Drohnenaufnahme vom verwinkelten Dach eines Hotels mit Ziegel neu eingedeckt
Mit der Umdeckung des Daches vom Hotel am Badersee hat sich das Gewicht um 60 Tonnen reduziert. (Quelle: Erlus AG)

Steildach 10. October 2022 Traufausbildung schützt vor Eiszapfenbildung

Steildach: Die Bobinger GmbH sanierte das 3.000-Quadratmeter-Dach des Hotels am Badersee. Eine Erhöhung des Konterlattenquerschnitts sichert die Konstruktion und das neue Schneefangsystem die Verkehrswege. Dazu schützt die spezielle Traufausbildung vor Eiszapfenbildung.

Als U-förmiges Gebäude situiert sich das Hotel am Badersee mit Blick auf den See. Das 4-Sterne-Hotel, das vom Verband Deutsches Reisemanagement als Tagungshotel und Green Hotel zertifiziert ist, wurde in den 70er-Jahren ursprünglich als Schulungszentrum für die Bayerischen Genossenschaften errichtet. In der Folge wurde das Gebäude kontinuierlich um- und ausgebaut. 2021 musste es energetisch saniert werden. Zum Umfang der Sanierung gehörte auch das komplette Dach. Die Dachfläche auf 766 m über NN wurde mit insgesamt 3.000 Quadratmetern mit Sanierungsziegeln in der Farbe Kupferbraun neu eingedeckt.

Dachdecker auf First stehend, im Hintergrund Zugspitzmassiv
Dachdecker- und Klempnermeister Bobinger erklärt die Besonderheiten des Bauvorhabens vor imposanter Kulisse. (Quelle: Erlus AG)
Dachdecker beim Anschließen der Unterdeckbahn in der Kehle
Der Kehlanschluss zur Aufsparrendämmung erfordert ebenfalls besondere Aufmerksamkeit. (Quelle: Erlus AG)

Echter Zwölfer

„Eine energetische Sanierung ist nicht nur eine Aufwertung des Ökokontos des Bauherren, sondern wenn Fenster und Fassade erneuert und gedämmt werden, kommt es vor allem auch auf die optische Einheit mit dem Dach an“, meint Dachdecker- und Spenglermeister Josef Bobinger. Der erfahrene Dachdecker empfahl dem Architekten und dem Bauherren deshalb bei der Bemusterung der Dachziegel den Ergoldsbacher E 58 SL in Kupferbraun. „Für das 28 Grad geneigte Dach und diese differierenden Sparrenlängen war der Ziegel passend. Denn er ist ein echter ‚12er-Ziegel‘: auf einen Quadratmeter kommen zwischen 11,5 und 12,5 Stück. Damit ist eine so variierende Dachfläche gut zu bearbeiten. Außerdem sagte dem Bauherren das Muster wegen der Sicherheit durch die hohe Seitenverfalzung und der über 11 cm großen Kopfverfalzung gleich zu“, so Bobinger.

Hagelwiderstandsfähig bis zu 4 cm Korngröße

Der Ziegel ist ein verlegefreundlicher Sanierungsziegel. Er stammt aus einer Produkt-Familie, die acht Ziegelmodelle vereint. Die Farbauswahl, das komplette Markenzubehör, die nach CEN TR 15601 geprüfte Regensicherheit bei flachen Dachneigungen und der 30-mm-Verschiebebereich machen ihn zu einem wirtschaftlichen Flachdachziegel. „Wir hatten weder in den Paletten, noch bei der Verlegung erwähnenswerten Bruch“, so Josef Bobinger. „Dass ein stabiler Ziegel, der als Bauherrn-Nutzen die Hagelwiderstandsklasse HW 4 des österreichischen Hagelregisters erfüllt, auch für uns als Handwerker einen solchen Nutzen bringt, hatten wir nicht erwartet. Klar, dass bei uns im Oberland Hagel immer wieder ein Thema ist. Wir setzen deshalb seit Jahren auf hagelgeprüfte Qualität, bei der das gesamte Pressdachziegelsortiment mindestens 4-cm-Hagelkörner, die mit rund 100 km/h auftreffen können, schadensfrei aushalten; aber diesen Ziegel hatten wir halt noch nicht versucht.“

