Baurecht im Gespräch: „Kommen Sie bitte, es tropft!“ Wer aber bezahlt die Kosten für Anfahrt und Untersuchung, wenn vor Ort klar wird, dass der Dachdecker nicht schuld war am festgestellten Schaden? Und was kann der Dachdecker überhaupt berechnen, wenn er trotzdem die Reparatur übernimmt?
Dachdeckermeister Albert Hintzen: Klassisch ist folgende Situation: Der Kunde ruft an und reklamiert eine angebliche Undichtigkeit am Dach, das erst vor kurzer Zeit gemacht wurde. Eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass mit meinem Gewerk alles in Ordnung ist, und ich vermute, dass möglicherweise Folgehandwerker den Schaden verursacht haben – zum Beispiel Solateure –, oder dass es sich um einen völlig anderen Schaden handelt, beispielsweise aus dem Bereich Sanitär. Aber wenn es tropft, ruft der Kunde nun einmal gern reflexartig seinen Dachdecker an. Wenn sich dann bei der Untersuchung jedoch herausstellt, dass ich den Schaden nicht verursacht habe, wer zahlt dann die ganze „Show“?
Rechtsanwalt Wolfgang Reinders: Gern würde man natürlich die Fahrtkosten und die Untersuchungszeit in Rechnung stellen. Aber so einfach liegen die Dinge nicht. Kein Handwerker ist nämlich verpflichtet, überhaupt auf eine Reklamation einzugehen, sich also den angeblichen Gewährleistungsschaden vor Ort wirklich anzusehen. Natürlich tut man das schon meistens „freiwillig“, im eigenen Interesse, um sicherzugehen. Wenn sich das Ganze dann aber als Fehlalarm herausstellt, bleibt man auf den Kosten sitzen.
Hintzen: Auch wenn sich die Baustelle weit vom Betrieb entfernt befindet und die Kosten erheblich sind?
Reinders: Das spielt keine Rolle. Wenn man in einem solchen Fall eines möglichen Fehlalarms die Kosten ersetzt bekommen möchte, muss man das vorher, also vor der Auftragsannahme, mit dem Kunden klar kommunizieren und die Kostenübernahme schriftlich vereinbaren. Dazu gibt es für Innungsbetriebe entsprechende Schreiben auf der Intranetseite des Zentralverbands unter www.dachdecker.de, dort unter der Kachel „Recht“ und „Information an Betriebe“ und unter dem Stichwort „Kostenübername bei Fehlalarm“.
Hintzen: Und wenn der Kunde darauf nicht eingeht und auf einer kostenlosen Untersuchung besteht?
Reinders: Nun, dann liegt es an Ihnen, der Reklamation auf eigenes Risiko nachzugehen oder es eben sein zu lassen.
Hintzen: Okay, spinnen wir den Fall einfach einmal weiter. Vor Ort stellt sich tatsächlich heraus, dass der Schaden andere Ursachen hat. Der Kunde beauftragt mich gleichwohl mit der Beseitigung des Schadens. Was kann ich dann berechnen?
Reinders: Dann ist es wie immer. Bei einem vorher nicht vereinbarten Stundenverrechnungssatz gilt der ortsübliche Verrechnungssatz und nicht der individuelle Stundenverrechnungssatz des herbeigerufenen Unternehmens. Der ortsübliche Verrechnungssatz ergibt sich aus vergleichbaren Angeboten anderer Handwerker oder aus der Auskunft von Kammern, Innungen oder Verbänden. Im Streitfall entscheidet der Gutachter vor Gericht. Im Ergebnis wird meist ein Rahmen angegeben, selten eine feste Zahl. Innerhalb dieses Rahmens muss man sich dann letztlich bewegen.
Hintzen: Kann ich immer volle Stunden abrechnen?
Reinders: Nein. Es ist nur eine geringe Aufrundung möglich, zum Beispiel auf volle Viertelstunden.
Hintzen: Kann ich dazu noch Fahrtzeiten, Rüstzeiten, Maschineneinsatz, Fahrzeugpauschalen etc. hinzuaddieren?
Reinders: Diese sogenannten Nebenkosten einer Handwerkerrechnung sind in der Rechtsprechung immer wieder einmal behandelt worden, mit zum Teil allerdings unterschiedlichen Ergebnissen. Als gewisser roter Faden lässt sich festhalten: Fahrtzeiten können auf jeden Fall zusätzlich in Rechnung gestellt werden. Anfahrt und Abfahrt gehören untrennbar zum Auftrag.
Hintzen: Was ist mit Lehrlingen?
Reinders: Die dürfen auch berechnet werden, sofern sie mitarbeiten und nicht nur zuschauen, allerdings je nach Lehrjahr nur mit 50 % bis 65 % des ortsüblichen Verrechnungssatzes.
Hintzen: Was ist mit „Rüstzeiten“, besonderen Maschinen etc.?
Reinders: Hier ist die Rechtsprechung deutlich zurückhaltender. Solche Kosten sind grundsätzlich ohne vorherige Vereinbarung nicht erstattungsfähig. Es wird davon ausgegangen, dass solche Kosten in den Stundenverrechnungssätzen als betriebliche Gemeinkosten „drinstecken“ und der Betrieb maschinenmäßig technisch auskömmlich ausgerüstet ist. Nur besondere Spezialmaschinen sind gesondert erstattungsfähig.