Drei Dachdecker auf Schieferdach beim Weiterreichen der Schiefer
Auch wenn Maschinen und Aufzüge das Dachdeckerleben erleichtern, Arbeit mit Schiefer ist eben noch echte Handarbeit, teilweise auch der Transport im Teamwork. (Quelle: DDH)

Steildach 2. November 2022 Wand- und Wechselkehle

Denkmalschutz: Das Schieferdach des Schlosses Poppelsdorf in Bonn bietet zahlreiche Details, die von der Arbeitsgemeinschaft Weinand & Pauken und Eiserloh & Mesenich ausgeführt wurden. Neben 615 m eingebundenen Kehlen waren etliche Gauben und vier Türme einzudecken. Dazu gesellten sich tonnenweise Bleiarbeiten unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes.

Beim Poppelsdorfer Schloss handelt es sich um das ehemalige Lustschloss der Kölner Erzbischöfe und Kurfürsten. Die Pläne stammen vom Pariser Hofarchitekten Robert de Cotte. Baumeister war Johann Balhasar Neumann. Nach knapp 40 Jahren Bauzeit wurde es 1753 komplett vollendet. Es hat den Beinamen „Clemensruhe“, da es als Landsitz für Kurfürst Joseph Clemens vorgesehen war. Das Schloss ist durch die Poppelsdorfer Allee mit dem kurfürstlichen Schloss verbunden. Ursprünglich stand auf dem Gelände eine mittelalterliche Wasserburg aus dem 16. Jahrhundert, die jedoch im Krieg zerstört wurde.

Mansarddächer

Die vierflügelige Anlage basiert auf einem quadratischen Grundriss, hat aber einen runden Innenhof, der von Arkaden umrahmt ist. Es ist der einzige barocke Bau dieser Art in Deutschland. Auf jedem der vier Flügel positioniert sich mittig ein erhöhtes Pavillondach, welches konvex geformt ist. Die Zwischentrakte und Eckbauten wurden mit Mansarddächern versehen. Diese Dachlandschaft entstand in ihrer heutigen Form im 19. und 20. Jahrhundert. In dieser Zeit erhielt das Schloss neue Dächer, wobei die Zwischentrakte und Eckbauten mit Mansarddächern gedeckt und die Mittelpavillons mit einer geschweiften Haube versehen wurden. Heute haben im Schloss die mineralogische Sammlung der Universität Bonn und weitere naturwissenschaftliche Einrichtungen wie Teile des Steinmann-Instituts für Geologie, Mineralogie und Paläontologie, das Institut für Zoologie und das Institut für Molekulare Physiologie und Entwicklungsbiologie ihren Platz gefunden.

Gerundete Türme

Mit den Vorarbeiten wurde bereits am 11. März 2019 begonnen. Im Mai 2020 erfolgten die Schieferarbeiten für die umfassende Sanierung der rund 5.000 m² Dachflächen durch die Arbeitsgemeinschaft Weinand & Pauken GmbH und  Eiserloh & Mesenich GmbH,  beide Mitglieder der Dachdecker-Innung Mayen-Ahrweiler Cochem-Zell. Die Arbeiten wurden abschnittsweise durchgeführt – Gerüst-Auf- und Umbau, Abriss, Schalungsarbeiten usw. Da die Kuppeldächer in der Mitte der Flügel und die Zeltdächer der Ecktürme komplett eingehaust waren, konnten die Arbeiten witterungsunabhängig ausgeführt werden. Die Dachneigung der konkav und konvex geschwungenen Flächen der Mittelaufbauten betrug zwischen 25° und 90°. In den flach geneigten Bereichen wurde als Zusatzmaßnahme eine PYP PV 200 S5 Polymerbitumenschweißbahn aufgeklebt. Die Höhenüberdeckung wurde zur Sicherheit mit 34 % statt der üblichen 29 % der Steinhöhe angesetzt. Die Steinhöhen betrugen hier 36 bis 27 cm. Die Größe der Mitteltürme belief sich auf etwa 370 m². Den Übergang des Kuppeldaches zum Turm führten die Mitarbeiter der Arge in einer Bleileistendeckung aus. Die Bleistärke betrug 3 mm.

Meterweise Kehlen

Auch die Ausbildung der Standkehlen rechts und links der Mitteltürme erfolgte unter Verwendung von 3 mm Kirchenblei, hier in Falztechnik. Die Flächendeckung zwischen den Mittel- und den 300 m² großen Ecktürmen erfolgte ebenfalls mit Sicherheitszuschlag. Auch hier betrug die Höhenüberdeckung 34 % der Steinhöhe. Hier wurden Schiefer der Höhe 39 bis 31 cm verwendet. Insgesamt hatten die Schieferdecker etwa 630 m eingebundene Kehlen zu decken. Die Dachdecker-Arbeitsgemeinschaft sicherte sich hier die Unterstützung zweier Partnerbetriebe vom Mittelrhein – die Schieferdecker Stefan Rost, Tamino Rost, Michael Müller und Roman Feller von Rüdesheim Bedachungen aus Urbar und Alfons Müller aus Oberwesel. Sämtliche Kehlbretter schweißten die Dachdecker vor Eindeckung mit einer PYP PV 200 S5 ein. Dazu wurde jedes Kehlgebinde mit einem Bleistreifen von 1,5 mm Stärke abgefangen.

