Denkmalschutz: Der Stadtrat von Bonn beschloss im September 2022, eine Restaurierung und Umgestaltung der Kapelle des Nordfriedhofs, da sogar ihre strukturelle Stabilität durch Schäden bedroht war. Zentraler Bestandteil ist die Sanierung des Daches, das von der „Dächer von Weiler & Gilles GmbH“ in altdeutscher Deckung erneuert wurde. Ein besonderes Schmuckstück ist der Turm mit der neuen Bleideckung.
Der Nordfriedhof in Bonn ist nicht nur ein Ort der Ruhe und des Gedenkens, sondern auch ein bedeutender historischer Ort, der viele Geschichten der Stadt in sich birgt. Anfangs war das Areal für die Bonner unattraktiv. Es diente als Gerichtsplatz mit einem Galgen und wurde „Schindanger" genannt, da dort gehängte Verbrecher verscharrt wurden. Gegenüber lag ein Siechenhaus für Menschen mit ansteckenden Krankheiten. Die Bonner nutzten lieber die näheren Friedhöfe der Gemeinden, da es auch keine öffentliche Verkehrsverbindung gab. Erst 1906 verbesserte sich die Situation mit einer Eisenbahnlinie der Köln-Bonner Kreisbahn.
Historischer Überblick
Der Friedhof, gelegen im Stadtteil Auerberg, entstand 1884 und ist einer der größten der Stadt. Mit seiner teilweise denkmalgeschützten Bausubstanz und den weitläufigen Grünflächen ist er ein Zeugnis der Friedhofskultur des 19. Jahrhunderts. Hier befinden sich nicht nur wertvolle Gräber von Bonner Persönlichkeiten, sondern auch Kriegsgräber, die an die beiden Weltkriege erinnern. Die Kapelle auf dem Nordfriedhof ist ein zentraler Bestandteil dieser sehenswerten Anlage. Architektonisch ist die Kapelle ein Beispiel für die neugotische Bauweise, die im späten 19. Jahrhundert weit verbreitet war. Es ist ein Backsteinbau mit einer Werksteinfassade, offener Säulenvorhalle, Apsis und einem Glockenturm. Die seitlichen Anbauten aus Ziegelmauerwerk stammen aus den 1950 er und 1960er Jahren. Die Kapelle hatte durch den Zweiten Weltkrieg nur geringe Kriegsschäden. In ihrer Form blieb sie erhalten. Die Sanierung ist ein wichtiges Vorhaben, das sowohl architektonische als auch kulturelle Bedeutung hat.
Sofortiger Handlungsbedarf
Das Restaurierungs- und Sanierungskonzept sieht die Reparatur des Mauerwerks und die Erneuerung der Fugen. Die Dachkonstruktion wird instandgesetzt und die Dachfläche neu eingedeckt. Bisher fehlende Revisionsgänge werden integriert, um regelmäßige Kontrollen auf Undichtigkeiten und Schädlinge zu ermöglichen. Zusätzlich werden die Natursteinfassade und der Turm saniert. Auf der Agenda steht auch die Restaurierung der charakteristischen Buntglasfenster, die einer gründlichen Reinigung und Reparatur unterzogen werden sollen. Die leinölgebundene Fassung der Holzdecke mit floralen und geometrischen Mustern wird restauratorisch überarbeitet, die ursprüngliche Farbigkeit wieder freigelegt. Ein neues Beleuchtungskonzept wird umgesetzt, das der historischen Bedeutung des Ortes und den praktischen Anforderungen von Trauerfeiern gerecht wird.
Bereits im März 2017 wurden erste Schäden an der Kapelle festgestellt. Wasser war durch eine undichte Dachstelle eingedrungen, und später wurde ein holzzerstörender Pilz entdeckt. Daher beauftragte die Stadt ein auf denkmalpflegerische Instandsetzung spezialisiertes Architekturbüro mit der Planung und Ausführung der Restaurierung. Aufgrund des schlechten Zustands musste die Stadt Bonn sofort Maßnahmen ergreifen: Gerüste wurden errichtet, um das Dach zu sichern und weitere Feuchtigkeitsschäden sowie die Ausbreitung des Pilzes zu verhindern. Die Kapelle wurde gesperrt und durch eine temporäre Trauerhalle ersetzt.
