Ein großes Flachdach mit mehreren Oberlichtern unter einem klaren blauen Himmel.
Bereits in DDH 7.2025 und 8.2025 hat sich der ö.b.u.v. Sachverständige Christian Richter mit dem Thema Hagelschäden an Tageslichtsystemen beschäftigt. Nun meldet sich sein Kollege Stefan Ibold zu Wort. (Quelle: DDH)

Flachdach 2025-06-26T09:06:02.582Z Hagelschaden! Oder doch nicht?

Serie Sachverständige: Bei nicht eindeutiger Sachlage werden ö.b.u.v. Sachverständige im Dachdeckerhandwerk hinzugezogen, um Beschädigungen zu beurteilen. Gerade aber bei der Begutachtung von Hagelschäden bei Lichtbändern oder -kuppeln gehen die Meinungen auseinander – ein Dilemma für alle Beteiligten.

In der Ausgabe der DDH – Das Dachdecker-Handwerk 12.2024 und auch auf ddh.de wird erneut die Frage diskutiert, ob bestimmte Schadensbilder an Lichtbändern tatsächlich auf Hagelereignisse zurückzuführen sind oder ob diese vielmehr auf materialbedingte Alterung oder konstruktive Mängel hindeuten. Grundlage dieser Debatte bildet der vielfach zitierte Beitrag von Walter Holzapfel aus dem Jahr 2019, der sich mit der Differenzierung von Hagelschäden und altersbedingten Rissbildungen an Lichtplatten beschäftigt.

Materialspezifische Einzelbetrachtung vorzunehmen

Aus Sicht eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für das Dachdeckerhandwerk – mit langjähriger Erfahrung im Bereich von Unwetterschäden, insbesondere im süddeutschen Raum – ist es jedoch zwingend erforderlich, bei der Bewertung von Schäden an Lichtplatten stets eine objekt- und materialspezifische Einzelbetrachtung vorzunehmen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Sachverständige im Auftrag von Versicherungen tätig wird.


Zahlreiche vorliegende Gutachten und Stellungnahmen – insbesondere bei Großschäden nach Hagelunwettern – zeigen, dass vermehrt pauschale Ablehnungen von Schadensersatzansprüchen erfolgen. Diese basieren nicht selten ausschließlich auf dem Verweis auf Holzapfels Beitrag. Ein solches Vorgehen ist aus fachlicher Sicht nicht haltbar: Die sachverständige Bewertung muss stets unabhängig, weisungsfrei und ergebnisoffen erfolgen – das gilt auch dann, wenn einzelne Fachbeiträge eine bestimmte Argumentationslinie nahe-
legen.

Unterschiede zwischen alten Lichtplatten und modernen

Zwar liefert der erwähnte Artikel durchaus wertvolle Hinweise für die Einschätzung spezifischer Schadensbilder, etwa im Hinblick auf Materialermüdung, Stegabstände und typische Lochmuster. Doch sind die dort untersuchten Lichtplatten – einfache Hohlkammerplatten mit geringer Steghöhe und ohne zusätzliche Kammerung – in ihrer Bauart und Belastbarkeit nicht mit modernen, mehrkammerigen Stegdoppelplatten vergleichbar, wie sie heute üblicherweise in Lichtbändern verbaut werden. Eine pauschale Übertragbarkeit der dortigen Ergebnisse auf andere Bauweisen oder Plattentypen ist somit nicht zulässig.


Hinzu kommt: Viele Schäden, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken oder „nur“ die dünne obere Deckschicht der Platten betreffen, sind in Wirklichkeit typische Resultate eines punktuellen, schlagartigen Energieeintrags – wie er bei Hagelschlag auftritt. Die Tatsache, dass die tragenden Stege unbeschädigt bleiben, steht dem nicht entgegen, sondern ist vielmehr eine konstruktionsbedingte Konsequenz der unterschiedlichen Materialstärken und Krafteinleitungsmechanismen.

Konstruktiven Eigenschaften der Platten bewerten

Eine qualifizierte Begutachtung muss deshalb alle relevanten Faktoren einbeziehen: den Zustand der Bauteile vor dem Ereignis, das konkrete Schadensbild, die konstruktiven Eigenschaften der Platten, meteorologische Daten zur Ereigniszeit sowie gegebenenfalls Spuren an angrenzenden Bauteilen. Nur eine solche Einzelfallanalyse kann zu einem nachvollziehbaren und belastbaren Ergebnis führen.
Besonders kritisch wird es, wenn Versicherungsgutachten Schäden an Lichtbändern allein deshalb ablehnen, weil sie sich auf den Holzapfel-Artikel berufen – ohne das konkrete Objekt tatsächlich untersucht oder eine technische Plausibilitätsprüfung vorgenommen zu haben. Hier zeigt sich ein eklatanter Widerspruch zum Anspruch sachverständiger Tätigkeit, der auf Objektivität, Nachvollziehbarkeit und technischer Neutralität beruht. Auch aus versicherungsrechtlicher Sicht ist eine pauschale Ablehnung problematisch: Nach geltender Rechtsprechung – zum Beispiel durch das Saarländische OLG (Az. 5 U 496/05) – ist ein Hagelschaden auch dann regulierungspflichtig, wenn das Bauteil zuvor bereits geschwächt war, solange der Hagel das auslösende Schadensereignis darstellt. Der bloße Verweis auf eine mögliche Vorschädigung oder Alterung reicht nicht aus, um die Ersatzpflicht auszuschließen – maßgeblich ist die tatsächliche Wirkung des äußeren Ereignisses.

Unabdingbar: Einzelgutachten vom SV

Die Bewertung von Schäden an Lichtbändern im Kontext von Hagelereignissen darf sich nicht auf pauschale Aussagen oder vereinzelte Fachveröffentlichungen stützen. Jeder Schadensfall muss im Rahmen eines eigenständigen Gutachtens geprüft werden – unter Berücksichtigung aller technischen, materialbezogenen und meteorologischen Aspekte. Der ö.b.u.v. Sachverständige ist dabei verpflichtet, seine Feststellungen unabhängig, nachvollziehbar und objektbezogen zu treffen – frei von Interessen, Vorgaben oder vorgefertigten Meinungen. Nur so lassen sich Fehleinschätzungen vermeiden und der hohe Anspruch an sachverständige Arbeit wahren.

Eine Lichtkuppel auf einem Flachdach, die Sonnenlicht reflektiert.
Würde eine Art „Schwacke-Liste“ für Lichtbänder bei der Schadensregulierung helfen? (Quelle: DDH)
Eine Deckenplatte mit einem kleinen Loch in der Mitte, umgeben von feinen Linien und einer gesprenkelten Oberfläche.
Die Stegplatte hat eindeutige Alterungserscheinungen. Ist es dennoch ein versicherter Hagelschaden? (Quelle: DDH)
Eine Hand hält einen digitalen Messschieber, der eine Messung anzeigt.
Auch die Größe des Loches ist ein Kriterium zur Beurteilung eines Schadens. (Quelle: DDH)
zuletzt editiert am 26. Juni 2025