Teilnehmer des „Training for waterproofing“ in Ruanda
Joachim Schaumlöffel mit den Teilnehmern „Training for waterproofing“ in Ruanda (Quelle: Schaumlöffel)

Porträts

3. November 2022 | Teilen auf:

Botschafter in Sachen Gründach

Ausland: Um Abdichtungsprobleme in Ruanda zu klären, entwickelte Joachim Schaumlöffel zunächst Online-Tutorials. Und staunte dann vor Ort, dass es dank seiner Anleitung seitdem einige Dachbegrünungen gibt. Wir berichten, was der Dachdeckermeister vor Ort erlebt hat.

Dachdeckermeister Joachim Schaumlöffel ist auch Internationaler Meister. Das klingt erst einmal wie ein Judo-Grad, hat aber nichts mit Kämpfen zu tun. Den Titel hat sich Schaumlöffel für seinen Auslandsaufenthalt in Ruanda erworben. „Beim Internationalen Meister geht es um eine Entwicklungszusammenarbeit und weniger um konventionelle Entwicklungsarbeit. Wir als Handwerksmeister gehen vorwiegend in Drittländer und Schulen vor Ort, ohne großen Materialtransport. Im Fokus steht die Wissensvermittlung", so der Dachdeckermeister.
Vor Jahren noch sah die herkömmliche Entwicklungshilfe meistens so aus: Material wurde in Entwicklungsländer verschickt und die Menschen vor Ort sollten damit etwas aufbauen, was selten funktionierte. Der Handwerker war für die technische Umsetzung zuständig — mehr nicht. Vor einiger Zeit entwickelten Mitarbeiter der Bundesregierung ein neues Konzept. Das sieht vor, dass man sich im Ausland vorher ein Bild vor Ort macht und dann die passenden Handwerksmeister sucht, die die Dinge lehren und begleitend umsetzen. Die HWK Rhein-Main bietet den Kurs "Internationaler Meister" an. Hier lernen Handwerksmeister, wie Joachim Schaumlöffel, wie sie sich auf diese Auslandseinsätze in teilweise fragilen Staaten vorbereiten. Hierbei geht es um Fragen wie zum Beispiel: Wie verhalte ich mich in Konfliktsituationen, wie bei Polizei-Einsätzen? Wie plane ich eine Schulung?

Abdichtungsprobleme an den Anlagen

Als der Anruf aus Ruanda kam, war Joachim Schaumlöffel somit vorbereitet. Der Dachdeckermeister aus Gudensberg in Nordhessen hatte schon länger Kontakt mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Bei diesem Projekt ging es zunächst darum, Nässe in Häusern zu vermeiden, um die Bewohner vor Krankheiten zu schützen und die Elektronik sicher zu installieren. Ursprünglich kam die Anregung von einem örtlichen Elektrobetrieb, der der GIZ berichtete, dass dauernd seine installierten Anlagen aufgrund der hohen Feuchtigkeit ausfielen.

Start mit Online-Schulungen

Zu Beginn, 2020, stand dem Auslandsauftrag nur Corona im Wege. Und da hatte Ruanda sehr strickte Auflagen. Schaumlöffel war online ständig in Kontakt mit den Behörden in Ruanda und dachte zu Hause das Projekt schon weiter. Also: warum nur eine reine Abdichtung planen, warum nicht gleich ein ökologisches Flachdach mit Gründach erstellen? So kam er auf die Idee, zu Hause eine Präsentation über Gründächer zu basteln. Geschult durch seine jahrelangen Ehrenamts- und Sachverständigen-Tätigkeiten erstellte der Dachdeckermeister eine Anleitung und sendete diese als erste Arbeitsanleitung nach Ruanda.

Premiere in Kigali

Die Behörden waren begeistert von der Idee, Gründächer zu bauen. „Wasserrückhaltung, Retention. Klimaschutz —all das ist ein riesiges Thema in Ruanda", berichtet Schaumlöffel. Auch im ostafrikanischen Land ist der Klimawandel sicht- und spürbar: Die Durchschnittstemperaturen steigen, immer häufiger kommt es zu Starkregen, Überschwemmungen und Erdrutschen. Die Anregung von Schaumlöffel sprach sich schnell herum, bald meldete sich aus Tumba sogar die Technische Hochschule.

Dacharbeiter Ruanda.
Klimaschutz in Ruanda. DDM Schaumlöffel half dabei, dass in Ruanda die ersten Gründächer stehen. (Quelle: Schaumlöffel)

Erste Umsetzung nach dem Tutorial

Die für den Bau der Technischen Hochschule in Tumba Verantwortlichen, baten Schaumlöffel und sein Schulungsteam, ihr frisch verlegtes Gründach unter die Lupe zu nehmen. Die Verantwortlichen hatten nach der Teilnahme am Onlinekurs das erste Gründach Ruandas auf dem Dach der technischen Hochschule in Tumba geplant. Im August 2022 flog der Dachdeckermeister dann zum ersten Mal für rund zwei Wochen nach Ruanda, um in der Hauptstadt Kigali vor Ort sein praktisches Wissen zu vermitteln. Nach einer Busfahrt von rund drei Stunden war Schaumlöffel erstaunt: Der Bauherr war Teilnehmer seines Online-Kurses über Abdichtung und Gründächer. „Da war ich natürlich froh und begeistert, dass der Inhalt der Kurse so schnell so großen Erfolg hatte. Denn wenn man über das Land fährt und die eine oder andere Hütte sieht, fragt man sich doch, ob die Menschen nicht doch andere Sorgen haben", sagt Schaumlöffel, der sein Projekt realistisch einschätzen kann.

