Mainz: Auch beim rheinland-pfälzischen Dachtag standen wieder die Neuerungen des Regelwerks im Vordergrund. Dazu gab es Einblicke in die digitalisierte Baustelle und die genaue Betrachtung eines neuen Dämmstoff-Trends.
Landesinnungsmeister Johannes Lauer dankte zur Eröffnung des Fachtechnischen Tages in Mainz dem „Urvater“ der Veranstaltung, Herbert Gärtner, für sein Engagement. Gärtner, der zwar kürzlich den Vorsitz des Fachtechnischen Ausschusses an Dachdecker-, Klempner- und Zimmerermeister Torsten Kleis abgegeben hat, ließ es sich jedoch nicht nehmen, die Zusammenkunft der rheinland-pfälzischen Dachdecker gewohnt eloquent zu moderieren.
Immer noch schlecht gesichert
Nach dem Grußwort des Präsidenten der Handwerkskammer Rheinhessen, Hans Jörg Friese, begann Carlo Simon, Geschäftsführer von Sifatec, den ersten Fachvortrag des Tages mit deutlichen Worten: „70 Prozent der Flachdächer sind schlecht oder gar nicht eingerüstet.“ Ab zwei Metern ist ein Seitenschutz erforderlich, so die einfache Regel. Simon zeigte Probleme, Umstände und Grenzen ballastierter Systeme. Sie sind nicht mehr zeitgemäß, haben aber ihre Daseinsberechtigung und sind auf jeden Fall besser als kein Schutz. Fahrbare Systeme hingegen stoßen im Kies auf ihre Grenzen, ebenso wie Klemmen bei empfindlichen Fassadenmaterialien. Das Familienunternehmen bietet verschiedene Montagemöglichkeiten des temporären Seitenschutzes. Dabei kann jede x-beliebige Kontur eines Daches nachgebaut werden, auch schmale Dachabschnitte sind kein Problem. Ebenso sind (abschließbare) Treppentürme und Aufzüge sowie Tunnel im Angebot. „Wir verstehen uns als Partner. Ruft uns an, wir kommen raus“, ermunterte Simon seine Zuhörer.
Zusatzmaßnahme mit Gradmesser
Dachdeckermeister Rainer Koch, Fachtechnischer Referent im LIV-Landesvorstand, berichtete aus den Fachausschüssen. Er legte dar, warum das Merkblatt Unterdächer, Unterdeckungen und Unterspannungen überarbeitet werden musste. Zusatzmaßnahmen der Klassen 1 und 2 müssen als Wasserdichte oder Regensichere Unterdächer ausgeführt werden. Diffussionsoffene Systeme gelten nicht als solche und liegen immer außerhalb des Regelwerkes. Damit sich die ausführenden Betriebe auf sicherem Terrain bewegen, haben diese jetzt Aufnahme gefunden. 2019 hatte der Fachausschuss des Landesinnungsverbandes RLP dem FA Dachziegel/Dachsteine den Impuls gegeben und beantragt, diffusionsoffene „wasserdichte“ Unterdächer ins Regelwerk aufzunehmen. Koch ging auf Details der möglichen Ausführungen ein. Zukünftig erfolgt die Zuordnung der Zusatzmaßnahme nur nach Dachneigung, da das heutige Standarddach prinzipiell erhöhte Anforderungen hat. Mit Blick auf Bahnen, die die Funktion der Nageldichtung erfüllen, mahnte Koch, das Kleingedruckte zu beachten: „Fachregelkonform heißt nicht zwingend ETA-konform.“ Mit Erläuterungen zum Produktdatenblatt UDB-eA sowie UDB/USB schloss er seinen Vortrag ab.
