Porträt: Ein Sturz vom Dach hätte Torsten Gregori fast die Karriere gekostet. Doch statt aufzugeben, wagte er den Neuanfang: Mit Meisterbrief, eigenem Betrieb und Hilfe der BG BAU – kämpfte er sich zurück in seinen Traumberuf.
Es ist ein ganz normaler Arbeitstag im Jahr 2009, als Torsten Gregori – damals angestellter Dachdecker – in der Halle seines Arbeitgebers von einer Leiter stürzt. Rund 4,50 Meter tief – auf eine Betonplatte. Mit der rechten Schulter voran. Dann schlägt der Kopf auf. Schädelbasisbruch. Sein Körper reagiert im Überlebensmodus: Gregori steht instinktiv – auf, läuft orientierungslos durch die Halle, Blutspuren aus Mund, Nase und Ohren. Er stellt sich unter die Dusche, versucht sich den Kopf abzubrausen. Dann setzt er sich auf einen Stuhl. So wird er gefunden. Ein Rettungshubschrauber bringt ihn in die Universitätsklinik Mainz. Notoperation. Zwei Liter Blut im Bauchraum. Sauerstoffmangel. Die behandelnden Ärzte geben seiner Familie eine bittere Einschätzung: Die nächsten 7 bis 8 Stunden werden über Leben, Tod – oder schwere geistige Behinderung entscheiden.
Die Diagnose bleibt dramatisch
Fünf Tage fehlen ihm bis heute. Aber Gregori wacht auf – immerhin. „Ich wusste, wie ich heiße, wann ich geboren bin, dass ich aus Bingen komme und dass ich Dachdecker bin“, erzählt er. Für das Ärzteteam ein kleines Wunder. Für seine Familie ein Moment des Aufatmens – begleitet von Tränen und lautem Jubel am anderen Ende des Telefons, als Gregori seine Stimme durch den Hörer schickt.
Doch die Diagnose bleibt dramatisch: Die rechte Körperhälfte zeigt Lähmungserscheinungen, die Hand ist kaum nutzbar. Wortfindungsstörungen, Konzentrationsprobleme, Gleichgewichtsstörungen und eine offiziell festgestellte 60 %ige Schwerbehinderung machen klar: Die Weg zurück ins Leben wird kein Spaziergang. Aber er beginnt – und Gregori geht es an.
Zwei Jahre in Rehas: Der lange Kampf um Normalität
Drei Wochen nach dem Unfall wird Gregori von der Mainzer Klinik direkt in die erste Reha verlegt – nach Bad Camberg. Eine Reha nur für den Kopf. Es folgen unzählige weitere: für die Motorik, für die Sprache, für das Gleichgewicht, für das Leben. Zwei Jahre lang ist er kaum zuhause. „Ich musste alles neu lernen“, sagt er heute. Laufen. Schreiben. Greifen.
Selbst sein Führerschein wurde ihm entzogen, da man erst prüfen musste, ob er überhaupt noch fahrtüchtig ist. Später macht er die Fahrprüfung neu.
Doch die härteste Nachricht kommt nach all diesen Monaten: Berufsunfähigkeit. Kein Rückweg ins Dachdeckerleben – zumindest nicht als Angestellter.
Die kommenden zwei Jahre verbringt er fast vollständig in Kliniken und Reha-Zentren. Er muss sprechen, schreiben, laufen und sogar einfache Bewegungen mit der Hand neu erlernen. Die rechte Körperhälfte war zeitweise gelähmt. Wortfindungsstörungen begleiten ihn noch heute. Doch für Gregori ist klar: „Ich kann nichts anderes, ich bin Handwerker“.

Die BG: Stütze, Wegbegleiter, Lebensretter
In dieser Zeit wird die Bau-Berufsgenossenschaft (BG) zu seinem wichtigsten Partner. Psychologen und Sachbearbeiterinnen – sie begleiten, beraten, organisieren, fördern, fordern. „Die BG war mein Lebensretter, nicht nur medizinisch – auch menschlich und organisatorisch“, sagt Gregori. Die Reha-Einrichtung in Berus, die psychologische Unterstützung, die Umschulung, die Finanzierung von Wohnungen während der Schulungsphasen, selbst das Training auf einem Gerüst mit Höhenangst: Alles organisiert und ermöglicht durch die BG. "Diese Unterstützung war einmalig, das kann man mit Geld nicht bezahlen“, so Gregori.
Am BG-Zentrum in Ludwigshafen trainierte Gregori, wie er wieder eine Leiter hochsteigen kann. Da kamen natürlich die ganze Ängste wieder hoch. „Zu Anfang war es schwierig. Nein, es war grauenhaft. Ich hab gezittert. Ich habe an dieser blöder Leiter gestanden voller Panik, mit Schweißausbruch. Doch die Psychologin hat mit gut zugesprochen und gesagt: Angehen, langsam aber bestimmt. Denn sonst werden sie nie wieder eine Leiter hochgehen können". Und es wird sich auszahlen.
Der rettende Plan: Der Meistertitel
Denn für Gregori gibt es einen Weg zurück: Über die Meisterschule in die Selbstständigkeit. Nur so darf er theoretisch wieder aufs Dach – als Selbstverantwortlicher, nicht mehr im Haftungsbereich eines Arbeitgebers. Doch zuvor braucht er den Gesellenbrief, den er als langjähriger Vorarbeiter nie gemacht hatte. Mit enormer Kraftanstrengung und der Unterstützung der BG kämpft er sich durch die Umschulung – trotz Lernproblemen und Konzentrationsschwierigkeiten. Er zieht für die Dauer der Meisterschule am BBZ Mayen sogar in eine eigene Wohnung, um besser lernen zu können.
Als Gregori wieder arbeitet – beim alten Arbeitgeber – erlebt er einen weiteren Einbruch: Burnout. Zu viel Druck, zu wenig Rücksicht. „Ich war völlig leer, saß nur noch im Dunkeln.“ Eine Psychologin der BG erkennt seinen Zustand und lässt ihn innerhalb weniger Stunden in eine Spezialklinik einweisen.
In der Reha-Klinik Berus verbringt er elf Wochen. In dieser Zeit werden die Mitarbeiter der Bau-Berufsgenossenschaft zu seinem wichtigsten Partner. Psychologen und Sachbearbeiterinnen – sie begleiten, beraten, organisieren, fördern, fordern. „Die BG war mein Lebensretter, nicht nur medizinisch – auch menschlich und organisatorisch“, sagt Gregori. Die psychologische Unterstützung, die Umschulung, die Finanzierung von Wohnungen während der Schulungsphasen, selbst das Training auf einem Gerüst mit Höhenangst: Alles organisiert und ermöglicht durch die BG. "Diese Unterstützung war einmalig, das kann man mit Geld nicht bezahlen“, so Gregori.
Nach dem Klinikaufenthalt folgt der endgültige Bruch mit dem alten Arbeitgeber, inklusive unangenehmer Streitigkeiten. Gregori beginnt von vorn. Verkauft sein Auto, kauft sich einen Bus, 2013 gründet er seinen eigenen Dachdeckerbetrieb. Er startet mit Flachdachreparaturen, um Höhen zu vermeiden. Nach und nach gewöhnt er sich wieder an die Höhe. Heute steht er wieder auf dem Dach – sicher, aber voller Stolz.
Den kompletten Beitrag lesen Sie in DDH 11. 2205.