Drei Dachdecker bei der Montage von Solarmodulen auf einem eingelatteten Steildach
Quelle: autarq

Solar 19. June 2023 Solar-Anlage: Integriert oder aufgeständert?

Solar: In einigen Bundesländern besteht bereits eine Solarpflicht, andere bereiten sie vor. Damit wird auch die Rolle des Dachdeckers einmal mehr unterstrichen, denn Dachflächen sind grundsätzlich ein idealer Standort für die nachhaltige Energiegewinnung. Insbesondere der Einsatz von Solaranlagen auf Steildächern stellt jedoch besondere Anforderungen an Planung und Montage.

Die Grundanforderungen an Bauwerke nach der europäischen Bauproduktenverordnung betreffen unter anderem die mechanische Festigkeit und Standsicherheit von Bauwerken und Bauprodukten. Die „Wesentlichen Merkmale von Bauprodukten“ werden entsprechend den Grundanforderungen an Bauwerke in harmonisierten technischen Spezifikationen festgelegt. So ist z. B. die mechanische Beanspruchung durch Wind- und Schneelasten von Solarkollektoren bzw. PV-Modulen und deren Befestigungen am Gebäude eine wesentliche Eigenschaft, die der Erfüllung der Grundanforderung an die mechanische Festigkeit und Standsicherheit und damit dem Schutz des Bauwerks und seiner Nutzer vor Einsturz, Verformung oder Beschädigung dient. Die Landesbauordnungen beschreiben diese Grundanforderungen in der Bauregelliste. Sie sind vom Planer und vom Bauausführenden zu beachten.

Regeln und Richtlinien

Insbesondere für das Bauteil Dach sind weitergehende Anforderungen in Normen und Regelwerken beschrieben. Aus dem Regelwerk des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) sind für die Montage von Solaranlagen insbesondere die Fachregeln für Dachdeckungen, die Hinweise zur Lastannahme und die Merkblätter für Einbauteile und Solaranlagen zu beachten. Die Richtlinie 6012 Blatt 1.4 „Befestigung von Solarmodulen und Kollektoren an Gebäuden“ des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) ergänzt die Anforderungen.Diese gelten nicht nur für das Dachdeckerhandwerk, sondern sinngemäß für alle Gewerke, die bauliche Maßnahmen am Dach durchführen. Bei der Montage von Solaranlagen auf Dächern sind die Befestigungssysteme den Kräften von Wind und Schnee sowie Temperaturschwankungen und anderen Witterungseinflüssen ausgesetzt. Zudem greifen die Befestigungssysteme in die Bau- und Dachkonstruktion ein.

Regensicherheit

Ein wichtiges Merkmal im Regelwerk des Dachdeckerhandwerks wird bei der Planung und Ausführung mit der Sicherstellung der „Regensicherheit“ einer Dachdeckung und ihrer Bauteile, also auch der Befestigung von Solaranlagen, beschrieben. Die Regensicherheit ist eine Grundanforderung, die bei Einhaltung der in den Fachregeln angegebenen Regeldachneigungen und -überdeckungen für Dachziegel und Dachsteine in Abhängigkeit von der Dachneigung im Regelfall erreicht wird. Für den Nachweis der Regensicherheit einer Dachdeckung spielen neben den Erfahrungswerten der Regelwerke die Ergebnisse von Windkanalversuchen eine entscheidende Rolle. Die Forderung nach Regensicherheit gilt auch für alle Einbau- und Zubehörteile der Dachdeckung.

Erhöhte Anforderungen

Im ZVDH-Merkblatt Solartechnik wird u.a. darauf hingewiesen, dass Aufdach- oder Indachanlagen eine erhöhte Anforderung darstellen und auch bei Einhaltung der Regeldachneigung geeignete Zusatzmaßnahmen zur Regensicherheit erfordern. Erhöhte Anforderungen ergeben sich aus der Dachneigung, der Nutzung, der Konstruktion, den klimatischen Verhältnissen, den technischen Einrichtungen (z.B. Solaranlage) sowie den örtlichen Vorschriften. Erhöhte Anforderungen an die Dacheindeckung lösen nach dem Regelwerk des ZVDH in Abhängigkeit vom Gebäudetyp immer Zusatzmaßnahmen an der Dacheindeckung aus. Zusatzmaßnahmen können dabei nahtsichere Unterspannbahnen, naht- und durchstoßsichere Unterspannbahnen, überlappende oder durchstoßsichere Unterspannbahnen, geschweißte oder geklebte Unterspannbahnen, naht- und durchstoßsichere Unterspannbahnen, regensichere oder wasserdichte Unterdächer sein. Die Zusatzmaßnahmen werden in Klassen eingeteilt, die sich wiederum nach Art und Anzahl der erhöhten Anforderungen sowie eventuellen Unterschreitungen der Regeldachneigung richten und eine zweite Abdichtungsebene unterhalb der Dachhaut darstellen. Eine Solaranlage löst somit eine höhere Zusatzmaßnahme unterhalb der Dachhaut aus. Dies kann z.B. auch die Temperaturbeständigkeit einer Unterdeckbahn betreffen.

