Dachdeckermeister auf Gründach mit Photovoltaik
Dachdeckermeister Jörg Ewald ist seiner Zeit lange voraus: Nachhaltigkeit und Klimaschutz hat er schon seit Jahren auf der Agenda. (Quelle: Jörg Ewald)

Nachhaltigkeit 2025-11-18T08:55:49.431Z Dächer ohne Rückstände

Klimahandwerker: Immer mehr Dachdeckerbetriebe fragen sich: Was bauen wir da eigentlich ein – und wie sieht das Dach in 30 Jahren aus? Wir geben einen Überblick über nachhaltige Initiativen in Sachen Klimaschutz.

Die Bauwirtschaft gehört laut Umweltbundesamt zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftsbereichen in Deutschland: Rund 40 % des gesamten Rohstoffverbrauchs gehen auf den Neubau von Gebäuden und Infrastruktur zurück. In der öffentlichen Diskussion wird vor allem die Industrie in die Verantwortung genommen – zu langsam, zu energieintensiv, zu wenig ökologisch. Der Anteil hochwertig recycelter Materialien, der in den Gebäudesektor zurückfließt, liegt weiterhin im einstelligen Prozentbereich.

Die Handwerksbetriebe haben begrenzte direkte Einflussmöglichkeiten auf den Ressourceneinsatz der Industrie – und doch vollzieht sich aktuell ein Wandel: Immer mehr Dachdeckerbetriebe beschäftigen sich aktiv mit der Frage, wie sie Emissionen vermeiden und nachhaltigere Lösungen einsetzen können. Denn das Dachdeckerhandwerk hat alles, was es braucht: Fachwissen, Einfluss, Materialkenntnis – und eine zentrale Rolle als Klimahandwerker in der Gebäudewende. Photovoltaik- und Gründachsysteme sind die sichtbarsten Symbole für ein nachhaltigeres Dachdeckerhandwerk. Sie verbessern das Stadtklima, senken Emissionen und machen das Dach zur aktiven Energie- und Klimaschutzfläche.

Ausschuss Nachhaltigkeit: Selbstcheck durchführen

Vor allem die neue, junge Generation von Dachdecker:innen steht heute vor der Aufgabe, mit Altlasten verantwortungsvoll umzugehen. Sanierung, Arbeitsschutz und Entsorgung sind komplex – und teuer. Doch wo könnte und sollte ein Dachdecker-Betrieb ansetzen, wenn er seinen Betrieb nachhaltig umstellen möchte?

Seit rund 4 Jahren gibt es beim ZVDH den Ausschuss Nachhaltigkeit. Ausschuss-Vorsitzender Martin Weihsweiler: „Zum Glück haben wir im Dachdeckerhandwerk eine große Produktvielfalt. Das ist schon mal ein großer Vorteil. Aber man sollte auch mal den unbequemen Weg gehen und sich über neue, alternative Produkte informieren und Leistungsverzeichnisse anpassen. Wir wollen die Kollegen dazu animieren einen Selbstcheck durchzuführen, damit jeder selber prüfen kann, inwieweit Klimaschutz, Ressourcenschutz, Regionalität, soziales Zusammenleben, Aus- und Weiterbildung, ökonomische Stabilität und nicht zuletzt Innovationsfähigkeit gegeben sind. Das braucht Zeit, lohnt sich aber“, ist sich der Dachdeckermeister aus Meckenheim sicher.

Die Mottos des Ausschusses: „Nachhaltigkeit ist eine Chance, keine Last.“ und „Ohne uns ist die Zielerreichung der Klimaschutzziele nicht möglich.“ Der Ausschuss hat ein Zertifikat entwickelt, mit denen die Dachdecker Handlungsempfehlungen erhalten. Das ZVDH-Zertifikat „Green Building“ bewertet Materialien entlang der Kriterien: Produktion, Produk­teigenschaften, (Langlebigkeit) und Recyclingfähigkeit basierend auf BNB/QNG-Standards. Die Zielsetzung: Dachdecker-Betrieben datenbasierte Entscheidungshilfen liefern und kontinuierliche Verbesserung fördern.

Besonders kritisch sind aus heutiger Sicht:

- Bitumenbahnen: Bei Verlegung mit Heißbitumen entstehen Aerosole in kritischer Konzentration

- Verbund- und verklebte Dämmstoffe (geringe Recyclingfähigkeit)

- Einige Flüssigkunststoffe auf PVC-Basis und teilweise auf PU- oder Acryl-Basis.

