Dachlandschaft bei Füssen.
Schöne Dachlandschaft bei Füssen. Auch traditionelle Dachbaustoffe wie Dachziegel kommen im Zuge der Energiekrise auf den Prüfstand. (Quelle: DDH)

Markt

28. September 2022 | Teilen auf:

Welche Baustoffe sind sauber?

Energiekrise: Der Krieg und die Energiekrise haben Baustoffe in ein neues Licht gerückt. Vor allem die Produktion von Dachziegeln ist sehr energieintensiv. Wir erläutern, welche Dach-Produkte wann nachhaltig sind.

Über die eingeschränkten Lieferkapazitäten berichteten wir ausführlich in DDH 07.2022. Seit rund einem halben Jahr belasten die teuren Preise Dachdecker und andere Handwerker. Seit Jahresbeginn gab es zum Teil noch nie dagewesene Preissteigerungen bei Dachmaterialien. „Dachziegel werden 30 bis 40 % teurer sein als Ende 2021“, sagt Felix Fink, Ökonom beim ZVDH. Zur weiterhin hohen Nachfrage kommt, dass die Hauptenergiequelle für das Brennen von Dachziegeln Erdgas ist.
Der russische Angriff auf die Ukraine macht sich auch auf dem Energiemarkt bemerkbar, was weltweit eine Energiekrise ausgelöst hat. Bitumen hatte sich schon im Juni extrem verteuert, die Preise sind zwischenzeitlich wieder etwas gesunken, aber immer noch sehr hoch. All das führt dazu, dass Dachdecker große Projekte teilweise verschieben müssen oder zumindest die gestiegenen Preise an die Bauherren weitergeben werden.

Energiebilanzen von Baustoffen vergleichen

Umso wichtiger wird es, dass wir uns in Deutschland von Gas und Kohle unabhängig machen. Für Dachdecker bedeutet das, dass sie sich mehr als bisher nötig mit der Herkunft von Baustoffen, deren Nachhaltigkeit und den Umwelteinflüssen beschäftigen sollten. Denn Bauherren müssen schon teilweise mit sehr langen Verzögerungen rechnen, überlegen, wie mit welchen Materialien sie künftig am Haus investieren wollen.
Um eine Aussage über die Nachhaltigkeit und Umwelteinflüsse von Baustoffen treffen zu können, sind die Umweltproduktdeklarationen EPD (Environmental Product Declaration) entwickelt worden. Darin sind ökobilanzbasierte Indikatoren enthalten, die die Auswirkungen einzelner Baustoffe über den Treibhauseffekt oder den Verbrauch an grauer Energie beschreiben. Die Ressourceneffizienz spielt in den Produktdeklarationen (nach ISO/TR 14025) ebenfalls eine große Rolle: Das betrifft die Verwendung von rohstoffnahen Produktformen und lokal vorrätigen Materialien, die  daraus resultierenden kürzeren Transportwege und somit eine geringere Schadstoffbelastung.

nachhaltigesbauen.de
Zahlreiche Broschüren zum Thema gibt es auf nachhaltigesbauen.de (Quelle: nachhaltigesbauen.de)

Graue Energie: Indirekter Energiebedarf

Für die Umsetzung nachhaltiger, energieeffizienter und ressourcenschonender Gebäude ist eine materialgerechte Planung unerlässlich. Um Planern und Architekten bei der „richtigen“ Auswahl von Produkten zu unterstützen, hat das Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) auf seinem Portal zum nachhaltigen Bauen eine Sammlung verschiedener Baustoffdaten zusammengestellt.

Definition aus dem Leitfaden des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: „Nachhaltiges Bauen strebt für alle Phasen des Lebenszyklus' von Gebäuden – von der Planung, der Erstellung über die Nutzung und Erneuerung bis zum Rückbau – eine Minimierung des Verbrauchs von Energie und Ressourcen sowie eine möglichst geringe Belastung des Naturhaushalts an.“

Bei der Überlegung und Auswertung der Baustoffe kommt der sogenannten „Grauen Energie“ eine wichtige Bedeutung zu. „Graue Energie“ ist die benötigte Energie für die Herstellung, den Transport, die Lagerung, den Verkauf und die Entsorgung eines Produktes. Berücksichtigt werden auch alle Vorprodukte bis zur Rohstoffgewinnung und dem Energieeinsatz aller angewandten Produktionsprozesse. Graue Energie beschreibt somit den indirekten Energiebedarf durch Kauf eines Konsumgutes, im Gegensatz zum direkten Energiebedarf bei dessen Nutzung.
Ein weiterer Faktor ist die Vermeidung von Verpackungsmüll.
Bis 2030 möchte zum Beispiel Velux ein klimaneutrales Unternehmen werden. Unter anderem sollen die Produkte anders entwickelt und verpackt sowie der CO2-Verbrauch der Lieferkette reduziert werden. „Wir können nur erfolgreich sein, wenn wir über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zusammenarbeiten, um das Ziel von 1,5 °C zu erreichen. Nur wenn die Unternehmen beginnen, intensiv und strukturiert mit ihren Wertschöpfungsketten zusammenzuarbeiten, werden wir den notwendigen Wandel schaffen“, so Geschäftsführer Jacob Madsen.

Bau, Betrieb, Rückbau

Will man die Nachhaltigkeit eines Gebäudes beurteilen, muss man den gesamten Lebenszyklus betrachten und in drei Phasen gliedern: Bau, Betrieb und Rückbau. Graue Energie fällt insbesondere durch die beim Bau verwendeten Materialien und deren Entsorgung an. Auch das Passivhaus, das mit erneuerbaren, also grünen Energien betrieben wird, verbraucht beim Bau jede Menge an Primärenergie und produziert dadurch CO2. Bei einem alten Wohnhaus entstehen Klimagase nur noch im laufenden Betrieb. Aus ökologischer Sicht sind daher Modernisierungen einem Neubau oft vorzuziehen.