Zuerst der Turm
Türme sind Bauwerke, die einer erhöhten, Windsog- und Staudruckbelastung ausgesetzt sind. Die Zugangstechnik zur Herstellung von Turmdächern mit Standgerüsten ist aufgrund der Höhe arbeits- und kostenintensiv. Walzblei gehört neben Schiefer zu den traditionsreichsten Materialien beim Dach denkmalgeschützter Bauten, ist langlebig, sehr wartungsarm, zu hundert Prozent recyclingfähig, kaltformbar bei geeigneten Temperaturen und findet seit Jahrhunderten als Werkstoff für nachhaltiges Bauen Anwendung. In der Politik ist er nicht unumstritten, aber allein aufgrund seines zu erwartenden Gebrauchstauglichkeitszyklus von Jahrzehnten und der vollständigen Wiederverwendbarkeit nach Recycling zählt er zu den nachhaltigsten Baustoffen. Für Bleiabdeckungen an Türmen werden sogenannten Bleischaren verwendet. Als Schar bezeichnet man die sichtbare Deckbreite und Decklänge von Bleiblechen. Der Zuschnitt des Bleibleches ergibt sich aus der Scharlänge und -breite zzgl. der Falzzugaben und Überdeckungen.
Zur Befestigung der Unterkonstruktion aus Holz an der leicht ab gewitterten Turmspitze aus Tuffstein mussten objektbezogen umfangreiche Vorerkundungen durchgeführt werden, um eine sichere und fachgerechte Befestigung der Unterkonstruktion und der darauffolgenden Bleieindeckung an der Turmspitze zu gewährleisten. Tuff ist ein vulkanisches Eruptivgestein, das auch in der nahen Eifel abgebaut wurde (z.B. Weibener Tuff/Ettringer Tuff). Für eine Befestigung im Tuffstein haben die meisten gängigen Hersteller kein standardisiertes Befestigungsprodukt, das über eine Allgemeines Bauaufsichtliches Prüfzeugnis (AbP / AbZ) oder über eine ETA Zulassung verfügt. Gemeinsam mit dem Hersteller der Verankerungstechnik und dem baubegleitenden Statiker wurden vor Ausführung der eigentlichen handwerklichen Arbeiten protokollierte Auszugversuche mit Edelstahlgewindestangen durchgeführt, die mit Injektionsmörtel im Tuffstein verankert wurden. Die vom Statiker festgelegten Prüflasten wurden problemlos erreicht. So konnte objektbezogen eine fachgerechte Lösung zur windsogsicheren Befestigung des neuen Turmhelmes gemeinsam mit den beteiligten Planern des auf Denkmalschutz spezialisierten Architekturbüros Sander aus Königswinter und den Handwerksspezialisten der Fa. Weiler und Gilles generiert werden.
Von der Rolle bis zur Schare
Gemäß den Technischen Regeln der Gütegemeinschaft Bleihalbzeug e.V., die Bestandteil der Fachregeln für Metallarbeiten im Dachdeckerhandwerk des ZVDH ist (Blei im Bauwesen Teil 1 Technische Regeln Ausgabe Januar 2003) wurde die Unterkonstruktion mit einer Distanzkonstruktion aus technisch getrocknetem Konstruktionsvollholz zur Hinterlüftung und einer flächigen Deckunterlage aus zugelassenen Holzwerkstoffplatten nach DIN 68705 Teil 3 ausgeführt. Als Trennlage wurde eine bitumenfreie, gleitfähige Unterdeckbahn verwendet die gleichzeitig den Witterungsschutz sicherstellte und als Behelfsdeckung während der Ausführung der handwerklich anspruchsvollen und zeitintensiven Arbeiten an der Bleieindeckung des Turmoktogons fungierte.
Der Prozess der Verarbeitung von industriell hergestellten Walzbleiblechen, die im Dachdeckerhandwerk in der Regel als Rollenware von Herstellern bezogen werden, bis hin zu einer fertigen, langlebigen Dacheindeckung setzt ein hohes Maß an Sorgfalt, vorausschauender Planung der Eindeckung und vor allem handwerkliches Geschick im Umgang mit diesem manuell kaltverformbaren Metall voraus. Bei einer Temperaturdifferenz von 100 ° C beträgt die thermische Längenänderung ca. 3 mm je m.