Aufdachmontage

Für die Befestigung von PV-Anlagen auf dem Dach gelten die gleichen Regeln wie für alle anderen Zubehör- und Einbauteile auf dem Dach. Dies wird entsprechend im ZVDH-Merkblatt Solartechnik gefordert. Neben der Tragfähigkeit und Lagesicherheit einer PV-Anlage werden hier Maßnahmen zur Gewährleistung der Regensicherheit einer Dacheindeckung beschrieben, die für die Funktionssicherheit der Solaranlage und des Daches über einen langen Investitionszeitraum gelten. Die Hauptaufgabe einer Solarhalterung ist die sichere Ableitung der zusätzlichen Sog-, Druck- und Schubkräfte der Solaranlage auf das Dach. Sie werden am Tragsystem, in der Regel an den Sparren, befestigt und müssen daher durch die Dachhaut geführt werden.

Praktische Erfahrungen bei Schadensuntersuchungen zeigen, dass insbesondere die Befestigung von Solaranlagen auf dem Dach, die Weiterleitung der auftretenden Kräfte durch die Dachhaut vom Tragwerk zum Dachaufbau sowie die Einbindung von Leitungen in die Dachhaut mangelhaft ausgeführt sein können und zu Funktionsproblemen der Dachhaut führen. Die Schadensbilder machen deutlich, dass ein Großteil der Schäden auf Sturm- und Schneelasten sowie auf fehlerhafte Montage und unsachgemäße Begehung zurückzuführen ist. In der Praxis können falsche Bauteile, Planungs- oder Montagefehler zu weiteren Schäden an der Konstruktion und zu einer unwirtschaftlichen Solaranlage führen. Der fachgerechten Montage der Anlagen auf dem Dach kommt daher eine besondere Bedeutung zu.

Die derzeit übliche Montage mit herkömmlichen Solardachhaken in der Dachhaut reicht in vielen Fällen nicht aus, um die Lasten aus Windsog und Schneelast sicher aufzunehmen und schadlos abzuleiten. Problematisch sind vor allem die Kraftübertragungen im Bereich der Befestigungselemente mit hohen Lasten auf die Dachhaut. Diese führen unweigerlich zum Bruch der Dachziegel und in der Folge zu Undichtigkeiten der Dachhaut. Es muss festgestellt werden, dass die Biegesteifigkeit der Dachziegel nicht für die Lastabtragung der Anlagen durch punktuell aufliegende Befestigungselemente ausgelegt ist. Die Hersteller von Dachziegeln und Dachsteinen lehnen daher Gewährleistungs- und Garantieansprüche im Versagensfall konsequent ab.

VDI 6012 ergänzt hierzu: „Die Inanspruchnahme der Biegesteifigkeit der Dachziegel/-steine zur Lasteinleitung ist nicht geregelt und bedarf daher stets der einer Einzelfallbetrachtung. Eine Lasteinleitung in den Dachziegel/-stein kann zum Bruch des Dachziegels/-stein führen und muss vermieden werden.“

Häufig entstehen bereits während der Montage kaum sichtbare Haarrisse, die erst lange nach Abbau von Montagekran und Gerüst zu Brüchen im Dachmaterial mit Durchfeuchtungen und Feuchteschäden führen. Der Rückbau der Anlagen zur Reparatur ist aufwendig und für den Bauherrn unbefriedigend. Bei der Befestigung mit Solardachhaken wird immer auch in das System der Regensicherheit der Dachhaut eingegriffen. Für die Durchdringung der Dachhaut mit einfachen Dachhaken müssen die Kopf- und Fußfalze manuell mit Flex oder Hammer bearbeitet werden. Dies führt zu einer Beeinträchtigung der geforderten Regeneintragssicherheit der Dachdeckung und entspricht weder den Verarbeitungsvorschriften der Dachziegel-/Dachsteinhersteller noch den Richtlinien des ZVDH und VDI. Darüber hinaus wird durch die Bearbeitung das Bedachungsmaterial teilweise unzulässig geschwächt und die Bruchgefahr erhöht. In der Folge erlöschen die Materialgarantien der Hersteller.

VDI 6012 hierzu: „Infolge der Bearbeitung der Dachziegel/-steine sind Einschränkungen der Produktgewährleistungen zu berücksichtigen.“

Unkenntnis dieser technischen Sachverhalte kann zu großen Problemen mit Feuchteschäden, Reklamationen und unwirtschaftlichen Nachbesserungen durch Rückbau aufgeständerter Anlagen führen. Besser ist hier der Einsatz von speziellen Dachpfannen, die entweder universell oder dachpfannenspezifisch in das Deckbild eingepasst werden und keine Belastung der Dachdeckung erzeugen. Das ist ganz klar eine Arbeit für den Dachdecker. Diese Einbauteile werden in Regel auf die Dachlatten und speziell angeordneten Soglatten montiert und ermöglichen eine sichere Ableitung der Kräfte in die Unterkonstruktion des Daches. Dadurch ist auch eine sparrenunabhängige Montage der Stützen in der Dachhaut möglich. Neben den funktionalen Vorteilen ergeben sich auch optisch ansprechende Lösungen für das Dachbild.