Dachstein vor Dachziegel

Für Dachdecker heißt das, dass sie vorwiegend Recycling-Materialien nutzen sollten: Eine Möglichkeit, Graue Energie beim Bauen möglichst gering zu halten, ist die Verwendung von Materialien aus der Region sowie von nachhaltigen und recycelten Baustoffen. Natursteine, Hanf, Lehm, Holz verfügen über eine gute Öko-Bilanz. Umweltfreundlich heißt: Im Optimalfall stammen die Materialien aus der Region, zeichnen sich durch eine lange Haltbarkeit aus und können wiederverwendet werden. Dazu kommt allerdings auch, dass die Baustoffe im Idealfall ohne großen Energieaufwand hergestellt werden – sie somit eine gute CO2-Bilanz aufweisen. Das heißt:

  • Sie können gut recycelt werden.
  • Die Materialien sind meist vor Ort verfügbar und abbaubar. Ein langer Transportweg wird vermieden.
  • Biologische Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen haben eine gute Ökobilanz.
Dachstein-Produktion
Dachstein-Produktion: Der Dachstein hat in Sachen Energiebilanz die Nase vorne gegenüber dem Dachziegel. (Quelle: BMI Braas)
Vergleich Kumulierter Energieaufwand (direkter und indirekter Energiebedarf): Dachziegel versus Dachsteine.
Kumulierter Energieaufwand (direkter und indirekter Energiebedarf): Dachziegel versus Dachsteine. (Quelle: Öko-Institut e.V.)

Das Öko-Institut kommt zum Schluss, dass in einer Gesamtbewertung Dachsteine die Nase vorne haben. Die Herstellung verbraucht deutlich weniger Energie als die Produktion von Dachziegeln. Nicht zuletzt, weil der Beton der Dachsteine bereits bei 60 Grad aushärtet. Der Ton der Dachziegel wird hingegen bei rund 900 Grad gebrannt. Bei Dachsteinen muss lediglich das Vorprodukt Zement gebrannt werden. Dem gegenüber steht, dass Dachziegel eine etwas längere Lebensdauer von rund 50 Jahren haben.

Sand, Zement, Wasser
Die Bestandteile von Dachsteinen: Sand, Zement, Wasser (Quelle: Braas BMI)

Naturstoffe wie Schiefer und Holz, die auf fast allen Kontinenten vorkommen, erfordern leider immer noch zu häufig lange Transportwege. Besonders bei Holz ist es wichtig, auf die genaue Herkunft zu achten. Holz aus regionalen Wäldern, die bewirtschaftet und wieder bepflanzt werden, ist nachhaltig, während Holz, das aus Ländern stammt, in denen Raubbau betrieben wird, eine schlechte Ökobilanz aufweist. Eine grobe Orientierung zum Herkunftsnachweis gibt zum Beispiel die FSC-Zertifizierung.

Schiefer: Naturprodukt, aber lange Lieferwege

Schiefer hat eine gute Ökobilanz. Der Schieferstein wird in Bergwerken abgebaut. Hierbei sind keine Bindemittel erforderlich. Auch der Energieaufwand beim Abbau ist sehr gering. Hinzu kommt die lange Lebensdauer: Ein Schieferdach kann gut 100 Jahre überdauern, oftmals länger. Als Naturstoff ist die Entsorgung von Schiefer ökologisch unproblematisch. Allerdings kommt der Schiefer seit Jahren überwiegend aus Spanien, was die Energiebilanz erheblich schmälert.

Die baulichen Eigenschaften von Kupfer, Zink oder auch Aluminium sind einwandfrei, die Arbeitsbedingungen und der Abbau von Metallen sind zum Teil allerdings fragwürdig. Bitumen als Nebenprodukt der Erdölproduktion wird mit einer geringen Grauen Energie und geringen Emissionen hergestellt und ist für Dachdecker in der Verarbeitung unbedenklich. Das gilt auch für Kunststoffdachbahnen, hier gibt es aus ökologischen Gesichtspunkten immer weniger PVC-Produkte. Bei den Dämmstoffen haben die Naturprodukte Holz, Zellulose oder Hanf in Sachen Nachhaltigkeit die Nase vorne.

Gebäuderessourcenpass als eine Art Energieausweis

In dem im November 2021 veröffentlichten Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung angekündigt, einen digitalen Gebäuderessourcenpass einzuführen, ohne diesen inhaltlich näher zu konkretisieren. Es solle eine Maßnahme sein mit dem Ziel, „die Grundlagen (zu) schaffen, (um) den Einsatz Grauer Energie sowie die Lebenszykluskosten verstärkt betrachten zu können“ sowie um „im Gebäudebereich zu einer Kreislaufwirtschaft (zu) kommen“. Der Gebäuderessourcenpass lehnt sich an die Idee des erfolgreich etablierten Energieausweises an. Das grundlegende Prinzip dabei: In dem Ressourcenpass sollen individuell für jedes Gebäude die wesentlichen Informationen rund um den Ressourcenverbrauch, die Klimawirkung und die Kreislauffähigkeit transparent angegeben werden. Er soll die nötigen Informationen zur Verfügung stellen, um Ressourcen in verschiedenen Szenarien wie Urban Mining, Sanierung und Abbruch bestmöglich zu nutzen.

Quellen unter anderem: Appinio GmbH im Auftrag von Solarwatt, Monier Group GmbH, IDH-Konsumentenreport; BHW Mediendienst Mailing, Velux; Wikipedia.

zuletzt editiert am 08.11.2022