Flachdachfläche voll Photovoltaikmodule
Vor allem Gewerbegebäude sind von der Solardachpflicht betroffen, die es in elf Bundesländern unter bestimmten Bedingungen für Neubauten oder grundlegende Dacherneuerungen gibt. (Quelle: Avantag)

Solar 2024-06-04T11:14:53.945Z Solarpflicht in Neubau und Bestand

Recht: Schon 2008 haben einzelne Kommunen begonnen, PV-Anlagen bei bestimmten Bauvorhaben vorzuschreiben. Seit 2022 erklären jetzt auch immer mehr Bundesländer eine Solardachpflicht. Das hat Konsequenzen für die Bauherren, aber auch für die Beratung des Dachdeckers.

Viele Bauherren entscheiden sich aus freien Stücken für eine PV-Anlage, wenn sie ein Gebäude neu bauen oder Dächer erneuern lassen. Für manche Bauvorhaben greift jedoch inzwischen auch eine Solarpflicht, was den Kreis potentieller, aber eventuell nicht freiwilliger Auftraggeber erweitert. Zu beachten ist jeweils, welche politische (und damit territoriale) Ebene die Verpflichtung aufstellt und welche Bauvorhaben genau betroffen sind.

Noch kein Bundesgesetz

So gibt es bisher keine EU-weite Pflicht zur Errichtung von Solaranlagen auf Dächern. Auf nationaler Ebene sieht der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP zwar eine solche Pflicht für gewerbliche Neubauten als politisches Vorhaben vor, das aber derzeit noch nicht als Gesetz formuliert oder gar beschlossen worden ist. Maßgeblich sind darum momentan die Regelungen der Bundesländer, wo Baden-Württemberg den Anfang gemacht hat und ab 1. Januar 2022 unter bestimmten Bedingungen die Errichtung von Photovoltaikanlagen bei gewerblichen Neubauten verpflichtend vorgeschrieben hat. Die Regel wurde später auch auf Wohnneubauten und grundlegende Dachsanierungen ausgeweitet.

Solarpflicht in den Bundesländern

Mit Stand April 2024 haben insgesamt elf Bundesländer Gesetze erlassen, die die Nutzung von Dachflächen für die Gewinnung von elektrischem Strom aus Sonnenenergie in bestimmten Situationen vorschreiben. Dementsprechend haben fünf Bundesländer keine solche Pflicht (siehe Tabelle). Die föderale Regelung in den einzelnen Bundesländern hat sicherlich den Vorteil, dass Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungskraft der Bauherren im jeweiligen Land genommen werden kann.

Sie hat aber auch den großen Nachteil, dass ein sehr unübersichtlicher Flickenteppich verschiedener Regelungen entstanden ist, die mit unterschiedlichen Forderungen, Begriffen, Rahmenbedingungen und Größenvorgaben arbeiten. Schon der Name des Gesetzes, in dem die jeweiligen Vorgaben formuliert werden, unterscheidet sich erheblich von Land zu Land. In einigen Fällen wurden eigene Klima-, Energie- oder Solargesetze erlassen, andere Länder haben ihren Bauordnungen einen zusätzlichen Paragrafen zugefügt. Die Namen der zutreffenden Gesetze wurden deshalb in die Tabelle aufgenommen. Ebenso die Paragrafen, weil die Gesetze oft eine Vielzahl unterschiedlicher Dinge regeln und es einige Mühe machen kann, bis zu den Bestimmungen über die Solardachpflicht vorzudringen.

Gesetze einhalten ist also nicht immer leicht! Zumal es neben den Landesregelungen in Einzelfällen auch kommunale Solarpflichten geben kann. Vorreiter war hier bereits 2008 Waiblingen, später folgten zum Beispiel Tübingen und Bonn.

Solarpflicht in Neubau und Bestand

Die in den Gesetzen formulierten Solardachpflichten gelten für den Gebäudeeigentümer. Bei einem Neubau wird dieser die Aufgabe in der Regel auf seinen Planer bzw. Architekten übertragen, sodass der Dachdecker im besten Fall ein fertiges Projekt vorfindet, das er umsetzen kann. Neubauten für fremde Bauherren sind insofern die einfachste Situation.

Anders liegt der Fall, wenn der Dachdecker selbst Bauherr und Eigentümer für seine Wohn- oder Werkstattgebäude ist. Noch wichtiger dürfte aber das weite Feld der Dachsanierung und Dacherneuerung sein, bei dem meist kein Architekt beteiligt ist und der Dachdecker neben der Ausführung auch die Beratung und Planung übernimmt. Hier muss geprüft werden, ob am jeweiligen Bauort eine Solarpflicht vorliegt und wie ihre Rahmenbedingungen genau festgelegt sind.

Dabei ist speziell der Umfang der vorgesehenen Arbeiten zu berücksichtigen, denn die Landesgesetze fordern PV-Anlagen für bestehende Gebäude meist nur bei sehr umfangreichen Erneuerungen. Die Pflichten gelten dann etwa für „die vollständige Erneuerung der Dachhaut“ oder für „grundlegende Dachsanierungen“. Reparaturen auf Teilflächen erzeugen in der Regel also keine Solardachpflicht, ebenso wie es keine allgemeine und grundsätzliche Nachrüstpflicht für bestehende und nicht zu sanierende Gebäude gibt.

Zu beachten sind jedoch in einigen Bundesländern bestimmte Vorbereitungspflichten, nach denen zwar nicht sofort eine Solaranlage errichtet werden muss, bei denen aber bei einer umfangreichen Erneuerung die Lastreserve der Dachkonstruktion so zu bemessen ist, dass Photovoltaikanlagen später ergänzt werden können. Ein Beispiel hierfür ist § 4a des Landessolargesetzes von Rheinland-Pfalz.