Richtiges Handwerk trotz altem Werkzeug

„Beim Seminar waren alle Teilnehmer zu 200 Prozent dabei, trotz uralter Werkzeuge. Es ist viel Improvisation gefragt. Das können wir uns hier kaum vorstellen. Aber in Ruanda gibt es dafür zumindest noch richtiges Handwerk. Da werden Möbel aus Holz gebaut, das ist unglaublich", berichtet er immer noch begeistert. „Die meisten Teilnehmer hatten zum ersten Mal im Leben einen Brenner in der Hand. Und die Innen- und Außenecken haben wir zunächst mit Papier gebastelt", lacht Schaumlöffel. 
Beim Unterrichten wollte er nicht den Oberlehrer geben, sondern eher ermutigen. „Ich habe Ihnen vermittelt: Geht los und versucht euch. Wir reden nicht über Fehler wie ein paar Zentimeter fehlender Wandanschluss. Sondern: Traut euch beim ersten Gründach im Land, ihr könnt nichts falsch machen", so der Dachdeckermeister.  Gemeinsam wurde das erste Gründach geplant und gebaut. Die Gruppe bestand aus 16 Handwerkern, zwölf erhielten das Gründach-Zertifikat. Nach den Schulungen ließ sich Schaumlöffel nachmittags das Land mit seinen Märkten und Sehenswürdigkeiten zeigen.

Gut bezahlter Auftrag

Schaumlöffels Frau kommt aus Tansania, besonders die ostafrikanischen Länder interessieren ihn. Doch trotz allem sozialem und politischem Engagement ist der Dachdeckermeister kein naiver Gutmensch, sondern immer auch pragmatischer Unternehmer. Die Kurse und der Aufenthalt wurden ihm von der GIZ bezahlt. Das Engagement hat sich auf allen Ebenen gelohnt:

Schulung Abdichtung
Auszüge aus der Präsentation von Joachim Schaumlöffel für die Abdichtungsschulung. (Quelle: Schaumlöffel)

Weitere Gründächer in Planung

„Weil wir dort etwas bewegt haben und es in Ruanda einen Masterplan "Gründach" gibt, gehe ich davon aus, dass das Projekt weitergeht. Das macht mich stolz und glücklich", freut sich der Obermeister der Dachdecker-Innung Kassel. „Phantastisch ist es auch, dass ich mir während der Einsatzzeit Rat bei anderen internationalen Meistern holen konnte. Wir kennen und helfen uns untereinander, sind vernetzt. Das ist ein großartiges Gefühl!" 

Was in den Dachprodukten in Deutschland verbaut wird, ist Schaumlöffel schon lange ein Anliegen. Daher auch sein Engagement im ZVDH-Ausschuss "Nachhaltigkeit. Daher schaut er genau auf die Energie- und Ökobilanzen der Dachbaustoffe. Zum Beispiel verbaut er seit Jahren Holzfaser statt Schäume bei der Fassaden- und Dachdämmung.
Bei der aktuellen Diskussion zum Thema Dachziegel und dessen hohem Energieverbrauch hat er eine klare Meinung: „Es stimmt schon, dass die Produktion sehr energieaufwendig ist, aber muss es denn unbedingt Gas sein? Für mich ist der Dachstein nicht ökologischer. Die Gewinnung von Zement ist nun wirklich nicht umweltfreundlich. Allerdings gibt es wohl kein Material, das nur positive Eigenschaften hat, Kompromisse müssen wir Dachdecker nun mal machen." Ein Ansatz wäre für Schaumlöffel, zumindest über die riesigen Verpackungsmaße nachzudenken. „Es kann doch nicht sein, dass ich nach einem Fenstereinbau ein ganzes Auto voller Müll entsorgen muss", so Schaumlöffel.

Gutachter, Dozent, Obermeister, Internationaler Meister — Schaumlöffel ist engagiert. Auch deshalb ist der Betrieb im Laufe der Jahre kleiner geworden. „Das ist nicht einfach gewesen. Die Mitarbeiter sind teilweise länger als 40 Jahre bei uns. Die möchte ich halten, denn ich schätze sie und sie fühlen sich wohl bei uns. Das ist mir wichtiger als Wachstum", betont er.

Pflanzenwuchs auf Gründach in Ruanda
Vorbereitungen für das Gründach (Quelle: Schaumlöffel)

zuletzt editiert am 01.12.2022