungen landete die Streitsache beim staatlichen Materialforschungs- und Prüfungsamt Berlin.
Der mit der Untersuchung der Schadensursache befasste Prüfingenieur kam schlussendlich zu dem Urteil: „Die Schäden an den Doppelsteg-Lichtplatten sind durch Alterung verursacht, Hagelschlag als Ursache ist auszuschließen.“
Walter Holzapfel
Hinweis FVLR: Aktuellere Ergebnisse aus 2022 widerlegen das Ergebnis
Der FVLR Fachverband Tageslicht und Rauchschutz e. V hat im Juli 2020 die SKZ- Testing GmbH mit einer Untersuchung von handelsüblichen Stegmehrfachplatten aus Polycarbonat, wie sie in Lichtbändern nach DIN EN 14 963 bzw. EAD 220089‐00‐0401 oder in der Vergangenheit nach ETAG 010 verwendet wurden und werden beauftragt.
In den Ramen der Untersuchung sollte die mögliche Auswirkung der natürlichen Alterung der Platten auf die mechanischen Eigenschaften bzw. das Verhalten bei Hagelschlag ermittelt werden.
Die Versuche wurden an neuen sowie an neuen gealterten Materialien (Nach DIN EN ISO 4892-2, Verfahren A) sowie an Materialien aus installierten Lichtbändern durchgeführt. Die Proben aus den Lichtbändern stammen aus den Jahren 1997, 2006 und 2010.Durchgeführte Prüfungen- Visuelle und mikroskopische Begutachtung- Bestimmung Viskositätszahl nach DIN EN ISO 1628 -1- Hagelschussversuche in Anlehnung an DIN EN 13583- Überprüfung der Wasserdichtigkeit vor und nach den Hagelschlagversuchen.
Die vom SKZ ausgewählten Prüfungen sollen sowohl eine Beurteilung der Qualität der neuen Materialien, mögliche Veränderungen im Ablauf der künstlichen Alterung bei den neuen Materialien sowie eine Beurteilung der installierten Platten aus der freien Bewitterung ermöglichen.
Zusammenfassung der Prüfergebnisse
„Zusammenfassend und unter Berücksichtigung der hier durchgeführten Untersuchungen hat sich gezeigt, dass derartige Platten aus PC durch die Bewitterung einem Alterungseffekt unterliegen, der sich jedoch primär auf die Gelbverfärbung der Platten und einer oberflächlichen „Versprödung“ der Außenseite beschränkt.“ .…„Erst bei zusätzlicher mechanischer Krafteinwirkung (z. B. durch ein Hagelereignis) konnten Beschädigungen in Form von Löchern erzeugt werden.“
Die Prüfergebnisse zeigen auf, dass durch die Alterung zwar eine Verfärbung sowie bei den Platten, die der freien Bewitterung ausgesetzten waren, vereinzelt eine Veränderung der Oberfläche festzustellen ist, die Funktionssicherheit und der Witterungsschutz bei diesen Platten, die teilweise immerhin nahezu 25 Jahre in unterschiedlichen industriellen Bereichen installiert waren, nicht beeinträchtigt ist. Trotzdem sollten Lichtbänder regelmäßig durch einen Fachmann überprüft und wenn erforderlich auch fachgerecht gereinigt werden.