Aufgrund der thermischen Längenänderung des Materials ist je nach Deckart grundsätzlich die maximal zulässige Schargröße in Abhängigkeit von der Dachneigung und der Dicke des Materials zu planen und auszuwählen und die Art der Befestigung zu bestimmen.
In den Fachregeln für Metallarbeiten im Dachdeckerhandwerk sind gemäß § 4.2 Schargrößen für Längs- und Querformate die maximalen Abstände der Längsverbindungen (Scharbreite = A max.) und der maximale Abstand der Querverbindungen (= Scharlänge) in Abhängigkeit der vorgenannten Faktoren Materialdicke und Dachneigung definiert.

Bei Quer- oder Quadratscharen steht eine wesentlich größere Breite für die direkte Befestigung zur Verfügung. Eine Abhängigkeit von Dachneigung und Formatgröße besteht für Querscharen nicht.

Bei dem Turm der Kapelle des Nordfriedhofs in Bonn hat sich der Planer in Abhängigkeit von der Gebäudehöhe für eine Dicke von 2,5 mm mit einer indirekten Befestigung entschieden, auch weil besonderes Augenmerk auf die Langlebigkeit und die Nachhaltigkeit der Dacheindeckung gelegt wurde.
Nach einem örtlichen Aufmaß der fertig gestellten Deckunterlage erfolgt die Einteilung und das handwerkliche zurichten der einzelnen Scharen aus dem angelieferten 2,5 mm dickem Bandmaterial durch die Handwerksspezialisten Ingo Zimmer und Sebastian Lauterbach, die über einschlägige, jahrelange Erfahrung im Umgang mit diesem Deckwerkstoff auch bei komplexen Sakralbauten verfügen.
Die Befestigung der einzelnen Scharen in den Querverbindungen wurde durch Einhang in durchgehende Hafte aus Edelstahl realisiert, die ebenfalls als angelieferte Tafelware nach örtlichem Aufmaß zugeschnitten und gekantet wurden. Diese Querverbindung, auch eingehängter Quer Stoß genannt, ist die stabilste Querverbindung. Sie ist gut geeignet für Dächer und Türme, die starken Windlasten ausgesetzt sind. Die Edelstahlhafte wurden mit bauaufsichtlich zugelassenen Schrauben in der Deckunterlage aus Holz befestigt. Die ausgewählten Schrauben und deren Schraubköpfe tragen beim späteren Auflegen der nächsten Schare und deren manueller Bearbeitung nicht auf -durch die Auswahl der geeigneten Befestigung können so optisch ungewollte Übertragungen auf die spätere Bleieindeckung vermieden werden.

Die Verbindungen der Scharen untereinander erfolgte durch manuelles Verfilzen der Scharen. An den Gratkanten der Teilflächen wurden sogenannten Abdeckkappen in die handwerklich aufgestellten Schare eingefalzt, die zu einem visuell ansprechenden Ergebnis mit optisch kohärentem Abschluss der einzelnen Flächen des Achtecks führte, dies bei gleichzeitiger Fähigkeit, die thermischen Längenänderungen des Deckwerkstoffes aufzunehmen.
Denkmalgerecht in Altdeutsch
Für das Hauptschiff war eine denkmalgerechte Neueindeckung in Altdeutscher Schiefereindeckung nach dem bestehenden Historischen Vorbild geplant. Aufgrund der detaillierten Fotodokumentation des Architekturbüros gab es ausreichendes Bildmaterial, das den Zustand des Daches vor der Sanierung festhielt.
Die Ausführung der Dacheindeckung der Satteldachflächen des Hauptschiffes erfolgte nach Vorgaben der Denkmalschutzbehörden, die Einbindung der Anschlüsse an Dachaustiegssfenster logischerweise konsequent „eingebunden“ gemäß Fachregeln Dachdeckungen mit Schiefer und bei den seitlichen Anschlüssen an die teilweise erneuerten und teilweise restaurierten Gesimse wurden die klassischen Anschlüsse aus Walzblei mit einem oberen Abschluss aus handwerklich eingetriebener Bleiwolle in eine Mauerwerksfuge ausgebildet.











