Eine Gruppe von fünf Personen steht bei einer Podiumsdiskussion vor einem Publikum.
Kompetente Gesprächspartner bei der Podiumsdiskussion, von links: ZVDH-Hauptgeschäftsführer Ulrich Marx, Matthias Kremer, Hannah Kistermann, Max Orth und Jule Baumann. (Quelle: ZVDH)

Markt 2025-04-28T09:25:48.529Z Standortbestimmung mit Weitblick

Dresden: 100 Jahre organisiertes Dachdeckerhandwerk, das ist ein über Jahrzehnte aufgebautes Fundament an Kompetenzen in Fachtechnik und Interessenvertretung - und das Wissen, gemeinsam auch künftige große Aufgaben schultern zu können. Bei seinem Jubiläum zeigte sich das Dachdeckerhandwerk bereit für die Zukunft.

Unweit des Gründungsortes Meißen feierte das organisierte Dachdeckerhandwerk sein hundertjähriges Bestehen. Beim runden Jubiläum des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) dominierte anstelle selbstgenügsamer Rückschau der pragmatische Blick nach vorn. In der Obermeistertagung am ersten Tag wurde dieser Geist deutlich spürbar. Dabei standen Themen wie Künstliche Intelligenz, Nachwuchssicherung und Bildung im Zentrum. Gleichzeitig offenbarte der Blick zurück, auch in der Eröffnung von ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk und dem BBW-Vorsitzenden Johannes Lauer: Viele vermeintlich aktuelle Fragen wie betriebliche Kalkulation, Nachwuchs und die Fachkräftesituation haben Dachdeckerbetriebe vor einhundert Jahren in ganz ähnlicher Form umgetrieben. 

Ein Mann im Anzug steht an einem Rednerpult und spricht in ein Mikrofon.
Dachdecker finden immer Wege, Krisen zu meistern. Mit dieser Botschaft machte ZDH-Präsident Jörg Dittrich Mut für aktuelle Herausforderungen. (Quelle: ZVDH)

KI-Nutzen im Dachdeckerbetrieb 

Die Diskussion um das allgegenwärtige Thema KI ist für viele Betriebe noch neu, in der Obermeistertagung war sie glücklicherweise alles andere als abstrakt. Der Vortrag von Dr. Thomas Rüdel bildete den Auftakt, mit Volker Blees, Prokurist bei Over Dach aus Kerpen, kam ein Praktiker zu Wort, der anschaulich darlegte, wie KI bereits jetzt im Betrieb eingesetzt wird. Die Botschaft: Die handwerkliche Kernleistung bleibt unersetzbar, doch smarte digitale Helfer können Prozesse vereinfachen – bei Kalkulationen, Vertragsauswertungen, der Erstellung von Material-Stücklisten oder zur Qualitätssicherung. 

Die Stimme der Zukunft 

Kompetent und zielstrebig zeigten sich vier junge Dachdeckerinnen und Dachdecker – Jule Baumann, Hannah Kistermann, Matthias Kremer und Max Orth – in einer Podiumsdiskussion mit ZVDH-Hauptgeschäftsführer Ulrich Marx. Matthias Kremer, Quereinsteiger mit App-Entwickler-Vergangenheit, forderte einheitlichere Kommunikation und Branding in der Nachwuchsgewinnung, um online höhere Reichweiten zu erzielen. Max Orth, jüngster Dachdeckermeister Deutschlands, betonte den Erfolg von Schulbesuchen und Messepräsenzen, um Nachwuchs zu gewinnen. Jule Baumann, Jugendbotschafterin mit trialem Studium, hob die Vereinbarkeit von Handwerk und akademischer Bildung hervor und forderte mehr Sichtbarkeit für Frauen im Handwerk. Hannah Kistermann, Mitglied beim Netzwerk „Dachdeckermädelz“, sprach sich für verbesserte Kooperation mit Schulen und Handwerkskammern aus. Einigkeit herrschte in der Forderung, junge Stimmen noch stärker in Verbandsgremien einzubinden. 

Ein Redner steht am Podium beim Deutschen Dachdeckertag und hält eine Präsentation.
Volker Blees verdeutlichte beim Deutschen Dachdeckertag anschaulich, wie KI bereits jetzt im Dachdecker-Betrieb eingesetzt wird. (Quelle: ZVDH)

Messe-Erfolg: IdeenExpo 

Dachdeckermeisterin Johanna Rieger, Jugendbeauftragte im Landesverband Niedersachsen-Bremen, stellte die Präsenz des Dachdeckerhandwerks auf der IdeenExpo als Leuchtturmprojekt vor. Auf der mit 430.000 Besuchenden europaweit größten Jugendmesse für Naturwissenschaft und Technik stellte das Team mit einem 30 Meter hohen Kran, Bausatz-Klimahäusern und Live-Einsatz am Schieferhammer den Kontakt mit dem Dachdeckerhandwerk her. Rieger lobte die Authentizität und Reichweite der Veranstaltung, über 4.800 Personen nahmen an neun Tagen an der Kranfahrt teil. 

