Eine Terrassenüberdachung mit UV-geschützter Seite oben und unten, aus der Vogelperspektive aufgenommen.
Terrassenüberdachungen mit falscher Ausführung bei dem Einbau der Doppelstegplatten: Der fehlende UV-Schutz an den Platten rechts führte zu vorzeitiger Versprödung. (Quelle: Christian Richter)

Flachdach 2025-07-16T09:34:58.450Z Zwischen Neuwert und Zeitwert

Serie Sachverständige: Lichtbänder, Lichtkuppeln und Stegdoppelplatten gehören zu den besonders hagelgefährdeten Bauteilen. Die sachverständige Beurteilung von Schäden an diesen Elementen ist dabei eine Frage der Konstruktionsanalyse und der korrekten Bewertung im versicherungsrechtlichen Kontext. Die Unterscheidung zwischen Neuwert- und Zeitwertversicherung spielt bei der Schadenregulierung eine zentrale Rolle – mit teils erheblichen finanziellen Folgen für Eigentümer und Versicherer.

Nachdem der Artikel in der vorherigen Ausgabe DDH 07 auf die Begutachtung von Schäden an Tageslichtsystemen eingegangen wurde, sollen hier die Bewertungsgrundlagen für Hagel- und Sturmschäden an lichtdurchlässigen Bauteilen näher beleuchtet werden.

Neuwert oder Zeitwert – worauf es im Schadenfall ankommt

Im Zentrum der versicherungsrechtlichen Bewertung steht die Frage: Wird ein beschädigtes Bauteil zum Neuwert oder zum Zeitwert ersetzt? Bei einer Neuwertversicherung erfolgt die Regulierung auf Basis der Wiederbeschaffungskosten eines gleichwertigen neuen Produkts – unabhängig davon, wie alt das beschädigte Bauteil war, solange dieses vor dem Ereignis funktionstüchtig und nicht vorbeschädigt war.

Anders bei der Zeitwertversicherung: Hier wird der Wiederbeschaffungswert um einen altersbedingten Abschlag reduziert. Die Bewertung erfolgt meist linear anhand der technischen Lebensdauer – etwa wie sie in den Tabellen des BNB (Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen) oder in Richtlinien öffentlich bestellter Sachverständiger ausgewiesen sind. Zusätzlich können Entwertung (z. B. durch optische Alterung, Materialversprödung) und ein Vorteilsausgleich (z. B. bei technischer Aufwertung durch moderneres Ersatzprodukt) berücksichtigt werden.

Praxisbeispiel: Hagelschaden an einem Lichtband

Ein 15 Jahre altes Lichtband mit einem Neuwert von 10.000 € wurde durch ein Hagelereignis beschädigt. Die technische Lebensdauer beträgt 20 Jahre. Die Berechnung im Fall einer Zeitwertversicherung erfolgt wie folgt:

  • Zeitwert: 10.000 € × (1 - 15/20) = 2.500 €
  • Entwertung (10 % wegen Materialalterung): 2.500 € × 0,90 = 2.250 €
  • Vorteilsausgleich (10 % für verbessertes Ersatzprodukt): 2.250 € × 0,90 = 2.025 €
  • Erstattungsbetrag: 2.025 €

Bei einer Neuwertversicherung wären hingegen die vollen 10.000 € zu erstatten – vorausgesetzt, der Schaden ist eindeutig dem Hagelereignis zuzuordnen.

3VKF-Prüfverfahren als Entscheidungshilfe

Für die sachverständige Beurteilung von Hagelschäden an Lichtkuppeln, Lichtbändern und Stegplatten bietet die Klassifizierung nach VKF-Prüfbestimmungen eine praxisnahe und technisch fundierte Orientierung. Die Prüfungen erfolgen durch normierten Eiskugelbeschuss – je nach Einbausituation senkrecht oder in einem Winkel von 45° zur Oberfläche. Bewertet werden dabei sowohl konstruktive Schwachstellen (z. B. Kanten, Radien, Verbindungen) als auch funktionale Eigenschaften wie Dichtigkeit, Lichtdurchlässigkeit und mechanische Stabilität.

Die Einstufung in Hagelwiderstandsklassen HW 1 bis HW 5 – abhängig vom Durchmesser und der Aufprallgeschwindigkeit der verwendeten Eiskugeln – schafft eine nachvollziehbare Vergleichsbasis. Dies erleichtert es, meteorologische Daten zum konkreten Unwetterereignis mit der geprüften Widerstandsklasse des Bauteils abzugleichen. Liegt beispielsweise ein Produkt mit HW 2 vor und wurden im Schadensgebiet Einschläge mit deutlich größeren Hagelkörnern dokumentiert, lässt sich eine Schadenkausalität mit hoher Wahrscheinlichkeit technisch begründen.
In der gutachterlichen Praxis stellt die VKF-Klassifizierung damit ein nützliches Instrument dar, um Schadenursachen objektiv einzuordnen, Bewertungen nachvollziehbar zu begründen und technische Zusammenhänge sachlich zu klären – ohne dabei die notwendige Einzelfallanalyse zu ersetzen.