Doppel-Sturmklammer reduziert Klammeranzahl

„Das diagonal verhakte 4-Ziegel-Eck brachte für uns in Kombination mit der Sturmklammer II auch Verlegezeitvorteile. Während bei herkömmlichen einbügeligen Sturmklammern sich häufig einmal das Klammerauge aufbiegt und die Deckung ihre Windsogsicherheit verliert, ist bei der zweibügeligen Sturmklammer II der Windsogwiderstand so hoch, dass selbst mit einer Verklammerung nur eines jeden dritten Ziegels Regelkonformität zur deutschen ZVDH-Richtlinie erreicht werden konnte“, erläutert Dachdecker- und Spenglermeister Josef Bobinger.

Solide Konterlattenhöhe

Nach den ZVDH-Richtlinien sind in Deutschland Konterlatten mindestens 24 mm hoch und in Abhängigkeit von Sparrenlänge, Dachneigung und der zu erwartenden Belastung der regensichernden Zusatzmaßnahme zu dimensionieren. „Bei uns in Oberau haben wir allerdings immer einen guten Blick auch auf die österreichische Seite der Zugspitze“, erklärt Dachdeckermeister Josef Bobinger verschmitzt. „Dort werden Konterlattenhöhen gemäß der ÖNorm B3419 dimensioniert.

Tabelle Norm Konterlattenhöhe Österreich
In Österreich werden höhere Anforderungen an den Konterlattenquerschnitt gestellt. (Quelle: Erlus AG)

Auch wenn die richtig hohen Konterlatten erst 10 km hinter dem Badersee, in Österreich, offiziell geforderte und anerkannte Regel der Technik wären, haben die sich auch bei uns im Oberland bestens bewährt. Wir setzen nichts unter 40 mm Höhe mehr ein. Gemeinsam mit einer vernünftigen Traufzuluft und Firstabluft bringt eine hohe Konterlatte nur Vorteile, von trockenen Dachkonstruktionen bis zum sommerlichen Wärmeschutz.“  

Eiszapfen vermeiden

Üblicherweise werden in den schneereichen Gebieten Süddeutschlands die Dachrinnen so hoch gehängt, dass auch im Winter die Traufe zu Firstlüftung funktioniert. Beim Hotel am Badersee sieht das allerdings etwas anders aus. „Der Artikel 14 der Bayrischen Bauordnung fordert Verkehrssicherheit für bauliche Anlagen, weshalb wir die Traufe anders gestaltet haben. Hier im ‚Blauen Land‘ haben wir häufig mal einen Eisrückstau bei Dächern, sodass wir das Unterdach bei diesem Bauvorhaben in die Rinne führten, damit eine mögliche Eiszapfenbildung von sich aus vermieden werden kann. Die Zuluft der Eindeckung haben wir über eine mehrteilige kupferne Traufkonstruktion aus Trauf- und Lochblechen ausgeführt“, erklärt Dachdecker- und Spenglermeister Josef Bobinger. „Überhaupt wurden hier alle Blecharbeiten in Kupfer ausgeführt. Kupfer ist nicht nur bei unseren alpinen kalten Temperaturen noch flexibel, sondern auch langlebig und nachhaltig.“

Traufausbildung mit Kupferrinne und dahinein entwässerndem Unterdach
Um die Gefahr der Eiszapfenbildung hinter der Rinne zu mindern, entwässert das Unterdach in die Rinne. (Quelle: Erlus AG)

Unterdrucklüftung am First

Am First wurde die Abluft mit dem im Unterdruck wirksamen vollkeramischen Firstlüfterziegel 15 Lü ausgeführt. Der Windsog auf der windabgewandten Dachseite, sowie der mögliche thermische Auftrieb zur auf dem höchsten Punkt des Daches befindlichen Lüftungsöffnung ermöglichen größtmöglichen Luftdurchsatz. Schnell trocknendes Holz und trockene Ziegel sind das Resultat dieser Unterdruck-Firstlüfterziegel, das beweisen auch die Untersuchungen des Lehrstuhls für Strömungsmechanik aus Erlangen. Diese Lüfterfirste werden mit einer formschlüssig über den Falz fassenden geschützten Edelstahlfirstklammer befestigt, die dann durch die Stirn des Firstes greift. Damit erreicht diese Befestigungsart die geforderten 0,6 kN/m ohne direkte Verschraubung der Firste, welche in dieser Region auch Firstreiter genannt werden.