Eine weitere Ergänzung war die Vorstellung der Bildungsplattform „Handwerk macht Schule“. Das Portal richtet sich an Lehrkräfte aus allgemeinbildenden Schulen und stellt unter Mitwirkung des ZVDH didaktisch aufbereitete Materialien zur Verfügung. Ziel: Das Handwerk subtil in schulische Bildungsinhalte integrieren, ohne platte Werbung für Berufsorientierung. 

Der Abend klang stilvoll im Ballsaal Watzke in Dresden aus – der historische Bau bot den passenden Rahmen für die festliche Veranstaltung mit 1920er-Flair, Musik und Gesprächen in entspannter Atmosphäre.  

Eine Frau in einem roten Blazer hält eine Rede an einem Rednerpult.
Bundesbauministerin Klara Geywitz lobte das Dachdeckerhandwerk für seine nachhaltige Arbeitsweise. (Quelle: ZVDH)

ZVDH-Delegiertenversammlung 

ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk betonte in seiner Begrüßung die Rolle des Handwerks im Wandel. Zwei Geschenke zum Jubiläum präsentierte der Präsident – einen neuen Imagefilm des Dachdeckerhandwerks und den Geschäftsbericht im historischen Kontext der Verbandsgeschichte. Bollwerk rief zur tieferen Kooperation insbesondere der etablierten Gewerke auf. Ein konkreter Erfolg dieser Strategie: Die neu gegründete Taskforce Gebäudetechnik der gebäudetechnischen Klimahandwerke. Ziel der Taskforce ist es, die Zusammenarbeit der Gewerke zu intensivieren, ihre zentrale Rolle im Transformationsprozess zu stärken und mit einer gemeinsamen Stimme in der politischen Diskussion mehr Gewicht zu erlangen. Bundesbauministerin Klara Geywitz lobte in einem typischen Grußwort das Dachdeckerhandwerk für seine nachhaltige Arbeitsweise und unterstrich die elementare Bedeutung des Daches für Wohnqualität. „Was Sie machen, wird keine KI erledigen können“, so Geywitz. Ihr gerne gehörter Appell: Die berufliche Ausbildung solle mit dem Studium stärker gleichgesetzt werden und dies auch bei Bau und Förderung etwa von Wohnheimen seinen Niederschlag finden. 

Historischer Mut im Handwerk 

Fundamentalen Herausforderungen wie Kriege und Diktaturen sahen sich frühere Generationen von Dachdeckern ausgesetzt – und sie fanden immer Wege, sie zu meistern. Mit dieser Botschaft machte ZDH-Präsident Jörg Dittrich Mut für aktuelle Herausforderungen.

Ein Mann mit blonden lockigen Haaren spricht in ein Mikrofon.
Prof. Bernd Raffelhüschen: „Die Graumelierten haben das Problem verursacht – und müssen es lösen.“ (Quelle: ZVDH)

Generationenvertrag unter Druck 

Volkswirtschaftler Prof. Bernd Raffelhüschen, ohnehin bekannt für offene Worte, rüttelte auf mit der Beschreibung eines Landes, das 40 Jahre lang sein aufziehendes demografisches Problem vernachlässigt habe - und in den kommenden Jahren einen hohen Preis dafür bezahlen wird. Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung beschrieb Raffelhüschen als scheiternde Systeme, bei denen die Last auf jüngere Generationen kaum noch zu tragen sein wird.  Das Renteneintrittsalter müsse kurzfristig an die gestiegene Lebenserwartung angepasst werden, wie es etwa skandinavische Länder seit langem praktizieren. Die sogenannte Boomer-Generation forderte Raffelhüschen deutlich auf, Verantwortung zu übernehmen: „Die Graumelierten haben das Problem verursacht – und müssen es lösen. Sie können doch nicht ernsthaft erwarten, Ihre demografische Last auf unsere Kinder abzuwälzen.“ 

Der Nachmittag der Delegiertenversammlung stand im Zeichen der Wahl des ZVDH-Vizepräsidenten, bei der sich Kandidat Dirk Sindermann aus Dortmund durchsetzte sowie der Ehrungen für verdiente Ehrenamtler und dem erfolgreichen Dachdecker-Nachwuchs bei den Vergleichswettbewerben.

Den kompletten Beitrag lesen Sie in DDH 05. 2025.

zuletzt editiert am 29. April 2025