Hinweis auf möglichen Montagefehler

Werden an einem Lichtband ausschließlich die zugeschnittenen Platten – meist am Anfang oder Ende des Systems oder in Form von Passplatten an Rauchabzugsklappen – von Lochbildungen betroffen, während die übrigen, ungeschnittenen Platten des Lichtbands unbeschädigt bleiben, ist neben einer möglichen Hagelbelastung auch ein Montagefehler in Betracht zu ziehen.
Häufig handelt es sich bei solchen Lichtplatten um Produkte mit einseitigem UV-Schutz. Werden diese vor Ort passgenau zugeschnitten, besteht das Risiko, dass sie beim Einbau versehentlich mit der UV-geschützten Seite nach unten eingebaut werden. In diesem Fall sind sie oberseitig nicht gegen UV-Strahlung geschützt, was zu einer deutlich beschleunigten Alterung der Platten führen kann. Diese ungeschützten Platten neigen infolge der frühzeitigen Materialversprödung bereits bei Starkregen oder mechanischer Punktbelastung zum Bruch. In der Schadenmeldung werden solche Folgeschäden dann häufig als Hagelschäden deklariert – obwohl die tatsächliche Schadensursache in einem fehlerhaften Einbau zu suchen ist.
Im Rahmen einer sachverständigen Bewertung ist daher stets zu prüfen, ob die beschädigten Platten korrekt eingebaut wurden und der UV-Schutz auf der dem Sonnenlicht zugewandten Seite liegt. Liegt ein Einbaufehler vor, kann ein Teil der Schadenursache auf eine fehlerhafte Verarbeitung zurückgeführt werden, was auch versicherungsrechtlich von Relevanz sein kann.

Vorschäden oder Hagelschlag?

Lichtplatten aus Polycarbonat oder Acrylglas – insbesondere als Stegdoppelplatten – sind häufig von Hagelschäden betroffen. Doch nicht jeder Bruch oder jede Lochbildung geht zwingend auf ein Unwetter zurück. Vielmehr zeigt die Erfahrung, dass Vorschäden durch Alterung, UV-Belastung oder Montagefehler eine entscheidende Rolle spielen können.


Typische Anzeichen für Vorschäden: Sichelförmige oder halbrunde dunkle Verfärbungen an der Plattenoberfläche – besonders mit dunklem Rand – deuten auf eine bereits geschwächte Struktur hin. Solche Bereiche sind oft noch nicht eingestürzt, brechen aber spätestens bei Starkregen kreisrund in die Kammer ein. Hier liegt kein mechanischer Einzelschlag durch Hagel, sondern ein materialbedingter Vorschaden vor.


Lochbildungen zwischen Stegen: Ein verbreitetes Missverständnis lautet, dass Hagel nur dann ursächlich sei, wenn auch die Stege beschädigt wurden. Tatsächlich kann es aber gerade zwischen den Stegen zu Ausbrüchen kommen: Die senkrechten Stege besitzen eine höhere strukturelle Widerstandsfähigkeit als die waagerechte Deckschicht. Ein Hagelschlag trifft daher oft die weicheren Zonen zwischen den Stegen – insbesondere bei fortgeschrittener Materialalterung.


VKF-Klassen als technische Bewertungsgrundlage: Die Schweizer Hagelwiderstandsklassen (HW 1–5) bieten eine sachlich belastbare Grundlage zur Einordnung. Liegt etwa eine Platte mit HW 2 vor und es treten Schäden nach einem Ereignis mit dokumentierten 30–40 mm Hagelkörnern auf, ist die Schadenkausalität durchaus plausibel.
Montagefehler nicht vergessen; Werden nur Passplatten oder Randbereiche beschädigt, sollte auch an einen fehlerhaften UV-Schutz (z. B. Einbau der Schutzseite nach unten) gedacht werden. Das führt zu frühzeitiger Versprödung – Schäden sind hier ebenfalls keine Folge von Hagel, sondern von Einbaufehlern.

Den ausführlichen Beitrag lesen Sie in DDH 08. 2025.

Eine Dachplatte mit einer sichtbaren Beschädigung in der Mitte, hervorgehoben durch einen roten Kreis.
Sichelförmige oder halbrunde dunkle Verfärbungen an der Plattenoberfläche – besonders mit dunklem Rand – deuten auf eine bereits geschwächte Struktur hin. Solche Bereiche sind oft noch nicht eingestürzt, brechen aber spätestens bei Starkregen kreisrund in die Kammer ein. Hier liegt kein mechanischer Einzelschlag durch Hagel, sondern ein materialbedingter Vorschaden vor. (Quelle: Christian Richter)
Eine Nahaufnahme einer Industrie-Dachoberfläche mit mehreren Lichtkuppeln und sichtbaren Verschmutzungen.
Typisches Hagelschadenbild: Lochbildungen ausschließlich zwischen den Stegen, keine Risse oder sichelförmigen Vorschäden – bei Neuwertversicherung voll erstattungsfähig, bei Zeitwertversicherung abhängig von Alter, Entwertung und Vorteilsausgleich. (Quelle: Christian Richter)
zuletzt editiert am 24. Juli 2025