Tonnenweise Blei

Wenn sich schon der Bleieinsatz für zum Beispiel 84 m Hauptkehle an der Mansarde und 54 m Wechselkehlen gewichtig anhört, so stießen die Dachdecker bei den Türmen in ganz andere Dimensionen vor. Eine Turmspitze kleidete man in 600 kg Blei. Ein Turm inklusive Standkehlen erhielt 3,2 t Bleibekleidung. Dazu kam noch die Abdeckung des Gürtelgesimses zwischen dem ersten und zweitem Stock. Insgesamt wurden über 150 t Blei verarbeitet.

Brigitte Latsch und Alwin Punstein

Südseite Schloss Poppelsdorf, Bonn
Nach dem Rückbau des Gerüsts zeigt sich Schloss Poppelsdorf in Bonn in neuem Glanz. (Quelle: DDH)
Die Zeichnung zeigt den quadratischen Grundriss des Schlosses Poppelsdorf mit dem runden Innenhof.
Die Zeichnung zeigt den quadratischen Grundriss des Schlosses Poppelsdorf mit dem runden Innenhof. (Quelle: DDH)
Detail eines Schieferdaches: Gaube mit rechter ausgehend gedeckter Wangenkehle, linker ausgehend gedeckter Wangenkehle verbunden mit Hauptkehle
Gute Detaildeckungen: Anfangort am Grat sowie gelungener Übergang von der Fuß- zur Kehldeckung. Die rechte ausgehend gedeckte Wangenkehle ist gut eingeteilt und die linke ausgehend gedeckte Wangenkehle gut mit der Hauptkehle verbunden. (Quelle: DDH)
Linke versetzt gedeckte Schiefer-Hauptkehle, vom Wasserstein aus gedeckt und unregelmäßig mit Schwärmer eingebunden
Linke versetzt gedeckte Hauptkehle, vom Wasserstein aus gedeckt und unregelmäßig mit Schwärmer eingebunden (Quelle: DDH)
Die Wechselkehle ist eine Seltenheit: linke Kehle, vom Wasserstein aus gedeckt und rechte Kehle vom Einfäller aus gedeckt und mittels Schwärmer in die steile Fläche der Rundung eingebunden.
Die Wechselkehle ist eine Seltenheit: linke Kehle vom Wasserstein aus gedeckt und rechte Kehle vom Einfäller aus gedeckt und mittels Schwärmer in die steile Fläche der Rundung eingebunden. (Quelle: DDH)
Blick auf die teilweise eingerüstete Dachfläche des zu sanierenden Daches von Schloss Poppelsdorf
Blick auf die Mächtigkeit des Daches und einige komplizierte Details (Quelle: DDH)
Linke eingehende vom Wasserstein aus gedeckte Wandkehle mittels Bleinocken und Kappleiste als Wandanschluss
Linke eingehende vom Wasserstein aus gedeckte Wandkehle mittels Bleinocken und Kappleiste als Wandanschluss (Quelle: DDH)
Durch Mauerecke unterbrochene linke Wandkehle mit Nocken und Bleiwandverkleidung
Durch Mauerecke unterbrochene linke Wandkehle mit Nocken und Bleiwandverkleidung (Quelle: DDH)
Kuppeldachfläche eines Mittelturms von Schloss Poppelsdorf
Gebogene Kuppelfläche mit häufigen Übersetzungen von breit auf schmal - also Altdeutsch (Quelle: DDH)
Wechselkehle Schiefer Altdeutsche Deckung
Sehr schöner Übergang der Wechselkehle von der linken auf die rechte Kehle (Quelle: DDH)
Geselle beim Zurichten von Schiefer auf Schieferdach
Alfons Müller in voller Aktion (Quelle: DDH)
Gesimsabdeckung aus Blei
Auch das Gürtelgesims erhielt eine Bleiabdeckung in handwerklich sehr guter Ausführung. (Quelle: DDH)
Gesimsabdeckung und Kappleiste aus Blei wurden mit Bleiwolle ausgestemmt. (Quelle: DDH)
Gesimsabdeckung mit mehreren Ecken und Dachrinne
Hervorragende Klempnerarbeiten (Quelle: DDH)
zwei Dachdecker betrachten Gesimsabdeckung
Dachdeckergeselle Andreas Kleinert und Dachdeckermeister Jogi Rüdesheim sind stolz auf die erbrachte Leistung, die alles andere als Alltagsarbeit darstellt. (Quelle: DDH)
Dachdetail - Übergang von Bleiabdeckung in Schieferdeckung
Harmonie in Blei und Schiefer (Quelle: DDH)
Gaube mit rechte ausgehende Wangenkehle in Altdeutscher Deckung
Gelungene rechte ausgehende Wangenkehle in der Kuppelrundung (Quelle: DDH)
Rechte und linke ausgehend gedeckte Wangenkehlen zwischen zwei Gauben mit Übersetzungen in der Fläche
Rechte und linke ausgehend gedeckte Wangenkehlen mit Übersetzungen in der Fläche (Quelle: DDH)
Extrem flach geneigte Fledermausgaube
Extrem flach geneigte Fledermausgaube (Quelle: DDH)
zuletzt editiert am 02.11.2022