Baustelle digital
Roland Gande, Geschäftsführer MSoft, verdeutlichte, dass die Digitalisierung dem Nutzer eine höhere Effizienz im Arbeitsalltag generiert. Es gibt weniger Zettelwirtschaft, dafür mehr zeitnahe Auswertungen. Allerdings müssen Arbeitsabläufe konsequent eingehalten werden. Dabei unterstützen digitale Werkzeuge. Er warnte aber zum Beispiel davor, die Kommunikation über WhatsApp oder ähnliche Anbieter zu führen. Das ist problematisch wegen des Datenschutzes. Eine eigene Kommunikationssoftware ist der bessere Weg. Gande zeigte dazu in einer Live-Vorführung die Tools seiner Software, die von Auftragsbearbeitung über mobile App bis Dokumentenmanagement (Archivsystem) zuverlässiger Begleiter eines Bauvorhabens sind.
Trend aus den Zentren
Dipl.-Ing. Architekt Mathias Funk, Soprema, setzte sich kritisch mit dem neuen Trend, Flachdächer mit Holzfaser zu dämmen, auseinander. „Ist das eine Modeerscheinung oder nachhaltige Bauweise?“ Gestiegene Ansprüche an Wohngesundheit und Nachhaltigkeit werden verlangt. Bei immer mehr Holzbauten ist es konsequent, über diese Ausführung nachzudenken. Parameter wie Kondensat, Regen in Bauphase, Fäulnis und Brandlast müssen aber konsequent beachtet werden. Er zeigte anhand eines Projektbeispiels, dass der Aufbau bei korrekter Planung und richtiger Ausführung ohne Zeitdruck durchaus seine Daseinsberechtigung hat. Mit Stilblüten aus LVs erntete Funk unterschiedlichste Reaktionen – von Lachern bis zum ungläubigen Kopfschütteln.
Premiere digitale Arbeitshilfe
Dachdeckermeister Andreas Schmitz sprach als Ausschussmitglied über die Anwendung und Umsetzung des neuen Merkblatts Wärmeschutz. „Wir kommen um die DIN 4108 nicht drumherum, weil es eine bauaufsichtlich eingeführte Norm ist, also gleichwertig der Bauordnung. Davon kann also nicht einfach vertraglich abgewichen werden“, mahnte Schmitz. Es gibt drei Stufen der Nachweisführung: nachweisfreie Bauteile, Glaser-Verfahren, hygrothermische Simulation. „Meiner Meinung nach ist das nachweisfreie Bauteil das einzig wahre im Tagesgeschäft“, machte Schmitz deutlich. Dazu folgte die erstmalige Vorstellung der digitalen Arbeitshilfe für nachweisfreie Konstruktionen. Diese wird mit digitalem Abo der Fachregel zu Verfügung gestellt. Anhand eines eigenen Beispiels navigierte Schmitz durch das Tool.
Retentionsdächer bevorzugt
PV-Anlagen auf Bestands-Flachdächern ist eines der Spezialgebiete des ö.b.u.v. Sachverständigen Herbert Gärtner. „Ein bestehendes Flachdach zu finden, das sich für die Installation einer PV-Anlage wirklich eignet, ist bei seriöser Betrachtung nahezu unmöglich“, so das ernüchternde Fazit Gärtners. Schon neue billige PVC-Bahnen verfügen oftmals über eine kürzere Nutzungsdauer als die PV-Anlage. Bei Sanierungen muss der Dachaufbau bewertet werden, insbesondere Statik sowie Dampf- und Luftsprerren. Meist nachzurüsten sind dazu Anschlagpunkte und die Notentwässerung. Die Versicherungen geben definierte Brandschutzeigenschaften vor. Wärmedämmstoffe müssen druckbelastbar sein. Hierzu konnte Gärtner diverse Schadensbilder zeigen.
Er empfahl, sich das Hinweispapier des BSW Solar über Lagesicherung von PV-Solaranlagen zu besorgen. Positiv bewertet der Sachverständige Retentionsdächer. Fachgerecht hergestellte gefällelose Gründächer mit PV-Anlagen garantierten eine hohe Nutzungsdauer.