Solarpflicht als Teil der Beratung

Außerdem unterscheiden die Landesregelungen die Art des jeweiligen Vorhabens nach Wohngebäuden, gewerblichen bzw. Nichtwohngebäuden sowie öffentlichen Bauten. Die umfangreichsten Forderungen werden meist für Nichtwohngebäude aufgestellt, während Wohngebäude entweder gar nicht betroffen sind oder längere Übergangsfristen bekommen.

Sehr unterschiedlich kann die Herangehensweise bei öffentlichen Gebäuden sein: Das Land Berlin stellt seine Anforderungen ausdrücklich für nicht-öffentliche Gebäude auf, Hessen geht gerade den umgekehrten Weg und verlangt die Installation von Photovoltaikanlagen nur für landeseigene Gebäude. Weitere Regeln können in vielen Bundesländern Carports und Parkplätze betreffen, die aber im Rahmen dieses Artikels nicht im Detail behandelt werden.

Ergibt sich nach Prüfung aller dieser Umstände, dass eine PV-Anlage oder zumindest deren Vorbereitung bei einer umfangreichen Dacherneuerung zwingend vorgeschrieben sind, sollte der Bauherr vom Dachdecker nachweislich auf diese Pflicht hingewiesen werden. Eine schriftliche Fixierung ist dabei sicher hilfreich, unter Umständen kann auch gleich die Installation der PV-Anlage in das Angebot übernommen werden.

Ausnahmen und Befreiungen

Zu beachten sind jedoch die diversen Aufnahmen der Gesetze. Auch diese Möglichkeiten zur Befreiung von der Solarpflicht sind in jedem Land etwas anders formuliert. In der Regel sind kleine Dächer von meist bis zu 50 m² ausgenommen, ebenso Behelfsbauten, Traglufthallen u.Ä. Die Installation der Solaranlage darf außerdem nicht anderen öffentlich-rechtlichen Pflichten, etwa dem Denkmalschutz, widersprechen und muss technisch möglich sowie wirtschaftlich vertretbar sein. Auf Nordseiten muss also niemand Photovoltaik installieren.

Bereits kurz erwähnt wurden die Übergangsfristen, die manche Bundesländer einräumen. Die genannten Stichtage gelten für Neubauten meist ab Bauantrag, für Dacherneuerungen ab Baubeginn. Die Solarpflicht kann in vielen Fällen auch von Dritten erfüllt werden, etwa wenn der Gebäudeeigentümer seine Dachfläche verpachtet und der Pächter die Anlage errichtet. In manchen Bundesländern ist es zudem möglich, eine vorhandene PV-Pflicht auf dem Dach ersatzweise auch mit Solarthermieanlagen oder PV-Anlagen an der Fassade und/oder auf Freiflächen zu erfüllen.

Wenn für ein konkretes Bauvorhaben keine der Ausnahmen oder Befreiungen zutrifft, muss eventuell noch ermittelt werden, welche Mindestgröße die zu errichtende PV-Anlage haben muss. Auch hier gehen die Bundesländer sehr unterschiedliche Wege. Einige Länder formulieren die größten Anforderungen direkt im Gesetz, meist als Prozent der Dachfläche bzw. der solarnutzbaren Dachfläche. Andere verweisen auf Rechtsverordnungen, die zur Durchführung des Gesetzes erlassen worden sind oder werden sollen. Besonders komfortabel können sogenannte Praxisleitfäden zur Solarpflicht sein, die beispielsweise Berlin und Baden-Württemberg erarbeitet haben. Hier wird in längeren Texten und in einer Sprache, die weniger von „Paragrafendeutsch“ gekennzeichnet ist, erläutert, wann die jeweiligen Pflichten gelten und wie sie zu erfüllen sind.

Fazit: Dachdecker als Solarberater

Dachdecker müssen sich mit dem aktuellen Stand der Solardachpflicht beschäftigen. Zum einen wenn sie selbst Bauherr und Eigentümer sind, vor allem aber wenn bei einer umfangreichen Dachsanierung kein Architekt oder Planer beteiligt ist. Im Rahmen der Beratung sollte der Bauherr dann auf eine eventuell vorhandene Solarpflicht hingewiesen werden. Die Regeln sind in jeweils unterschiedlichen Gesetzen in den Bundesländern fixiert. Wegen ihrer Unterschiedlichkeit kann dieser Artikel nur allgemeine Hinweise zu den Regelungen geben. Es ist in jedem Fall unerlässlich, die für den jeweiligen Bauort zutreffenden Paragrafen zu lesen und wegen der Details eventuell weitere Durchführungsverordnungen oder Praxisleitfäden zurate zu ziehen.

Dies kann man als lästige bürokratische Zusatzarbeit ansehen, aber auch als Chance begreifen. Denn die Wertschöpfung des einzelnen Auftrags steigt, wenn neben der neuen Dachhaut auch eine PV-Anlage angeboten werden kann. Auch gegenüber Bauherren, die keiner Solarpflicht unterliegen, können die gesetzlichen Regelungen ein Aufhänger sein, um über die Möglichkeiten und Vorteile der Photovoltaik ins Gespräch zu kommen.

graues Ziegeldach mit Photovoltaik-Indachanlage
In einigen Bundesländern gilt die Solarpflicht auch für Wohnhäuser, die neu gebaut werden oder eine neue Dachhaut erhalten. (Quelle: Creaton)
zuletzt editiert am 04. Juni 2024