Zerstörtes Dach, Hagelschaden
Ein rund 35- jähriges Ziegeldach, das bei einem Hagelschaden großflächig zerstört wurde. (Quelle: Krinninger)

Arbeitssicherheit 27. February 2023 Alte Mineralwolle: Vorsicht, Gift im Dach

Schadstoffe: Bei vielen Zwischensparren-Dämmungen, die vor 1996 ausgeführt wurden, sind unter anderem kanzerogene Mineralfaserdämmstoffe eingebaut worden. Falls Dachdecker bei Sanierungen auf alte Mineralwolle stoßen, sollten sie diese zum Teil krebserregenden Stoffe unbedingt fachgerecht ausbauen.

Im Rheintal, insbesondere im Neuwieder Becken, sind im Mai 2022 gravierende Hagelschäden entstanden. Zigtausende Dächer, egal mit welchen Materialien eingedeckt oder abgedichtet, wurden beschädigt. Die Hagelschäden waren so stark, dass selbst Asbestzement Wellplatten und Dachplatten zerschlagen wurden, ebenso wie Windschutzscheiben bei Autos. Dieser katastrophale Zustand führte dazu, dass eine Fülle von Dächern in diesen Gebieten zurzeit als Notdächer provisorisch abgesichert sind, die nun sukzessive saniert werden.

Wenn der ausführende Dachdecker nunmehr eine Sanierung durchführt, stößt er häufig auf Gefahrstoffe im Dachaufbau. Bei sehr vielen Zwischensparren Dämmungen die vor 1996 gebaut wurden respektive ausgeführt wurden, sind unter anderem kanzerogene (KI < 40) Mineralfaserdämmstoffe verwendet. Diese, also bis 1996, produzierten Dämmstoffe sind krebsgefährdend. Weitere in der Zeit von 1996 bis 2000 produzierte Mineralfaser Dämmstoffe sind wahrscheinlich kanzerogen. Um dieses final zu prüfen, ist eine Laboruntersuchung hilfreich. Die in Neuwied ansässige Materialprüfungs- und Versuchsanstalt Neuwied GmbH führt z.B. solche Untersuchungen durch. Auch der ZVDH hat Kooperationsverträge mit Laboren.

Prüfung bestätigt lungengängige Fasern

Der Autor beantragte eine Prüfung der alten Mineralwoll-Dämmung bei der Materialprüfungs- und Versuchsanstalt Neuwied. Die Ergebnisse zeigen, dass die eingereichte Minerawolle Fasern aufweist, die unter die Definition der WHO für lungengängige Fasern fallen. Weiterhin liegt der ermittelte Kanzerogenitätsindex KI in einem Bereich, der typisch für die als krebserzeugenden, "alten" Mineralwollen sind, die vor 1996 produziert wurde.

Dämmung Dach
Mineralwolle, die vor 1996 eingebaut wurde, ist im Sinne der TRGS 521 zu behandeln. (Quelle: Krinninger)

Krebsgefährdende Mineralfaser entfernt

Bei dem hier zu sanierenden Dach handelt es sich um ein circa 35- jähriges Ziegeldach, welches bei dem Hagelschaden großflächig zerstört wurde. Die Wärmedämmung wurde partiell nass und somit unbrauchbar. Aufgrund des Alters war eindeutig abzuschätzen, dass die hier vorhandene Wärmedämmung mit Sicherheit kanzerogen, also krebsgefährdend ist.

Deshalb wurde hier diese kanzerogene, krebsgefährdende Mineralfaser entfernt. Ziel war es dann, eine neue Wärmedämmung nach GEG (Gebäude Energie Gesetz) Standard einzubauen. Eine Aufdachdämmung schied aus verschiedenen Gründen aus. Aber auch bei einer Aufdachdämmung empfiehlt es sich dringend, die vorhandene kanzerogene Mineralfaser Dämmung nicht im Dachaufbau zu belassen. Der Rückbau der Altmaterialien, welche also kanzerogen sind, ist alleine deshalb schon sinnvoll, da es sehr problematisch ist, solche Gefahrstoffe im Dachaufbau zu belassen. Die innenliegenden Deckenbekleidungen sind in früheren Jahren teilweise aus Holz ausgeführt, so dass diese nicht rieseldicht sind. Manchmal gibt es auch Gipskartonplatten die vermeintlich eine gewisse Luftdichtheit generieren, jedoch aus der damaligen Zeit stammend nicht die Ansprüche an eine heutige luftdichte Konstruktion gewährleisten können. Insofern droht dort immer eine Kontamination des Innenbereiches.