Rückbau statt Verklebung

Einige Betriebe weisen Kunden auf nachhaltigere Alternativen hin – Holzfaserdämmung, Zellulose oder recycelte Bitumenbahnen. Doch noch überwiegen Preis, Ausschreibungspraxis und fehlende Förderung. Dachdeckermeister Matthias Kremer vertritt einen anderen Ansatz: „Ein Dach soll so gebaut sein, dass seine Kinder es in 30 Jahren ohne großen Aufwand sanieren können.“ Deshalb setzt sein Betrieb auf Rückbaubarkeit statt Verklebung, Mülltrennung auf Baustellen – und vor allem: Ehrlichkeit gegenüber Bauherren.

Jörg Ewald ist der Vorzeigepionier in Sachen Umweltschutz unter den Dachdeckern. Seit rund zwanzig Jahren verbaut Ewald Gründächer, fährt mit dem Lastenrad zu Kunden und demonstriert in seinem Betrieb in Hannover wie PV und Gründäch gemeinsam funktionieren. „Nicht jeder Dachdecker muss ein "Solarier“ oder Dachgärtner werden. Er muss sich aber rein denken können, um mit dem sanierten Dach die richtigen Voraussetzungen für das nachfolgende Gewerk zu schaffen“, betont Ewald, der die ersten Solar-Anlagen bereits 1996 installierte.

Dass Photovoltaik fest ins Gewerk gehört, wurde aktuell nochmals klargestellt. Der überarbeitete Abgrenzungsleitfaden des DHKT und der DIHK erklärt auch ballastierte PV-Systeme zur zulassungspflichtigen Tätigkeit – wegen der statischen Auswirkungen. „Auch eine aufgelastete PV-Anlage verändert die statischen Verhältnisse eines Daches“, sagt Rolf Fuhrmann vom ZVDH.

Recycling mit Bürokratiehürden

Das Thema Recycling treibt Städte, Kommunen und Unternehmer schon länger um. Meist ist das Recycling von problematischen Baustoffen für Dachdecker ein großer bürokratischer Aufwand. Vorschriften und Verordnungen werden vom Bund beschlossen, von den Bundesländern unterschiedlich interpretiert und von 300 Landkreisen nochmal anders umgesetzt, siehe auch unser Interview mit Mario Kunzendorf.

Zum Beispiel müssen seit August 2023 alle Mitarbeitenden, die mit PU-Schäumen arbeiten, eine spezielle Unterweisung absolvieren und einen Test bestehen. „Das Ganze war ein bürokratisches Monstrum“, so DDM Jan Mittag. Mitarbeiter mussten sich teilweise mit privaten E-Mail-Adressen registrieren, Online-Module durcharbeiten und Zertifikate vorlegen – unabhängig davon, ob sie täglich oder nur sporadisch PU-Schäume verwenden. Eine Kontrolle der Schulungspflicht erfolgte kaum, der Nutzen für die Arbeitspraxis blieb fraglich.

Doch es gibt auch positive Nachrichten. So startete das Berliner Dachdeckerhandwerk im November 2024 die Initiative Kreislaufwirtschaft Dachdeckerhandwerk Berlin, ein Projekt, dass die Rücknahme von PU-Dämmstoffresten, die bei der Verarbeitung an Baustellen anfallen, in den Mittelpunkt stellt. Ziel ist es, Dämmstoffe wieder in den Kreislauf zurückzuführen.

Auch regionale Angebote, wie im Bereich EPS-Entsorgung, versprechen unbürokratische Unterstützung. So sorgte eine mobile Entsorgungsstation für EPS-Dämmstoffe in der Dachdecker-Branche für Aufsehen. Ein mobiler Kompaktierer von FZ Recycling hilft den Unternehmen direkt und kommt auch auf der Baustelle.

Ohne Dachdecker keine Klimawende

Das Dachdeckerhandwerk befindet sich im Spannungsfeld zwischen Effizienzinteresse und Nachhaltigkeitsanforderung. Technisch versierte Betriebe nutzen bereits Systeme, die langfristig ökologisch und ökonomisch Sinn ergeben. Der Schlüssel liegt in: Verlässlichen Zahlen (CO₂‑Bilanz, Recyclingquote, Lebenszyklusdaten), Zertifizierten Materialien (Green Building), und klarem Prozessmanagement (Entsorgung, Rückbau, Systemdesign).

„Ohne uns ist die Umsetzung der Klimaziele nicht möglich“, heißt es in der Präsentation des Nachhaltigkeitsausschusses des ZVDH. Im Idealfall bekommen Kunden klare, verständliche Angebote – mit Umweltnutzen und Förderberatung. So kann das Dach zu einem aktiven Baustein der Klimawende werden – effizient, rational und zukunftssicher. Einige Dachdecker-Betriebe leben diesen Wandel, der PV-Anteil steigt, Elektriker werden ins Team geholt.

Den kompletten Beitrag lesen Sie in DDH 12. 2025.

zuletzt editiert am 25. November 2025