Keramische Firstlösung
Keramische Firstlösung im Querschnitt dargestellt. (Quelle: Erlus AG)
Vollkeramischer First
Die Firstausbildung erfolgte vollkeramisch. (Quelle: Erlus AG)

Schneeschutz für Verkehrssicherung

Der zur Verkehrssicherung notwendige Schneeschutz wurde aus einer Kombination aus einem linienförmig traufparallel eingebauten Schneefangsystem (einem Schneefangdoppelrohr) und rund 3,5 Stück Schneestoppern pro Quadratmeter, einem sogenannten flächigen Schneehaltesystem, gebaut. „Nur durch die Kombination aus beiden Systemen sind wir bei uns im Oberland in der Lage, regelkonforme, verkehrssichere Schneeschutzmaßnahmen zu erreichen“, erklärt Josef Bobinger, „denn bei rund 4,5 kN/qm Bodenschneelast braucht man zusätzlich zum geforderten Schneefang ein Haltesystem in der Fläche, um durch den Schub auf die Schneefangvorrichtung diese nicht überzustrapazieren. Natürlich haben wir bei der Auswahl des Schneeschutzsystems und der Schneestopper darauf geachtet, dass passgenau verfalzte Grundplatten mit normativ nachgewiesener Tragfähigkeit und Stopper aus dem Original-Zubehörprogramm Verwendung fanden“, schildert Josef Bobinger. „Schließlich fordert das Dachdeckerregelwerk in seinem Merkblatt Einbauteile nicht umsonst unter 3.6 (6), dass die Regensicherheit und Funktion der Dachdeckung durch das Schneeschutzsystem nicht beeinträchtigt werden darf! Baumarktschneefänge, bei denen die Verfalzung der Dachziegel entfernt werden muss, verwenden wir schon lange nicht mehr, das ist weder dauerhaft, noch entspricht es den aktuell in Deutschland gültigen Regeln der Technik.“

Kehlanschluss ans Hauptdach einer tiefergelegten Kupferkehle
Die Kupferkehle wurde tiefergelegt. (Quelle: Erlus AG)
Schneefangsystem Alu-Doppelrohr auf neu eingedecktem Ziegeldach in gleicher Farbe naturrot
Zur Sicherung der Verkehrswege setzte die Bobinger GmbH ein Schneefangsystem aus Alu-Doppelrohr mit systemeigenen Haltern ein. (Quelle: Erlus AG)
Ziegeldachfläche mit Schneestoppern
Um ein Abrutschen der Schneemassen zu verhindern, wurden zusätzlich auf der Fläche Schneestopper installiert. (Quelle: Erlus AG)

Tonnen eingespart

Das Bestandsgebäude war mit 15-mm-Biberschwanzziegeln eingedeckt, rund 210 Tonnen dieser alten Ziegel wurden abgenommen. Rund 150 Tonnen neue Tondachziegel bedecken jetzt die Dachfläche. „Damit haben wir statisch wieder etwas ‚Luft nach oben‘ bekommen, denn die Planung der 70er-Jahre legte noch geringere Schneelasten zugrunde. Baubeginn war im März 2021, Ende Juli 2021 konnte die Baustelle abgeschlossen werden. Vom Baustart an bis zum Schluss klappte die Zusammenarbeit mit dem Hersteller wirklich klasse“, lobt Bobinger die Betreuung.

Paul Zielinski und Bianca Marklsdorfer

zuletzt editiert am 10.10.2022