Alte Dämmung im Dach
Je schneller sich WHO-Fasern in der Lunge auflösen, desto geringer ist die Gefahr von gesundheitlichen Schäden. (Quelle: Krinninger)

Im Zweifel Bedenken anmelden

Auch die Möglichkeit von innen Deckenspots einzubauen birgt ein hohes Gefährdungspotential. Sollte der Bauherr im Nachgang sich dazu irgendwann entscheiden, werden aus der Dachkonstruktion beim Bohren von Löchern für Deckenspots entsprechende Kontaminationen generiert. Der ausführende Dachdecker sollte deshalb immer darauf drängen, dass diese Schadstoffe ausgebaut werden. Ein Ausbau der kanzerogenen Schadstoffe ist zwar nicht verpflichtend geregelt, doch die Vernunft gebietet dies schon. Im Zweifel sollte eine Bedenkenanmeldung erstellt werden. Wenn dann ausgebaut wird, greifen die üblichen Regeln u.a. die TRGS 521.

Mineralfaser nach TRGS 521 entsorgt

Es erfolgte der komplette Rückbau der defekten Dachdeckung, der Lattung, der Folien und der kanzerogenen Mineralfaser. Diese Mineralfaser wurde nach der TRGS 521 (Technische Regel Gefahrstoffe) ausgebaut, direkt verpackt und entsorgt.

Die Bereiche wo die Mineralfaser verlegt war, wurden mit einem H-Sauger abgesaugt, um so eine zukünftige Kontamination nach innen zu vermeiden. Ebenso wurde die alte vorhandene -nicht funktionsfähige- Dampfsperre , die nicht luftdicht verlegt war, entsprechend ausgebaut und entsorgt. Der Neuaufbau erfolgte dann auf die vorhandene Gipskartondecke, die innen belassen werden konnte, mit entsprechenden Dampfsperren aus Polyamid (sogenannte PA Folien) die einen feuchteabhängigen Sd-Wert gewährleisten.

Diese PA Folien werden mit Sanierungsleisten lagesicher ausgeführt, so dass der Anpressdruck an die Sparren gewährleistet ist. Die neue Wärmedämmung wurde dann sinnvollerweise als Vollsparren Dämmung ausgeführt, so dass allein durch dies Konstruktion die Anforderung des GEG erfüllt waren. Nach Verlegung einer Diffusionsoffenen Unterdeckbahn konnten die Konter- und Traglattung sowie die Dacheindeckung wieder eingebaut werden.

Herbert Gärtner

Keine unmittelbare Gefahr durch alte Mineralwolle im Bestand

Keine unmittelbare Gefahr durch alte Mineralwolle im Bestand

Eine Studie aus dem Jahr 2012 kommt zu dem Ergebnis, dass von korrekt eingebauter alter Mineralwolle auch nach Jahren des Verbleibs im Gebäude keine signifikante Gefahr ausgeht. Darin heißt es u.a. 

Die Konzentrationen waren bei allen Faserarten der kritischen Größe jeweils unterhalb 500 Fasern/m3, demjenigen Wert, der als Zielwert für die Sanierung von Innenraumbelastungen bei Asbest gilt. Zu berücksichtigen ist, dass künstliche Mineralfasern als weitaus ungefährlicher als Asbestfasern einzustufen sind. Da die Konzentrationen an Fasern der kritischen Größe (künstliche Mineralfasern) in den untersuchten Räumen der für diese Studie ausgewählten Liegenschaften sogar unterhalb des Zielwertes für Asbestfasern liegen, besteht aus gesundheitlicher Sicht daher auch weiterhin kein Grund, sachgerecht eingebaute Mineralwolle-Dämmstoffe (künstliche Mineralfasern) zu entfernen.

 

Somit kann die alte Mineralwolle unbedenklich im Gebäude verbleiben. Auf dieser Grundlage besteht kein Anlass für eine pauschale Hinweispflicht. Lediglich im Einzelfall, z.B. bei bautechnischen Mängeln oder externen Beschädigungen kann die Notwendigkeit des Hinweises bestehen.

zuletzt editiert am 06.03.2023