Exkurs: Anwendung bei Aufdachdämmungen

Für die Funktionssicherheit von Montagesystemen muss der Dachdecker auch die Unterkonstruktion betrachten. Als energetisch besonders wirksame Dämmmaßnahme werden zunehmend Aufdachdämmungen verlegt. Aus bautechnischer Sicht überzeugen diese effizienten, vollflächig verlegten Systeme. Sie werden vom Dachprofi mit geringen Fugenanteilen und Wärmebrücken verlegt. Die Lagesicherung der Aufdachdämmung erfolgt durch statisch bemessene und bauaufsichtlich zugelassene Systemschrauben, die eine Krafteinleitung über die Konterlattung in den Sparren der Tragkonstruktion ermöglichen. Die Schrauben nehmen dabei sowohl die Querkraft als auch die Windsogkräfte der gesamten Dachkonstruktion auf. Um auch Kräfte aus Zusatzlasten, z. B. durch nachträglich aufgeständerte Solarelemente, sicher in die Unterkonstruktion einleiten zu können, müssen oberhalb der Konterlattung zusätzlich Verstärkungselemente eingebaut werden, um Verformungen und Beschädigungen der Aufdachdämmung sowie der zweiten Abdichtungsebene (aufkaschierte Unterdeckbahn) zu vermeiden. Dies ist grundsätzlich statisch nachzuweisen. Hier werden von den Herstellern spezielle Verstärkungselemente angeboten, die bei Aufsparrendämmungen die sichere Befestigung der Montageelemente ermöglichen und bereits im System geprüft sind.

Indach-Lösungen in Verbindung mit Ziegeleindeckung

Solardachziegel werden in Kombination mit herkömmlichen Dachziegeln oder Dachsteinen verwendet. Bei Solardachziegeln sind die PV-Module auf dem eigentlichen Dachziegel montiert. Auch hier sind die Elemente wie die Dacheindeckung verdeckt. Die kleinteiligen PV-Dachelemente müssen elektrisch miteinander verbunden werden. Sie können inzwischen auch farblich an die Ziegelfarbe des Grundziegels angepasst werden, um den Anforderungen des Denkmalschutzes gerecht zu werden.

Plattenförmige Elemente können zusammen mit passenden Dachziegeln oder Dachsteinen als elegantes Photovoltaik Indachsystem verlegt werden. Die plattenförmigen Module werden einfach wie herkömmliches Dachmaterial auf die vorhandene Traglattung montiert. Die Verlegung der Modulreihen erfolgt sowohl im Verband als auch in Reihe und ermöglicht so die Nutzung komplexer Dachgeometrien wie Walmdächer oder Dachverschneidungen.

Je kleiner die Anlagen sind, desto größer ist der Aufwand für die elektrische Verkabelung der Elemente untereinander. Die Anpassung an die Gebäudegeometrie ist dagegen einfacher, da in der Regel die Standardanschlusslösungen für Grat, Kehle und First aus dem Lieferprogramm der Dachziegelhersteller verwendet werden können.

Rahmengebundene Lösungen

Rahmenlösungen werden wie Dachfenster mit der eigentlichen Dacheindeckung überdeckt und ersetzen jeweils das Bedachungsmaterial. Als eigenständiges „hartes“ Bedachungsmaterial übernehmen sie die Eigenschaften der Dacheindeckung wie Regensicherheit und Brandschutz. Sie lassen sich schnell und kostengünstig verlegen. Die Module der dachintegrierten Systeme werden in der Konterlattenebene und durch spezielle Lüftungsschlitze in den Modulen hinterlüftet, um Leistungsverluste durch erhöhte Erwärmung zu vermeiden. Zur perfekten Integration in die Dachhaut können bestimmte Systeme auch mit Wohnraum-Dachfenstern im Modulraster kombiniert werden. Im Vergleich zu so genannten Solardachziegeln haben sich größere Elemente bewährt, da sie schneller verlegt und einfacher angeschlossen werden können. Ist ihre Regensicherheit nachgewiesen, stellen sie auch keine erhöhten Anforderungen nach dem Merkblatt für Unterdächer, Unterdeckungen und Unterspannungen“ des ZVDH (Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks e.V.).

Volldachsysteme

Bei Volldachsystemen werden ganze Dachflächen mit Schindelsystemen mit PV-Dachelementen eingedeckt. Dies erfordert einen höheren Planungsaufwand; die Regensicherheit und damit die Eignung der solaren Dacheindeckung als eigenständiges Dachmaterial muss gewährleistet sein.

zuletzt editiert am 23.05.2023